The Informant!

Horst Schlämmer, sophisticated, auf edles internationales Niveau angehoben. Vom prima hinschauenden Soderberg, den man mit jedem Film mehr schätzen kann. Gerade für sein genaues Hingucken.

So ergibt sich vorbildhaft in Mark Whitacre, von seiner Frau liebevoll Corky genannt und brilliant gespielt von Matt Damon, eine der sehr seltenen, im deutschen Kino vollkommen ausgestorbenen, dreidimensionalen Kinofiguren, die dadurch spannend sind, dass sie quasi einen eingebauten Stolperstein haben.

Der ist auf den ersten Blick noch gar nicht so recht zu erkennen. Andererseits stimmt das Outfit von Whitacre irgendwie misstrauisch und neugierig, wie kann dieser biedere, ja überbiedere Typ, der einen mit seinem Schnauzer und seinen manchmal leicht sichtbaren oberen Vorderzähnen an Horst Schlämmer erinnert, auch durch das nicht ganz natürliche Haarvolumen, aber alles diskreter als beim deutschen Provinzjournalisten, wie kann so einer, der noch dazu einen leicht stilisierten Gang hat, als ob er nicht so richtig mit beiden Füssen auf dem Boden steht, wie kann so einer in einem grossen Agrarkonzern wie Monsanto es ist, der hier im Film Archer Daniels Midland ADM heisst, es soweit bringen?

Corky erweckt den Eindruck eines einfachen, leicht überforderten Buchhalters. Er soll Naturwissenschaften, Nahrungswissenschaften studiert haben, steht am Rande zum Aufstieg in den Managerbereich.

Er lebt mit einer äusserst korrekten Frau, grosszügiges Home, er will einen Reitstall für seine zwei adoptierten Kinder bauen; er selber verlor sehr früh seine Eltern und hatte das Glück von einem Besitzer mehrerer Jahrmarkt-Fahrgeschäfte adoptiert worden zu sein.

Anrührendes Schicksal, was auch verständlich macht, dass er sich aus Dankbarkeit und weil er Unglück kennt, sehr für eine Sache, für den Beruf und die Familie reinhängt.

Durch seinen Job bekommt er Kontakt zum FBI. Da er Einblick in welweite illegale Preisabsprachen seines Konzerns hat, bietet er sich als Informant an. Sein Gewissen gebietet ihm das.

Soderbergh fängt sein schönes Spiel um diesen liebenswürdigen Charakter mit Bildern an, die ein Liebhaber alter Tonbandgeräte nicht schöner hätte abfotografieren können, wie das Band eingelegt wird, wie sich die Spulen drehen, wie eine Hand ein Hörprotokoll auf eine Tastatur tippt. Soderbergh stellt als erstes das Corpus Agentis vor, nimmt dadurch gehörigen Erwartungsdruck von der Hauptfigur, für die er sich am meisten interessiert, und gerade deshalb hervorragend die Reaktionen der anderen Figuren beobachtet, und um die herum er einen glaubwürdigen Wirtschaftskrimi entwickelt, ohne verbiesterte oder weltverbessernde Penetranz oder Oberlehrerhaftigkeit.

Je mehr er den Zuschauer mit dem Interesse am Krimi ablenkt, desto mehr kann er quasi aus der Kniekehle heraus weitere Überraschungen über unseren Protagonisten servieren.

Für das Publikum das reinste Vergnügen.

Vor allem hochdotierte deutsche Drehbuchprofessoren sollten dieses Konstrukt ganz genau unter die Lupe nehmen, damit sie endlich auch in der Lage sein werden, ihre Studenten auf die Faszination und die Spannungskraft dreimimensionaler Figuren hinzuweisen, ohne welche das traurige, deutsche Kino, ja ganz logisch, weiterhin zweidimensional bleibt.

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