Auch wenn sich das rote Zitat im Artikel relativiert, hat die Kombination der beiden oberen Zeilen auf den ersten Blick dann doch eine völlig andere Bedeutung. Aus der täglichen Rundmail von Spiegel Online:
Im Artikel wird erklärt, wieso die „sechs“ deutschen Filme, die im Rennen um einen Oscar stehen, auf extrem harte Konkurrenz treffen werden. Ach was, „harte Konkurrenz“ bei den Oscars? Für unsere tollen deutschen Filme? Nicht doch. Der Rest der Welt dreht ja auch nicht unbedingt schlechte Filme, was ja hinlänglich bekannt sein dürfte.
Viel interessanter finde ich jedoch die Tatsache, dass in solchen Fällen plötzlich jeder Coproduktions-Credit einen Film zu einem deutschen Film macht, oder gar Österreich zu diesem Zwecke quasi wieder annektiert wird. Was ist überhaupt ein deutscher Film?
Formaljuristisch (ich wollte schon immer mal dieses Wort gebrauchen) ist es sicher gestattet, jeden Film, bei dem deutsches Geld verwendet wird, irgendwie auch einen deutschen Film zu nennen, doch irgendwie bleibt da doch ein Nachgeschmack. Revanche zum Beispiel ist laut Presseheft (PDF) ein rein österreichischer Film. Nur, weil sie da deutsch reden (außerdem: ist das wirklich noch deutsch? Ich finde den Dialekt viel sympathischer als Piefke-Sprech), macht das einen österreichischen Film auch für die Oscars nicht zu einem deutschen Film.
Der Vorleser wurde von einem Engländer in Deutschland inszeniert, in den Hauptrollen spielen Englänger und Deutsche Seite an Seite. Ist das nun ein deutscher Film? Für das Publikum wohl eher nicht. Sie sehen die Namen der internationalen Stars Ralph Fiennes und Kate Winslet auf dem Plakat stehen, da denkt doch keiner mehr „Hey, das ist ja ein deutscher Film!“
Ich weiß, das Thema ist tricky, aber andererseits finde ich es eben interessant, wie sehr Filme plötzlich durch und durch deutsch werden, nur weil sie für einen Oscar nominiert sind. Das ist ungefähr wie bei der Seefahrt, wo offiziell auch fast jeder unter liberianischer Flagge fährt, auch wenn Schiff, Ladung und Besatzung mit Liberia überhaupt nichts zu tun haben.
Dass Eichinger die Hoffnung zuletzt sterben sieht, ist oben klar aus dem Zusammenhang zitiert, erzeugt aber bei der Leserschaft den Eindruck, dass die Deutschen kinomäßig herummurksen, sich dessen auch noch bewusst sind, es aber nicht besser können oder wollen und dann auch noch kollektiv hoffen, dass von den Profis in Amerika den deutschen Murks keiner bemerkt. Superpositive Schwingungen, finde ich! Das erinnert mich stark an meine Schulzeit, als ich meine Hausaufgaben mit minimaler Mühe oder gleich gar nicht erledigte („Der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen! Ich mußte ihn zwingen, aber er hat sie gefressen!“) und darauf zählte, dass das der Lehrer einfach nicht bemerken würde. Das Problem: Es hat fast immer geklappt.
Dabei kann es doch nicht so schwer sein, Filme von der Qualität großen Kinos zu machen: Fragt Tom Tykwer zu The International, denn das ist der einzige deutsche Film der letzten Jahrzehnte, der wirklich die Bezeichnung „ganz großes Kino“ verdient hat. Oder alle anderen, die jemals Oscarnominiert waren (ohne ein Behindertenthema im Film auszunutzen).
Klar, andere deutsche Filme wie der Baader Meinhof Komplex sind auch nicht schlecht, doch laufen solche Filme immer irgendwie unter einer Sonderkategorie: Sie wurden z.B. nicht zur Unterhaltung gemacht, sondern zur Bildung (WWII, DDR, andere nationale Themen), sie sind „für einen deutschen Film doch gar nicht schlecht“, wie man ständig beteuert bekommt, sie wurden vom Staat gefördert. Solche und andere Attribute verzerren das Bild total. Was bleibt, sind die Zahlen: Die Zuschauer mögen Batman halt wesentlich lieber als … öh, passenden deutschen Superheld bitte hier einfügen. Fällt mir wirklich nur Genschman ein?
Ich finde das Konzept der Filmförderung ja sowieso total absurd: Kunstförderung ja, aber wozu bitte Kommerzkino-Förderung? Werden deshalb keine richtigen Kommerzfilme gedreht, weil man dann keine Kunstförderung bekommt? Das wäre ganz schön armselig. Im Grunde ist es wie Bier trinken: Die süffigste Sorte gewinnt, Ende. Nur wenn ein Film süffig ist, gibt’s vielleicht auch den Oscar. Da kann kantiges deutsches „ja, aber“-Kino halt nicht mitspielen.
Aber wenn sich ein ganzes Land zu gut ist, ordentlichen Mainstream-Quark zu produzieren, den Rest ohne Steuermittel aber gar nicht erst drehen könnte, dann ist es meines Erachtens überhaupt kein Wunder, wenn die Oscar-nominierten, bisweilen nur durch glückliche Fügung gerade noch als „deutsch“ zu definierenden Filme auf „harte Konkurrenz“ stoßen. Ich sagte es schonmal, ich sage es wieder: Banker sollten keine Filme machen.
Zum Thema darf ich empfehlen, in das Podcast-Angebot des Bayerischen Rundfunk hineinzuhorchen und die Eins zu Eins–Episode mit Hannes Jaenicke (den wir eine Zeit lang wegen seiner Überpräsenz nicht mehr sehen konnten, genau wie übrigens Katja Riemann als deutsche Meg Ryan) nachzuhören, denn dort bringt Jaenicke auf den Punkt, was am deutschen Film so anders ist, und warum er sich nicht an die Gesetze des „großen Kinos“ halten will, die in den restlichen Ländern der Erde gelten. Doch solange nichtmal der BR, unsere königlich bayerische Funkanstalt, den „Oscar“ fehlerfrei schreiben kann (20% Fehlerquote), sehe ich da noch einen langen Weg zum routinierten „großen Kino“ aus Deutschland (und einen Job für mich). Ganz ehrlich.
Ach ja, einen Liveblog gibt’s bei der Filmkritikerin. I’m getting too old for this shit und gucke morgen in aller Ruhe die Aufzeichnung. Gute Nacht!
PS: Natürlich wäre ein Oscar schön für Deutschland, aber verdient wäre er nicht wirklich, zumindest bei den Filmen, die ich kenne, verhält sich das so. Nächstes Jahr dann vielleicht, mit The International.
Ein strukturelles Problem, warum dem so ist beim deutschen Film, um nur einen einzigen Punkt herauszugreifen, ist die Entscheidung über die Besetzung der Hauptrollen. Diese geschieht nicht etwa nach künstlerischen Gesichtspunkten durch einen Künstler, nämlich den Regisseur, diese geschieht sozusagen nach „politischen“ Gesichtspunkten der fördernden Gremien und Redaktionen, kommt mithin einem reinen Ausmarch- und Proporzprozess gleich. Also wenn das Fernsehen viel Geld zu einer Produktion beisteuert, dann möchte es auch bestimmen, wer die Zugstars sind, denn es denkt an die Quote und nicht ans Kino, was man dem Fernsehen nicht mal übel nehmen kann. Geht aber zu Lasten des Kinos. Das erinnert ein wenig an das, was bei den Landesbanken passiert ist, die führenden Positionen wurden zu Verschiebebahnhöfen für Gunsterweise der Parteien. Hat also mit Qualifikation für den Job wenig zu tun, mit Wettbewerb schon gar nichts. Fördert mithin Funktionärshaltung und Funktionärsorientierung, auch bei den Künstlern.
Ja, da hast Du allerdings recht – wobei ein gewisses Markt-Denken natürlich erlaubt sein muss.
Das erfolgreichste deutsche Oscar-Jahr war doch wohl 2004 (genaugenommen die Oscars 2003):
11 Oscars und noch 106 andere Preise (lt. IMDB) natürlich für diesen Film, der war mit über 50% durch deutsches „silly money“ finanziert. Und trotz eines Einspielergebnisses von über 1 Mrd. $ haben die Investoren keine Rendite gesehen… (muß ja aus irgendeinem Grund „silly money“ heißen) Der Film wurde auch ganz offiziell von der „Lord Dritte Productions Deutschland Filmproduktion GmbH & Co. KG“ produziert. (sitzt in Pullach, einfach mal googlen)
Die ersten beiden Teile wurden zu einem noch größeren Prozentsatz von Deutschland finanziert, da hätten die doch auch einen Teil hier drehen können 😉
Hi Alex, so gesehen machen „wir“ ständig richtig tolle Filme… Ich hab den Kommentar leicht editiert, wie Du sicher schon bemerkt hast: Den Google-Link hinzugefügt, einen Doppelpunkt in der 1. Zeile und den IMDb-Link gerichtet. Scheint ein WP-Spaß zu sein, das mit den langen Links ist mir auch schonmal passiert in einem fremden Blog, wo ich nichts ändern konnte. Zum Thema sag ich nur: Hurra Deutschland!
Marktkonform, das ist der Punkt. Dass durch diese Rollenausklüngeleien in Gremien nicht klar differenziert wird zwischen fernsehmarktkonform und kinomarktkonform. Wegen der Mischfinanzierung. Und dass das Kino dabei öfter den kürzeren zieht. Weshalb wir hier so gut wie keine Kinostars haben, sondern eben Mischstars, Amphibienstars. Und so lange dem so ist, wird deutsches Kinogeld, auch Fördergeld, silly bleiben. Auch wenn durch neue Fördervorgaben dieses Silly-Geld mehr im Lande arbeitet, aber der Hauptteil davon doch an richtige, das heisst: ausländische Kinostars geht. Ohne damit einem Buy-German das Wort reden zu wollen. Aber wenn Förderpolitik zur Verhinderungspolitik wird, stellt sie sich selbst in Frage. Verhinderung im Sinne der Marktkonformität durch Verhinderung zum Beispiel des Aufbaus richtiger Zugstars. Denn Schauspieler entwickeln sich besser und glaubwürdiger, wenn sie sich gelegentlich und immer mal wieder einem Wettbewerb um Rollen stellen müssen als wenn sie diese frei Haus in ausreichender Menge in den Arsch geschoben bekommen, bloss weil sie ein gremiengängiger „Name“ sind und dazu noch das Untertanentum, die Weisungsgebundheit, sprich Unselbständigkeit, mit ihrer Ausbildung zum Stadt- und Staatstheaterschauspieler von der Pieke auf gelöffelt und verinnerlicht haben. Das macht bequem. Und schauspielerischer Bequemlichkeit im Film zuzuschauen interessiert wenig. Aber genau das passiert hierzulande und arbeitet gegen der Erfolg, auch den internationalen, der heimischen Film-Produktion. Die Förder- und Finanzierungsstrukturen in Deutschland sorgen zwar für einen ordentlichen Output an handwerklich ordentlich gemachten Filmen (niemand geht jedoch ins Kino, um einen handwerklich ordentlich gemachten Film zu schauen!), verhindern jedoch den mit dem vorhandenen Talent erreichbaren maximal möglichen Erfolg. Das sollte zu denken geben.