Das Presserecht: Ein Anspruch auf Auskunft. Könnte es das auch für den Filmjournalismus geben?

Als Mitglied des Journalisten(dach)verbandes DJV erhalte ich auch die Fachzeitschrift Journalist. In der Ausgabe 2/2009 beschreibt Timo Rieg in seinem Artikel Bilder nach Art des Hauses das Dilemma der Journalisten, die nur gegenüber Behörden Auskunftsrechte haben, nicht aber gegenüber Unternehmen.

Als roten Faden für seinen Artikel wählte Rieg die Arbeit der Fotografen: Meist dürfen diese nur nach dem Akzeptieren journalistisch stark einengender Verträge auf Konzerten u.ä. Veranstaltungen fotografieren, müssen sich einzelne Motive vor Veröffentlichung von den Veranstaltern schriftlich absegnen lassen und haben nicht die Möglichkeit, das Material an zusätzliche, vorab nicht genannte Kunden weiterzuverkaufen.

Dies ähnelt meines Erachtens stark der Situation von Filmkritikern: Wir müssen zwar keine Verträge unterschreiben, um Kritiken zu veröffentlichen (zumindest in den allermeisten Fällen), auch dürfen wir unsere Texte völlig frei formulieren. Doch welcher Journalist zu welchem Film geladen wird, um überhaupt darüber schreiben zu können, wird allein von Seiten des Veranstalters bestimmt.

Nun unterscheidet sich ein Konzert ja deutlich von einem Film: Das Konzert findet einmalig statt, die Presse kann nur im Nachhinein berichten, und ist zum gleichen Zeitpunkt vor Ort wie die Zuschauer, die Kunden. Durch die Kritik können also keine neuen Zuschauer für das Konzert geworben werden, wohl aber die CD- und DVD-Verkäufe angekurbelt werden.

Ein Filmstart dahingegen wird ja vorbereitet, hierzu kann der Film natürlich der Presse vorab gezeigt werden, um punktgenau die Kritiken in den Zeitungen zu haben, also kurz bevor der Film anläuft. Könnte man diese Texte steuern, hätten die Veranstalter eine ideale Werbung im Deckmantel von neutralem Journalismus. Doch die Journalisten werden bisweilen nach Gusto eingeladen, und manche eben auch explizit nicht. Natürlich besteht genau darin der Versuch, die Berichterstattung zu beeinflussen.

Das finde ich noch nichtmal so richtig negativ, denn es ist natürlich das gute Recht eines Unternehmens, potentielle Fettnäpfchen bewusst zu umschiffen. Wer einem Literaten eine Schenkelklopferklamotte vorführt, braucht sich natürlich nicht zu wundern, wenn nacher ein Zornesausbruch würdig eines Marcel Reich-Ranicki in der Zeitung steht, also ist man natürlich versucht, nur die Kollegen einzuladen, mit denen „man kann“. Die anderen werden’s schon nicht erfahren – wird offenbar gedacht.

Andererseits ist es ebenfalls ein Fettnäpfchen, diese „kritischen“ (für die gewünschte Berichterstattung unpassenden) Journalisten vorsichtshalber gar nicht erst einzuladen. Richtig Größe zeigen würde es, sämtliche Filmjournalisten kompromisslos zuzulassen und sich aufrichtig deren Kritik zu stellen. So, als würde ein Autohersteller nicht nur Autoblätter zu einer Präsentation einladen, sondern auch Umweltjournalisten, für die das Thema auch relevant ist.

Die Lage ist also komplex, die einzige wirkliche Lösung bestünde darin, einfach nur noch kompromisslos gute Filme zu machen. Da das natürlich illusorisch ist, bedarf es meines Erachtens einer Reihe von Richtlinien, um den Wünschen und Vorstellungen sowohl der Filmjournalisten als auch der Filmverleiher gerecht zu werden.

Ich schlage hiermit das Aufsetzen eines Manifests vor, das ich mir in etwa so vorstelle, eine Diskussion ist natürlich erwünscht:

Filmjournalisten sollten:

  • ihre persönliche Meinung außen vor lassen und nur ihre professionelle Ansicht in die Bewertung eines Filmes einfließen lassen
  • jeden Film neutral, unter fachlichen Gesichtspunkten und zielgruppenrelevant bewerten
  • PVs nur dann besuchen, wenn sie auch wirklich über den Film zu berichten gedenken oder zumindest ihre Arbeit in Folge ihren Kunden anbieten
  • generell nach den Regeln spielen und sich der Grenzen ihrer Freiheiten und Rechte bewußt sein. Filmjournalismus ist nunmal nicht dasselbe wie Enthüllungsjournalismus, Kriegsberichterstattung oder Journalismus zu Politik, Sozialem und Wirtschaftlichem.
  • Sperrfristwünsche der Veranstalter respektieren, solange diese nicht selektiv sind.

Filmverleiher und Filmpresseagenturen sollten:

  • Die absolute Freiheit der Journalisten in der Einschätzung des jeweiligen Filmes akzeptieren
  • jegliche Konsequenzen negativer Berichterstattung unterlassen
  • bei Beginn der Zusammenarbeit mit einem Filmjournalisten einmalig etablieren, ob ein Filmjournalist grundsätzlich Zugang zu allen Pressevorführungen (=Produktpräsentationen) dieses Verleihs bekommt oder nicht. (Die Aufgabe dieses „Screenings“ könnte eigentlich auch ein (der) Filmkritikerverband übernehmen.) Eine Ablehnung muss sachlich begründet werden.
  • eine feinere Unterteilung der Berichterstatter (nach Film, Vorlauf oder Zielgruppe) dahingegen nicht mehr vornehmen.
  • in Folge dem Journalisten ebenfalls freistellen, welche der mehreren Pressevorführungen des Filmes er besucht. Der Journalist kann dann frei entscheiden, in welcher Sprachfassung er den Film sieht, in welcher Stadt, und in welchem Abstand zum Start. Bezeichnungen wie „Langplanervorführung“ und analoge fallen damit flach, es gibt nur noch eine erste, zweite und ggf. dritte Runde von Pressevorführungen. Da freie Filmjournalisten oft mehrere Kunden mit unterschiedlichen Vorläufen haben, ist eine zuverlässige Einteilung nach Vorlauf ohnehin unmöglich, daher sollte sich der Journalist einfach selbst organisieren können. Auch sind freie Journalisten oft terminlich nicht immer in der Lage, die für sie „gedachte“ PV zu besuchen und haben dann Probleme, in eine frühere zu kommen, von der sie außerdem oft gar nichts erfahren haben. (Persönliche Anmerkung: Besonders toll ist es, wenn man zu einem Film kurz vor Start endlich eine PV-Einladung erhält, in der dann steht „…haben Sie letztmalig Gelegenheit, … vor dem Start zu sehen.“)
  • den Ablauf der PV-Termine für Journalisten in Kooperation mit den anderen Filmverleihern besser koordinieren oder durch einen Dienstleister koordinieren lassen. Das Blocken, aber Nicht-Wahrnehmen von Terminen führt zwangsläufig zu stundenlangem Leerlauf (und somit zur quasi-Obdachlosigkeit) büroloser Freelancer und außerdem zu unnötigen Früh- und Spätvorstellungen. (Natürlich könnte (Firmenname in Umfirmierung) so ein Dienstleister sein, das will ich gar nicht verschweigen. Es wäre mir eine Ehre, diese Aufgabe offiziell für die deutschen Städte zugeteilt zu bekommen.)
  • anerkennen, dass der Besuch von Kinofilmen für Filmjornalisten nicht reines Vergnügen, sondern Arbeit ist. Auch wenn Filmjournalisten oft das Glück haben, ihren Beruf wirklich zu mögen (das darf ja wohl kein Problem sein), ist es oft nicht leicht, Filme anzuschauen, auf die man eigentlich keine Lust hat, und für diese dann auch noch eine zielgruppenrelevante Berichterstattung vorzunehmen. Die Filme sollten einem nicht auch noch abends (und das ohne die Möglichkeit einer Begleitung, oder gar am Wochenende) als besonderes illustres Event präsentiert werden, der für die meist extra langwierig anreisende Presse einfach nur ein Arbeitstermin ist. Auch wenn der Film Spaß machen sollte, ist es immer noch Arbeit.
  • über eine Trennung von Boulevardjournalismus und Filmjournalismus bei Interviews, PKs usw. nachdenken. Während Filmjournalisten oft Fragen über Machart, Aussage und Details eines Filmes stellen wollen, interessieren sich Boulevardjournalisten ja eher für Kleidung, menschliche Beziehungen und ähnliche Themen. Gesprächsrunden mit gemischtem journalistischen Teilnehmern sind entsprechend zerrissen und kommen nicht leicht auf einen „runden“ Fluss des Interviews.
  • Sperrfristen nur noch pauschal ausgeben, keinesfalls mehr getrennt nach Online, Print, Radio und TV.

Ich weiß, dass diese wenigen Punkte auf den ersten Blick vielleicht ein wenig schräg aussehen. Aber zum einen sollen sie ja nur eine Ausgangsbasis für Diskussion sein, zum anderen bin ich nicht der einzige, der das Thema diskutiert. So wird der Filmkritikerverband VdFk dies zum Beispiel auf seiner morgigen Mitgliederversammlung (wegen der nach Berlin zu reisen ich leider finanziell nicht in der Lage bin) auch zur Sprache bringen. Ich möchte mit diesem Post ein Forum bieten, unter dem obige Liste erweitert oder gekürzt werden kann, in dem diskutiert werden kann, und in dem eventuell tatsächlich ein gemeinsamer Tenor gefunden werden kann. Denn das Thema Arbeitsbedinungen ist auch anderswo aktuell, von der Post bis zu den Beamten.

Zum Presserecht möchte ich noch nachreichen, dass ich der Meinung bin, dass es kein juristisch fundiertes Recht auf Produktauskunft vor dessen Veröffentlichung gegenüber der Privatwirtschaft geben sollte. Dennoch ist es sicher unter dem Strich eher im Sinne der guten Zusammenarbeit, wenn Mitglieder der Presse nicht projektbezogen selektiert werden wie Vieh, um die Gewinnmaximierung durch den Versuch der Unterbindung nicht-positiver Berichterstattung noch ein paar Prozentpunkte weiter in die Höhe zu treiben.

Ich persönlich kann mich nicht besonders laut beschweren, denn ich werde nach dem (Firmenname in Umfirmierung)-Imageschaden (hier) wieder generell recht gut behandelt (es gibt natürlich trotzdem die eine oder andere Spätfolge). Aber ein durch gemeinsamen Beschluss geschaffenes Regelwerk zwischen Veranstaltern und Journalisten, das für alle Beteiligten gilt, ist garantiert die bessere Arbeitsbasis als eine Unzahl von individuellen Abmachungen und Arrangements.

Möge sich nun eine sachliche, fruchtbare Diskussion entspannen!

3 Gedanken zu „Das Presserecht: Ein Anspruch auf Auskunft. Könnte es das auch für den Filmjournalismus geben?“

  1. Das das gar-nicht-erst-einladen bestimmte Kritiken verhindert, ist wohl
    auch nur Wunschdenken. Entweder die kommen später, oder sie kommen dank
    gleichzeitig/früher verfügbaren DVDRip Zeitgleich mit der Kritik derer,
    die man sich ausgesucht hat.

    Viel gefährlicher als die Schar der Berufsnörgler sind eh die Hobby-
    Nörgler in den Blogs und Foren. 😉

  2. In wie fern sollen bitte „Hobbny-Nörgler in Blogs und Foren“ gefährlicher sein?
    Würde ich so gar nicht sehen, denn:

    1. diese halten sich i.d.R. gar nicht an die von Julian genannten Punkte für Filmjournalisten
    2. es sind nunmal immer persönliche Meinungen und zumindest in Blogs und Foren auch klar als solche erkennbar

    Auch wenn es sicher einigen Journalisten nicht passt, so gehören Foren und Blogs durch zur neuen Art der Meinungsfreiheit und den Möglichkeiten heute sich mitzuteilen.
    Ich sehe da keinerlei Gefahr, da wohl kaum ein Blogger anstalten machen wir auf eine PV zu gehen – außer er ist hauptberuflich Filmjournalist 😉

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