Zum ersten Mal im Autokino

Gestern Abend hat meine Liebste mich spontan ins Autokino Aschheim entführt. Ich war zuvor noch nie im Autokino, daher war für mich alles neu und aufregend.

Autokino AschheimIm Grunde ist alles ziemlich genauso, wie man es aus den amerikanischen Filmen kennt – abgesehen natürlich von Spione wie wir: bis zu 1000 Autos, die Reihe an Reihe stehen (auf eigens konstruierten Bodenwellen, damit man eine bessere Sicht hat), gutes Wetter, eine riesenhafte Leinwand (36 x 15 Meter!), Fritten, Burger, Bier. Der Sound kommt bequem übers Autoradio (honi soit qui mal y pense).

Lichthupen, richtig Hupen und Motor-Laufenlassen ist verboten. Das Tolle aber ist: Man kann reden, so laut und so viel man will, Raucher können rauchen, und doofe Sitznachbarn, mit denen man sich um die Armlehne kappelt (wie in manchen Zivilvorstellungen), gibt es auch nicht. Stattdessen stellt man einfach seine Rückenlehne zurück und genießt.

Vom Ablauf her entspricht der Besuch des Autokinos ziemlich genau dem eines normalen Kinos: Anfahrt, Anstehen in einer langen Schlange, Kauf von Eintrittskarten (Bezahlung pro Person) an einer kleinen Drive-In-Bude (bei zwei Anstellspuren verkauft der Kassier abwechselnd links und rechts), Suchen eines Platzes (wer ein hohes Dach hat, bitte hinten parken), Motor aus, und erstmal ab in die „Lobby“, wenn man das hier so nennen darf. Dort gibt es Hamburger, Cheeseburger, Hotdogs, Fritten, Bier, den üblichen Süßkram, aber auch Radios und Heizlüfter gegen Pfand. Teile des Kinos sind eigens mit Steckdosensäulen dafür ausgestattet.

Burger im Autokino AschheimZwischen Werbung und Film, sowie im Film selbst gibt es eine Pause, um die Leute zum Konsumieren zu animieren. Da natürlich jeder soviel ins Kino mitbringen kann, wie er will (in den hinteren Reihen soll bisweilen sogar gegrillt werden, das stelle man sich mal im Gabriel vor…), animieren die Kinobetreiber natürlich mit allen Mitteln (und mit wirklich bezahlbaren Preisen) zum Kauf der eigenen Produkte.

Der Start des Films scheint durch das unzufriedene Hupen der Zuschauer eingeläutet zu werden, analog zu „we want the show“, die Bildqualität steht in direkter Abhängigkeit zur Sauberkeit der eigenen Windschutzscheibe und somit allein in eigener Verantwortung. Das Autoradio liefert den Ton in beliebiger Lautstärke.

Vor der Vorstellung lernt man die nähere Umgebung persönlich kennen, wer Hilfe beim manuellen Einstellen seiner Radiofrequenz braucht, findet diese schnell. Während des Films deutet unfreiwilliges rhythmisches Lichthupen aus den hinteren Reihen auf gewisse Ablenkungen hin, und nach dem Film starten die Motoren, die Autos verschwinden in der Nacht.

Was einerseits als anonymes Vergnügen gedeutet werden kann (niemand muß aussteigen oder sich auch nur mit irgendjemandem unterhalten), kann andererseits auch als extrem kultige Gemeinschaftserfahrung gewertet werden. Wer genug Stereo unter der Haube hat, kann den Film auch auf mitgebrachten Campingstühlen, aufblasbaren Sofas oder im aufblasbaren Planschpool angucken, getunte Autos werden sowieso gern vorgeführt. Wie gesagt: Kult pur!

Hier hätte die Pressevorführung von Cars, Autobahnraser oder nun Speed Racer voll ins Schwarze getroffen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden – allerdings dürfte der übliche Vormittagstermin ein Ding der Unmöglichkeit sein. Und die Kollegen ohne Autos werden sicher per Fahrgemeinschaft mitgenommen. Notfalls holt man sich halt einen Stuhl aus der Cafeteria, da geht sicher was.

Ich werde auf jeden Fall nicht nochmal 35 Jahre warten, bis ich meinen nächsten Besuch im Autokino antrete. Nur gucke ich dann wohl nicht Love Vegas an…


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PS: Die beschissenen Fotos habe ich mit meinem Ersatzhandy gemacht, meines ist in Reparatur. Ich denke, das Stück Nachspann, das oben zu sehen ist, wird mir wohl keiner ernsthaft als Piraterie auslegen. Auch gibt es mittlerweile zwei Leinwände (eine weitere in der Nordecke), statt nur einer. Wählt man einen entsprechenden Standplatz, kann man beide Filme gleichzeitig ansehen, vorausgesetzt, man schaltet zwischen den beiden Radiofrequenzen hin und her oder benutzt zwei Radios… Praktisch, wenn Sie was anderes sehen will als Er. Wo sonst gibt es sowas?

5 Gedanken zu „Zum ersten Mal im Autokino“

  1. Schöner Text, sehr nachvollziehbar. In Aschheim war ich bisher zweimal – einmal in „Jurassic Park 3“, und einmal in „RoboCop 2“. Man kann nicht immer Glück haben…

  2. Jurassic Park 3 fand ich richtig tolles Popcornkino, die RoboCops hab ich mal in einem Teenagerkeller auf VHS gesehen und erinnere mich wegen des Spezi-Zuckerschubs an kaum noch etwas… Dass wir „Love Vegas“ gewählt haben, war mehr eine Notwendigkeit denn ein Wunsch. Das Wetter fällte in unserem Fall viel eher die Entscheidung. Dabei hat der Film wirklich ganz gute Einfälle, ist aber natürlich mit den Rosenkriegskomödien der Vergangenheit keinesfalls zu vergleichen… (Ich sag nur „Ruthless People“ und „What’s Up, Doc?“)

  3. Wir waren heute Abend im Autokino – der Film war ganz prima, aber was die Sache wirklich klasse gemacht hat: Der Ton über das Autoradio. Als ich vor zehn Jahren zuletzt da war, gab es noch die scheppernden und viel zu leisen Klötze, die man sich an die Seitenscheibe hängen musste. Da verstand man praktisch nichts. Jetzt ist es DEUTLICH besser geregelt. Aber trotzdem ist es nervig, mit Trailern und Pause mehr als eine halbe Stunde auf den Filmstart warten zu müssen…

  4. Autokino… ja, das war schön. Das Autokino Marienberg in Nürnberg gibt’s nun schon seit Jahren nicht mehr, aber es war immer nett – auch, um kuriose Double Features wie „Pocahontas“ / „Nightmare 5“ zu erleben. Und „Apollo 13“ war in dem Ambiente ein echtes Erlebnis…

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