Aaaaah, was war ich froh, als ich beim Büro für Existenzgründung endlich all die kompetenten Ansprechpartner für meine Fragen rund um die Grüdung von (Firmenname in Umfirmierung) gefunden hatte. So viele Fragen schwirrten mir durch den Kopf, damals, vor so ca. 4 Jahren:
Welche Geschäftsform sollte ich wählen? Wie ist das mit der Gewerbeanmeldung? Brauche ich einen Steuerberater? Was muß ich beachten, wenn ich jemandem eine Rechnung stellen will? Operiert mein geplantes Geschäft überhaupt im Rahmen der Legalität? (Ja, das tut es.) Wie komme ich an potentielle Kunden? Wie ködere ich Kunden, ohne sie zu nerven? Wie behalte ich Kunden, die einmal da sind? Wie gehe ich mit Trollen um? Wie schaffe ich Vertrauen?
Und wenn das Unternehmen einmal eröffnet sein würde, hätte ich im BfE immer ein Kompetenzzentrum, an das ich mich wenden kann, wenn es einmal nicht so läuft, wenn es Probleme gibt, oder unerwartete Hürden.
Die Vorbereitung meiner Gründung in Form verschiedener Seminare war prima, die Zusatzveranstaltungen bei anderen Organisationen (z.B. der IHK) waren höchst informativ und hilfreich, manche der Seminarleiter gaben ihre privaten oder geschäftlichen Kontaktdaten heraus, damit man sie bei Fragen auch direkt erreichen konnte. Ich fühlte mich wie in Watte gebettet.
Daß etwas nicht in Odnung sein könnte, zeigte sich zum ersten Mal, als ich bei einer Münchner Bank vorstellig wurde, um Tacheles wegen eines Förderkredits der KfW für meine Gründung zu reden. Die Bankerin, die noch vor wenigen Monaten im Gründerseminar einen Vortrag über ach so locker sitzende Fördermittel gehalten hatte, dass einem das Wasser im Munde zusammengelaufen ist, ließ mich, nachdem ich sie mit meinem Businessplan erst nach einer Woche erreicht hatte, schließlich wissen, daß „alles sich geändert“ habe und die Kreditvergabe plötzlich viel komplexer geworden wäre. Mein Unternehmen sei außerdem viel zu klein, um sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Erst ab sechsstelligen Summen wird es interessant für eine Bank, einen Gründer zu begleiten. Also kein Kredit.
Als ich dann endlich doch noch eröffnet hatte (am 27. April 2006), kam nach einer Weile doch noch die eine oder andere Frage auf – natürlich. Ich meldete mich beim BfE, weil ich mit dem Seminarleiter von damals sprechen wollte, doch man fragte mich: „Gründungsvorhaben oder bestehendes Geschäft?“ – „Bestehendes Geschäft, seit ungefähr zwei Wochen.“ – „Dann können wir Ihnen nicht helfen, das BfE ist nur für Gründungen zuständig“ hieß es, und das war’s dann mit dem BfE. (Nein, das kann ich nicht beweisen, wer nimmt denn an, daß man solche Anfragen auch schon aufzeichnen sollte?)
Über die Jahre erhielt ich die eine oder andere sporadische Einladung zu irgendeinem Gründertag, doch kamen diese in 4 von 5 Fällen von ambitionierten Dozenten, die sich meine Adresse notiert hatten, und nicht vom BfE selbst.
Und nun bekomme ich eine Mail mit dem Betreff „BfE-Kooperationen“ und einem „Fragebogen“ samt im Screenshot ersichtlichen Wortlaut. Ich kommentier das mal:
Nein, eigentlich kenne ich das BfE München nicht als Anbieter von „qualifizierter Unternehmensberatung“, wie auch, wenn bestehende Unternehmen nicht beraten werden. Die Aktivität als „Mitglied in vielen regionalen und überregionalen Netzwerken“ kann ich auch nicht wirklich bestätigen, denn wenn man in vier Jahren ungefähr fünf Mails bekommt, dann zählt so ein Player für mich noch nicht wirklich zu den Aktiven. Die „attraktiven Dienstleistungen“ hätte ich vor Jahren gebraucht, aber sie wurden mir schroff verwehrt.
Der „Fragebogen“ (hier als PDF) schließlich brachte das Fass zum Überlaufen: Ob ich gewerbliche Mietflächen bräuchte? Wenn ja, Büro-, Schulungs-, Ladenräume oder vielleicht eine Werkstatt? Wie es aussieht mit Leasingverträgen, z.B. für PKWs oder EDV-Anlagen? Ob ich schon einen Vertrag hätte, und wenn ja, was ich geleast hätte? Wie es um meine Versicherungssituation bestellt sei? Und ob ich vielleicht Optimierungsbedarf bei Versicherungsangeboten hätte? Das Höchste war schließlich, dass ich einen „Anruf eines BfE-Mitarbeiters“ erwarten dürfe, sobald ich mein Einverständnis in diesem – „Fragebogen“ zur „BfE-Kooperation“ – (wie ich den Mailbetreff zunächst interpretierte) gegeben hätte.
Scheinbar hat das staatlich finanzierte BfE nun plötzlich einen hippen, modernen, proaktiven Vorstoß gewagt, die eigenen Mitarbeiter zu Versicherungsvertretern umgeschult und es nun auf das Ausschlachten der eigenen Kontaktdatenbank abgesehen. Ich hätte grundsätzlich nicht einmal was dagegen, wenn ich über das Kompetenzzentrum BfE auch in der Lage wäre, die richtige Versicherung für mein Unternehmen zu finden, oder auch eine passende Immobilie für mein kleines Büro. Aber einen Gründer zuerst im Regen stehen zu lassen, dann jahrelang praktisch nichts von sich hören zu lassen und schließlich auch noch unter dem Deckmäntelchen der Kooperation versuchen, den jungen Unternehmern Mietverträge, Versicherungen und Leasingverträge anzudrehen (natürlich alles Provisionsgeschäfte, so ist die „BfE-Kooperation“ wohl zu verstehen), finde ich taktisch derart unklug beschissen, dass mir der Hut hochgeht.
Was bei sonstiger kompetenter Beratung noch als Fauxpas durchgegangen wäre, ist jetzt der schriftliche Beweis, dass die Lehrinhalte und der Netzwerkgedanke des BfE offenbar dem kompletten Ausverkaufsgedanken anheim gefallen ist, nun wird noch aus jeder Adresse Kapital geschlagen. Anstatt Gründern zu helfen (Gründerinitiative, bla, bla, bla), ihre Existenz und ihr Leben trotz in steuerlicher und sozialversicherungstechnischer Hinsicht steifem Gegenwind auf die Reihe zu kriegen, damit der Staat am Schluß von den Unternehmen, die „durchgekommen sind“, Steuern einnehmen kann, wurde hier offenbar alle Moral über Bord geworfen, die eigenen Werte unterminiert und ein letzter Versuch unternommen, ein bißchen Kohle zu machen. Wie arm ist das denn bitte?
Ich hoffe; nein, ich erwarte, dass diese Aktion Folgen hat. Wegen mir brauchen zwar keine Köpfe rollen, Fehler macht jeder (ja, so gutmütig bin ich!), aber es muß sich ganz grundlegend etwas ändern beim Büro für Existenzgründung, mindestens in München. Wenn Jungunternehmer nichtmal mehr vor ihren eigenen Beratern sicher sind, dann gute Nacht. Das ist ja wie im Zombie- oder Vampirfilm, wenn der Held feststellt, dass die eigene Freundin gebissen wurde. Geht weg von der Dunklen Seite der Macht und kommt ins Licht, ihr BfE-Leute! Noch könnt ihr es schaffen, noch sind Eure Gemüter nicht ganz von der Machtgier zerfressen! … hoffe ich jedenfalls.
Einen paßt-wie-die-Faust-aufs-Auge-Cartoon hierzu gibt’s von Dilbert.
Hallo! Sie können es wahrscheinlich gar nicht vorstellen, aber Sie haben mir mit dem Artickel über das „gute“ BfE mein Leben gerettet. Ich bin eine junge Studentin und habe immer davon geträumt selbständig zu werden. Dafür gibt es mindestens ein Dutzend Ideen und sogar ein Businessplan. Also bin ich vor 6 Monaten in die Arbeitsagentur gegangen und das alles erzählt. Mir wurde gesagt, dass es eine Stelle gibt, die den jungen Unternehmer Hilfe anbietet. Ich habe mich wie ein Kind gefreut, da bei mir sich alles nur ums Gründungsgeld handelt. In Türingen heißt es Enterprice und man kriegt problemlos ein Termin. Ich und mein Freund sind dorthin gegangen. Das gespräch mit unserem Berater dauerte um 2 Stunden und es hat sich herausgestellt, dass wir nach diesen 2 Stunden so gut wie alles über seminaren im Enterprice wussten jedoch keine einzige Antwort bekommt haben auf die Fragen, die wir immerwieder Stellten. Also sind wir (da wir immernoch nicht wussten wie der Hase läuft) den anweisungen von dem Mann verfolgt. Das ist schon 6 Monate her und alle seminare, die wir besucht haben waren in Anführungsstrichen hilfreich, aber man denkt halt nicht gerade, dass man auch direkte Hilfe brauchen kann. Ich wusste das alles was man mir erzählt hat! Ja, ich bin eiverstanden, dass wenn man als ein junger Unternehmer da reinkommt muss man ihn diese Kleinigkeiten erzählt haben, aber was mich am meisten genervt hat, dass man dort alle in ein und dasselbe Korb reinschmeisst und wenn man direkte Fragen stellt die gar nicht beantwortet, sondern wie eine mechanische Puppe wiederholt, dass es alles auf den Seminaren erzählt wird. Jetzt habe ich sie alle hinter mir, na und? Bei mir steht immernoch die Frage wo ich das Geld kriegen kann. Ich weiss nich so recht ob ich Sie mit meinem Feedback belaste aber Sie sind eine gute Hoffnung für mich und zeigt mir, dass ich vielleicht doch nicht vor einer Wand stehe =). Vielleicht können Sie mir ein Paar Anweisungen geben, da ich nirgendwo anders Hilfe kriege. Und verzeihen Sie mir dass ich wahrscheinlich Hundert Rechtschreifehler gemacht habe (ich bin ja schließlich nur seit 3 jahren in Deutschland). Na gut. Danke für die Aufmerksamkeit )
MfG. Lena
Hallo Lena,
wir können auch gern Du zueinander sagen, ein Sie ist bei mir im Blog nicht nötig.
Vorausschicken möchte ich, dass ich keine Empfehlung aussprechen kann, wie Du und Dein Freund an einen Gründerkredit kommen. Das hat mehrere Gründe: Du bist in einem anderen Bundesland als ich (ich bin in Bayern), weswegen bereits alles anders sein kann. Meine Erfahrungen sind ein paar Jahre her, zwischenzeitlich kann sich einiges geändert haben (so gibt es zum Beispiel keine Ich-AG-Förderung mehr). Und Du bist nicht aus Deutschland, was meiner Meinung nach zwar total unerheblich sein sollte, was der Gesetzgeber aber vielleicht anders sieht.
Ich habe (wie geschrieben) die Erfahrung gemacht, dass Kredite nicht besonders leicht zu bekommen sind. Der Hintergrund ist der, dass die Banken natürlich ein Geschäft machen wollen, und „normale“ Kredite bevorzugen. Deren Zinsen kann ein junger Unternehmer aber nicht aufbringen, deswegen bekommt er de facto keinen Kredit. Dann gibt es noch die zinsvergünstigten Gründerkredite von der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) (Wikipedia), die aber nur und ausschließlich über normale Banken beantragt und vergeben werden. Hier ist es erfahrungsgemäß leichter, über eine Genossenschaftsbank an einen Kredit zu kommen als über eine Privatbank. Mir wurde aber auch schon bei einer Genossenschaftsbank ins Gesicht gesagt: „Da mach ich zuwenig Geschäft, wenn ich Ihnen den Kredit über die KfW beantrage, nehmen Sie doch einfach unseren!“
Ich denke, Ihr braucht einen Coach, der Euch hilft. In München gab es Infoveranstaltungen zum Thema Gründung bei der IHK, wo auch der Kontakt zu Coaches ermöglicht wird. So einer kann erzählen, wie eine Gründung in Eurem Fall am besten vonstatten geht. Das gibt es bestimmt auch bei Euch.
Ein Wort der Vorsicht noch: Ein Bankkredit (welcher Art auch immer) klingt toll, muss aber zurückgezahlt werden. Das heißt, das Geschäft muss laufen, uns zwar sofort, sonst brichst Du Dir das Genick und hast auch noch Schulden. Das kann ganz schnell in die Hose gehen. Andere Finanzierungsmöglichkeiten sind der Privatkredit (also einen Kredit über eine Privatperson nehmen, das können Eltern, Freunde (Vorsicht, so eine Freundschaft wird belastet!) oder auch Geschäftsleute sein), eine Art „Unter-der-Hand-Aktiengesellschaft“, wo einfach alle, die Du so kennst, eine Summe beisteuern und entsprechende Teilhaber sind oder natürlich gleich die Partnerschaft mit einem Geldgeber. Von Dir stammt dann die Idee, von ihm das Geld, und Ihr macht die Arbeit gemeinsam. Alternativ kannst Du auch alleine arbeiten und behälst dafür die Mehrheit am eigenen Unternehmen, kannst Dich also leichter wieder freikaufen. Und die schönste, aber auch am schwersten zu bekommende Finanzierungsform ist das Risikokapital: Private Investoren glauben an Deine Idee, geben Dir Geld, und wenn alles danebengeht, haben sie den Verlust zu tragen. Bei Erfolg machen die Gewinn (und Du auch natürlich). So ist Google gestartet und Facebook und YouTube. Allerdings ist eine Finanzierung über Risikokapital eher interessant für große Projekte im Millionenbereich und weniger im Zehntausender-Bereich wie die normale erste Gründung des ambitionierten Privatmannes.
Einen Rat noch: Lass Dich auf keinen Fall aus der Ruhe bringen! Wenn jemand behauptet, was Du tust, sei illegal, Dich anschwärzt oder Dich verleumdet (lies mal meine Erfahrungen dazu), arbeite unbedingt weiter, bis es Dir per Gerichtsbeschluss verboten wird, lass Dich keinesfalls ausbremsen!
Kümmere Dich um ein gutes Image, betreibe Werbung (nicht nur einmal und am Anfang!) und lass Dich von Neidern / Konkurrenten / Deppen nicht aus der Ruhe bringen. Kundenbindung und Service sind heutzutage das Wichtigste, neben dem Produkt natürlich. Und Du wirst die Erfahrung machen, dass Du eigentlich mindestens viermal soviel Geld für den Start gebraucht hättest. Alles dauert länger und ist schwieriger, als man je gedacht hätte. Gib trotzdem niemals auf! Und: Hol Dir so schnell wie möglich eine Rechtsschutzversicherung, die Unternehmen und Privat abdeckt (ich hab eine bei der Allianz, kostet ca. 370 Euro im Jahr), sonst kommen womöglich noch heftigere Kosten auf Dich zu.
Viel Glück! Und laß mal hören, ob’s geklappt hat!