Die Deutsche Filmakademie hat die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2008 bekanntgegeben. Laut der Veröffentlichung (PDF) sind die fünf Nominierten für den besten Film:
- Am Ende kommen Touristen (Drama, D 2007, ab 16.8.2007)
- Auf der anderen Seite (Drama, D 2007, ab 27.9.2007)
- Kirschblüten (Drama, D 2007, ab 6.3.2008)
- Shoppen (Komödie, D 2006, ab 3.5.2007)
- Die Welle (Drama, D 2008, ab 13.3.2008)
- Yella (Drama, D 2007, ab 13.9.2007)
Nachdem der Deutsche Filmpreis als „renommierteste Auszeichnung für den Deutschen Film“ (Wikipedia, und keiner hat’s geändert) gilt, drängt sich natürlich der Vergleich zum Oscar auf. Hier also die fünf Nominierten der diesjährigen Verleihung zum Vergleich:
- No Country for Old Men (Thriller, USA 2007, ab 28.2.2008)
- Atonement (Abbitte) (Drama, UK 2007, ab 8.1.2007)
- Juno (Drama / Komödie, USA 2007, ab 20.3.2008)
- Michael Clayton (Drama / Thriller, USA 2007, ab 28.2.2008)
- There Will Be Blood (Drama, USA 2007, ab 14.2.2008)
Als erstes möchte ich die Einschätzung, daß Shoppen eine Komödie sein soll, schwer in Frage stellen, ich hab das für ein reines Drama gehalten (nämlich ungefähr so). Michael Clayton ist dramatisch, aber kein Drama. Juno hab ich nicht gesehen, aber ich denke, daß die Comimg-of-Age-Thematik ihre Drama-Bezeichnung durchaus verdient.
Nun: Warum sind in Deutschland (zumindest diesmal) lauter Dramen nominiert (wahrscheinlich alle schwermütig und deprimierend), und bei den Oscars echt geile Filme? Gibt es bei uns keine anderen Filme, die man hätte nominieren können? Wenn nein, warum nicht? Was machen wir falsch? Oder wird das nicht als „falsch“, sondern nur als „anders“ angesehen? Sind vielleicht nur Dramen ernstzunehmendes Kulturgut, und wenn ja, warum? Ist das die „conditio germana“?
Letztes Jahr gab es immerhin Wer früher stirbt, ist länger tot, davor Das Leben der Anderen (der jedoch auch ein Drama war), und davor Alles auf Zucker, den ich wohl verpaßt habe. Auch fällt mir bei dieser Mini-Recherche auf, daß die Preisträger-Navigation auf der Webseite der Deutschen Filmakademie gelinde gesagt nicht besonders benutzerfreundlich ist, bei den Oscars ist die Übersicht über Nominierte und Preisträger mit einem Blick gegeben, IMDb sei Dank. Aber man kann ja die Lolas in der IMDb nachschauen, wenn auch nur rudimentär.
Ich sollte zum Punkt kommen: Geschmäcker sind natürlich verschieden. Aber es fällt mir so unendlich schwer, mich mit dem deutschen Kino anzufreunden. Jeder Besuch eines deutschen Films ist für mich vorbelastet: Man geht nicht einfach nur ins Kino, nein, es geht immer um die Wurst für das Ansehen Deutschlands. Man bringt eine extragroße Portion Toleranz mit, damit einem der Film auch wirklich gefallen kann. Doch dann sieht man wieder triste Landschaften, soziales Elend, fahles Licht an bleichen Settings und hört merkwürdgen Gießkannen-Originalton mit zu lauten Nebengeräuschen und keinen Score mit Themen, sondern das übliche Synthesizer-Stimmungsgequäke – wieder nichts. Ich will James Bond-Optik, Rififi-Dramatik, Ocean’s Eleven-Humor, Jaws-Spannung, Alien-Schleim und einen Soundtrack wie zu Indiana Jones, also richtig großen Bahnhof. Bei den „netten kleinen Filmen“ (Musterbeispiel Wer früher stirbt, ist länger tot, aber der ist kein deutscher, sondern ein bayerischer Film, gell!) will ich Little Miss Sunshine-Frische, bei den jungen Wilden neuen Filmemachern suche ich Clerks-Radikalität. Hätten wir kein Drittes Reich und keine DDR gehabt, würde man hier ja fast gar nichts mehr filmen. Dabei gibt’s doch soviele Themen, mit denen man sich hier identifizieren könnte, von dramatischen Erstbesteigungen unserer Berge, klassischen Figuren der Geschichte (Jennerwein, ein toller Film, aber auch die Römer sind hier durchgekommen, die Türken lagen vor Wien und Napoleon ist ja auch nicht ganz unbekannt) bis zur Landgewinnung im Watt. Allein aus so einer Land-Unter-Situation könnte man einen Hammerthriller oder eine echt schrille Komödie machen.
Stattdessen scheint dem Deutschen Film das Prinzip zugrunde zu liegen, ein poliertes Hollywood-Vorbild zu nehmen und es „realitätsnah“ neu zu drehen: Polizisten finden die Spur nicht und machen dann halt Feierabend, die Frau aufreißen klappt nicht, also geht man sich eine Dekade lang betrinken und so weiter. Ich will im Kino keinen Spiegel vorgehalten bekommen (wenn überhaupt, dann überraschend, und in einer Parallele), sondern mich ablenken, amüsieren. Panem et Circenes. Ich hab nicht das Gefühl, daß das bei uns bald passieren wird.
Wenn ich da an gestern denke… Hätte man bei uns den Herrn der Ringe zu drehen versucht, es wäre auch mit 300 Millionen Dollar ein Debakel geworden, da bin ich sicher. Und wenn man sich fragt, warum ich heute so gehässig bin: Ich bin einfach sauer, daß der Transrapid nicht gebaut wird, wie kann man nur dem Fortschritt so im Weg stehen. Als ob die eingesparten Steuergelder zurückkommen! Einen neuen Howard Hughes bräuchten wir, also jemand mit Eiern, und zwar sowohl beim Film als auch in der Industrie, wenn man das mal so sagen darf. (Ist natürlich nicht persönlich gemeint, wer immer sich auch darüber aufzuregen plant.) Und dann auch noch lauter Dramen in der Filmpreis-Auswahl…
Nachtrage: Trade war soch super und wäre in meinen Augen ein prima Kandidat für den besten Film gewesen. Und Am Limit, den ich leider nicht gesehen habe, gehört sicherlich auch zu der Sorte Film, von dem man mehr sehen sollte. Und auf den Baader Meinhof Komplex bin ich schon sehr gespannt.