Die diesjährige 80. Oscarverleihung wirft bei mir unter anderem einige Fragen und Stirnfalten auf, hier without further ado meine Notizen in halbwegs chronologischer Reihenfolge:
Roter Teppich:
- Die Frisur von Javier Bardem erinnert mich an Hell Toupé. (Bild)
- Mickey Rooney strahlt trotz seiner 87 Jahre wie ein Honigkuchenpferd.
- Es scheint unter Frauen Mode zu sein, sich die Oberweite abzuquetschen. Bei Jennifer Garner quoll praktisch die Hälfte oben raus, Cameron Diaz hätte auch ein obenrum weiteres Kleid gestanden. Gehört das zum Schlankheitswahn?
- Rebecca Miller lenkte mit ihrer Brosche gekonnt von den Ohrringen ihres Gatten Daniel Day-Lewis ab. Sah jedoch gut aus, doch zugleich ungewohnt.
- Sarah Golden (84) sitzt angeblich seit 22 Jahren jährlich auf der Zuschauertribüne am Roten Teppich. Sie war sichtlich begeistert, als sie kurz interviewt wurde.
Oscarverleihung:
- Jon Stewart hat eine gute Moderation hingelegt, finde ich (jedoch nicht so gut wie Billy Crystal oder Steve Martin). Seinen kurzen Seitenhieb auf Barack Hussein Obamas „furchteinflößenden“ Namen mit dem Vergleich zur angeblich gescheiterten Präsidentschaftskandidatur von Gaydolf Titler in den 40ern hatte mich fast am Boden. Als ob der Name Programm wäre…
- im 80-Jahre-Oscars-Überblick fehlt Billy Wilder. Billy Wilder! (oder hab ich ihn übersehen?)
- der Gag mit dem iPhone ist großartig („oh, those are camels!“), siehe auch David Lynchs Äußerungen dazu. Nur leider noch nicht auf YouTube zu finden.
- Singt Amy Adams live? Wenn nein, warum war sie dann am roten Teppich so aufgeregt? Wenn ja, warum klingt es dann perfekt? The show must go on, nicht?
- Der Happy Working Song hat meines Erachtens einen etwas unglücklich gewählten Titel.
- Die Salutes to Binoculars und Bad Dreams mit ihrem Bezug zum Autorenstreik gefielen.
- Ich mußte feststellen: Hugh Welshman und der junge Mike Nichols sehen aus wie ich in schlank. Dasselbe gab’s früher schon mit Boris Becker und mehr noch mit Jeffrey Jones. Den Mike Krüger laß ich jetzt mal geflissentlich unter den Tisch fallen.
- Tilda Swinton ist eine großartige, fantastische Schauspielerin, in Michael Clayton ist es mir eiskalt den Rücken runtergelaufen. Leider erinnerte mich ihr Abendkleid dermaßen an das Batman-Kostüm, daß ich mich kaum mehr auf das konzentrieren konnte, was sie zu sagen hatte. (Nachtrag: Ihr selbst erging es wohl auch so)
- Sehr witzig: „And the Baby goes to… Angelina Jolie!“
- Im In Memoriam hätte man Brad Renfro wenigstens kurz erwähnen sollen, und auch wenn Roy Scheider sich nach der Zählgrenze verabschiedet hat, hätte man ihn ebenfalls nicht unerwähnt lassen sollen – oder zumindest nicht direkt im Anschluß an das Memoriam ausgerechnet mit dem Jaws-Score weitermachen sollen. (Nachtrag: war wohl doch kein so kleiner Fehler)
- Völlig gerissen hat mich die Live(?)-Schaltung zu den Soldaten im Irak. Hab ich das nicht kapiert, oder wieso ist da plötzlich Invasionspropaganda in einer Kulturveranstaltung? Die Fundamente meines Kultur-, Moral- und Freiheitsverständnisses wurden schwer erschüttert. Wäre die Schaltung wirklich nur zu „Menschen, die lieber zuhause wären“ (Zitat Presenter Tom Hanks) gegangen, dann hätte man auch zu Patienten im Endstadium schalten können, zu Kanal- und Klärwerksangestellten, zu Obdachlosen und zu Straßenkindern. Aber diese Irakschaltung halte ich für höchst kritisch, aussagemäßig. Klar sollte man das heiße Eisen nicht ausblenden, aber das tun die Kriegsdokus ja bereits nicht.
- Tom Hanks sagt über den Dokumentafilm: „As always in this category of nominated documentary features the willingness of the filmmakers to explore controversial subjects that they use the camera to bring the world the truth of what they see“ birgt bereits die Tatsache, dass jede Wahrheit eben subjektiv ist und daher jede Sache auch eine andere Seite hat, daß also auch jede Doku hinterfragt werden muß. Finde ich sehr gut formuliert von dem Autor, der für dieses Segment verantwortlich war.
- Irre ich mich, oder ist der Doku-Oscar der einzige, bei dem bei der Verleihung die Kandidaten nicht in ihren Videoboxen gezeigt wurden? Michael Moore ist nur kurz im Publikum zu sehen, während die Gewinner Alex Gibney und Eva Orner zur Entgegennahme
schreitenglückstaumeln. - Toll, daß Markéta Irglová extra nochmal Gelegenheit zur Danksagung für Once bekommen hat. „Here’s your Moment“ klingt allerdings eher wie von einem Kellner, der endlich den Beilagensalat nachreicht.
- Auch bei der Rückblende zu den großen Regisseuren und ihren Regie-Oscar-Momenten (die unter anderem einen Steven Spielberg zeigt, der sich eine Träne aus dem Auge wischen muß), fehlt ebenso Billy Wilder. Dabei hätte ich doch so gern einmal den sagenumwobenen Oscar-Dankesreden-Klassiker „Thank you Mr. Diamond“ – „Thank you, Mr. Wilder“ zur Oscarverleihung zu Das Appartement gesehen. (Obwohl das strenggenommen ja der Drehbuch-Oscar war.)
- Wieso zeigen die Ausschnitte so viele Spoiler? Abgesehen davon, daß viele Filme hier bei uns noch nicht laufen (worauf keine Rücksicht genommen werden kann, ich verstehe), nimmt das doch auch dem „wissenden“ Publikum die Spannung. Oder nicht?
- Ohne Hooray for Hollywood (Fan-Video, Doris Day-Version) gäbe es wohl keine Verleihung. Jemals.
Und zum Abschluß noch ein Satz von Scott Rudin (bzw. Sydney Pollack, den dieser zitiert), den sich alle Filmemacher (vor allem hierzulande) in besonders großen Buchstaben hinter die Ohren schreiben sollten:
With the opportunity to make movies comes the responsibility of making them good.
Das beste Beispiel hierfür ist der verdiente Oscar für Die Fälscher sowie der für Das Leben der Anderen. Auf die zahlreichen Gegenbeispiele verzichte ich.
Nicht schlecht: Die Red Carpet Gallery, doch eine viel bessere Idee ist die Thank You-Cam, finde ich.