Soeben bin ich von der Eröffnungsparty des Asia Filmfest 2007 heimgekommen, zuvor habe ich der Premiere von Vexille beigewohnt.
Ganz kurz: Der Film ist ein klassischer Mainstream-Anime, der den Eindruck erweckt, man hat ihn nur deshalb animiert, weil er unmöglich real zu drehen gewesen wäre. Die Handlung (fanatischer Forscher mit Gott-Komplex gegen aufrichtige Mitglieder einer Spezialeinheit, die auch noch Liebeswirren über die Kontinente hinweg ausgesetzt sind, in einer Materialschlacht oberster Kajüte mit nichts weniger auf dem Spiel als der Rettung unserer Welt) reißt einen nicht weiter vom Hocker, denn so liefen die tagträumerischen Weltrettungsepen der 80er auch ab.
Die Animation ist dahingegen faszinierend, denn sie unterscheidet sich gewaltig von der Perfektion, die wir durch Pixar-Werke mittlerweile gewohnt sind:
Die Leute, die die 3D-Landschaften erschaffen haben, müssen während der Gestaltung sicherlich einige Mäuse (und Sehnenscheiden) aufgearbeitet haben, so beeindruckend ist das, was man sehen kann (ich gehe hier nicht auf Details ein, da man sofort zu spoilern gezwungen ist).
Des weiteren heißt es im Programmheft, daß die Personen 2D-animiert seien, was nicht stimmt. Die Figuren sind genauso dreidimensional wie die restliche Landschaft. Doch der Stil der Animation unterscheidet sich zwischen Personen und Umgebung sehr stark, ebenso unterscheidet sich der Gesamteindruck des Films nochmal gewaltig von Pixar & Co.
Ich bin nicht sicher, ob dies gewollt ist oder nicht besser gekonnt wurde. Ist es gewollt, so zeigt der Film einen sehr individuellen Stil in puncto Gestaltung von Menschen und Landschaften. Wenn nicht, so finde ich es verzeihlich, daß die Haare der Figuren nicht so fallen wie das Fell von Remy aus Ratatouille und daß die Haaransätze zu wandern scheinen, daß die Ohrmuscheln aller Personen irgendwie eine dritte Vertiefung haben, die da nicht hinzugehören scheint, und daß die unteren Augenlider der Hauptperson Vexille scheinbar von einer unsichtbaren Kraft in Richtung der beiden Schultern gezogen werden und die Augen somit immer auf subtile Weise stets weiter offen stehen, als sie es bei anderen Menschen täten. Solche Augen kenne ich eigentlich nur von sehr alten Hunden. Auch wird kein großer Wert auf die Animation von Feuer gelegt, man hat den Eindruck, daß die Standardflammen #3 mit Funkenflug #7 kombiniert wurden und nichtmal eine ordentliche Thermik für letzteren programmiert wurde.
Doch egal, denn das Ergebnis ist ein optisch beeindruckendes Erlebnis. Vexille wirkt wie gedreht mit einer Art vollflächig leicht mit Vaseline beschmierte Linse, die einen Blick auf glatte, konturlose Oberflächen bei harscher Beleuchtung zuläßt, was ein wenig unwirklich anmutet wie die Perspektive, die man vielleicht in einem Traum annimmt. Das Spiel von Licht und Schatten ist unauffällig, aber konsequent und auf den Bildern hier gut zu erkennen.
Die Handlung, wie gesagt, ist ziemlich austauschbar, die Aussage hatten wir schon im Blade Runner oder bei Aliens, doch es geht ja um den Genuß im Kino: Und den hatten wir.
Schade nur, daß es immer einen Idioten im Kino zu geben scheint, der, völlig aufgedreht vor asiaphiler Vorfreude auf das Programm der kommenden Tage, beim einzigen Kuß im Film ein lautstarkes Knutsch-Zuzelgeräusch von sich geben muß und so jedem anderen auf den Keks geht. Auch sonst war das Publikum eher aufgedreht, bisweilen gab es einzelne Zwischerufe und seichte Scherze. Ich nehme mich da nicht aus, einer meiner Lieblingssprüche, den ich meinen Sitznachbarn zu einer geeigneten Stelle gern zuraune, ist ein leicht bitter-ironisches „Ich sehe wieder einmal kein Problem, das sich nicht durch eine Atombombe lösen ließe.“ Dieser Spruch paßt auf praktisch jeden Konflikt von kleinlichen Zankereien bei Desperate Housewives über eine vertrackte Geiselnahme bis hin zur globalen Zombieinvasion, stets natürlich anders zu interpretieren.
Die allgemeine Heiterkeit hatte schon vor der Vorführung zu Applaus geführt, als nämlich die Veranstalter Armin Schmidt und Manuel Ewald das Festival, das sie vor drei Jahren mit einer gehörigen Portion Mut aus der Taufe hoben, mit einer kleinen Rede eröffneten. Die Nervosität war ihnen ins Gesicht geschrieben, zugleich ließ sich aber eine gewaltige Erleichterung erkennen, daß die ganze Planung nun einmal mehr in einem Ende der Vorbereitungen und einem weiteren vollends organisierten Festival mündeten. Später, auf der Party im 2rooms, war alle Spannung von den beiden abgefallen und zusammen mit den Besuchern der Party feierten sie den Auftakt der dritten Ausgabe ihres Festivals. Wer außer Rainer Stefan kann denn sonst schon ein Filmfestival sein Eigen nennen? Ich habe mich nach ein paar gemütlichen Beck’s (mit Wodka-Bull kann man mich jagen!) allerdings schon kurz nach Mitternacht vom Acker gemacht, da ich aufgrund des Lokführerstreiks (den ich übrigens aus vollstem Herzen befürworte, denn 30% mehr von fast nix ist immer noch ein Hungerlohn) nur noch mit U-Bahn und Taxi heimkommenen sollte.
Ich denke, es wird ein gutes Festival werden, genug Fans haben sich ja schon heute versammelt, und die ganzen üblichen Verdächtigen der Asia-Szene (die ich so kenne zumindest) habe ich heute auch schon gesichtet. Was mir am nächsten Jahr sicherlich deutlich besser gefallen wird als an diesem und den vergangenen: Es wird endlich ein Rauchverbot geben, nach Parties wie der gerade eben stinkt mir die Passivraucherei schon gewaltig.