Ich bin Harry Potter-Fan.
Ein glühender.
Meine persönliche Begegnung mit dem Zauberlehrling kam erst mit dem ersten Potter-Hype in Deutschland zustande, das war so um den dritten Band herum, glaube ich. Als plötzlich jeder Potter las, war ich überzeugt, daß es sich um ein Pop-Strohfeuer handelte und maß dem ganzen keine weitere Bedeutung bei. Doch als selbst die größten Couch Potatoes mir, einer alten Leseratte, empfahlen, mehr zu lesen, war mir klar: Dem muß ich auf den Grund gehen. Harry Potter mußte ein triviales Rührstück sein, das den kleinsten gemeinsamen Nenner aller potentiellen Kunden anspricht. Pulp Fiction also. Ich wollte Harry Potter hassen.
So besorgte ich mir den ersten Band, natürlich auf englisch, um möglichen Interferenzen durch die Übersetzungen von vorneherein auszuschließen. Und begann zu lesen, im übertragenen Sinne mit dem Rotstift im Anschlag, auf der Suche nach Ungereimtheiten, Platitüden, Fehlern.
Und fand keine.
Nicht einen.
Im Gegenteil: Harry Potter war das Kinderbuch, das ich nie hatte. So gut hatte ich mich lange nicht gefühlt.
Seither fiebere ich mit den Schicksallschlägen der (zugegebenenermaßen recht simplen) Story (von Gut und Böse) und ihren Protagonisten mit, erwarte fieberhaft den siebten und letzten Band und hoffe einen befriedigenden Abschluß der Geschichte.
Und dann kamen die Filme.
– – – Ab hier Spoiler! – – –
(Was sind Spoiler?)
Es war ja klar, daß man die Geschichte etwas straffen, etwas eindampfen mußte, um der Leinwand und ihren Möglichkeiten gerecht zu werden. Es war klar, daß vielleicht die eine oder andere Person im Film gar nicht auftauchen würde, und es war klar, daß wahrscheinlich alle Personen und Orte völlig anders aussehen würden, als ich mir das so vorgestellt hatte.
Nun, die bisherigen vier Filme haben mich nicht besonders beeindruckt, aber auch nicht weiter enttäuscht. Sie waren so ziemlich von der Stange. Nichts besonderes, aber auch nichts bemerkenswert schlechtes.
Heute habe ich jedoch Harry Potter und der Orden des Phönix gesehen. Es war ein Debakel. Nein, es war eine Katastrophe.
Der Film selbst hat mich gar nicht weiter gestört: Die Effekte waren toll, die Ausstattung liebevoll, die Figuren gut getroffen. Wer die Bücher nicht kennt, dürfte den Film vielleicht ganz in Ordnung finden. Vielleicht ahnt so jemand im Kino, daß es einige Unterschiede zur Buchvorlage geben muß oder findet andere Kritikpunkte.
Aber ich war nur noch entsetzt: Diese Potter-Verfilmung läßt kaum noch Verbindung zum Buch erkennen. Es ist, als wenn man von einem Baum ein Stück Rinde abreißt, diese herumzeigt und erwartet, daß jeder sich nun den Baum vorstellen kann.
Die Filmemacher nahmen sich die Freiheit, die Handlung großzügig umzugestalten, um ihre jeweiligen Szenenziele zu erreichen. Da werden nicht nur Personen rausgeschrieben (Marietta Edgecombe zum Beispiel), auch ganze Handlungsstränge fehlen (zum Beispiel Harrys Interview mit Rita Skeeter für den Quibbler, das im Buch ja eine nicht unerhebliche Rolle spielt). Das ist ja noch einigermaßen üblich und zu verkraften. Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne.
Doch was am schlimmsten war: Die Motivationen der Figuren wurden angetastet. Wenn es ein no-no bei der Verfilmung von Romanen gibt, dann doch wohl dieses!
- So war es in Ermangelung von Marietta hier einfach mal eben Cho Chang, die den DA-Club an die schauderhafte Dolores Umbridge verriet. Um ihre Beziehung zu Harry Potter nicht stärker zu belasten als im Buch, muß eingeführt werden, daß Umbridge jeden einzelnen Schüler einer persönlichen Befragung unterzieht, um hinter die Existenz verborgener Schülerinitiativen zu kommen. Diese Befragungen verbrauchen laut Film alle von Professor Snapes Vorräten an Veritaserum, weswegen er am Schluß Harry im Auftrag von Umbridge keines verabreichen und ihn so zur Aussage über die wahren Geschehnisse beim DA zwingen kann. (Erstaunlich, daß eine Schule so eine Substanz wohl literweise auf Lager hat.)
Hierbei wird völlig verkannt, daß Severus Snape im Buch nur behauptet, kein Serum mehr zu haben, um Potter zu schützen, wohingegen im Film etabliert zu werden scheint, daß er tatsächlich keines mehr hat, weil eben alles verbraucht wurde – ganz zufällig scheinen die kompletten Vorräte genau für jeden Schüler abzüglich Potter ausgereicht zu haben, was eine schwache Ausrede wäre, wenn es auch in diesem Fall eine sein sollte. Snapes Motivation im Film ist also eine völlig andere als im Buch – zum Beispiel.
Dies gilt auch für eine Vielzahl von anderen Figuren:
- Die Dementoren setzen in der kleinen Gasse (im Film eine fiese Unterführung) bereits den Dementor’s Kiss an, und man sieht Teile der Seele durch die Münder von Harry und Dudley entweichen. Im Buch überleben die beiden relativ unbeschadet, im Film sieht das schlimmer aus. Auch kommt im Film am Ende nicht raus, wer die Dementoren geschickt hatte und warum. (Dies ist zwar strenggenommen noch keine Änderung der Motivation, wohl aber ein starker Eingriff.)
- Das Wizengamot diskutiert Pottes Dementoren-Fall in völlig unstrukturierter Runde, anstatt straff organisiert und durch Percy Weasley assistiert, wie im Buch.
- Harry Potter hat eine Vision von Voldemort am Bahnsteig, bevor der Zug nach Hogwarts abfährt. Warum? Was soll das?
- Hagrid erzählt bereitwillig bereits beim ersten Treffen, daß er bei den Riesen war, und zwar alleine, und zeigt ihnen gleich darauf seinen Bruder Grawp. Im Buch ist das ein langgehütetes Geheimnis.
- Die Verzweiflung der Molly Weasley über die nicht voranschreitende Heilung ihres Mannes ist de facto nicht vorhanden, weil er keine Wochen im Krankenhaus zu liegen scheint (obwohl, da war ich gerade kurz in der Porzellanabteilung. Mit Betornung auf kurz.). Auch die Angst vor Verlusten in der eigenen Familie fehlt völlig.
- Dolores Umbridge erläßt Dekrete, die es im Buch nicht gibt.
- Bei den Occlumency-Stunden im Film (es sind nur zwei, glaube ich) behauptet Snape, daß Voldemort seine Opfer bis zur Verrücktheit quält, indem er ihnen per Gedankenlesen (bzw. -Projektion) Visionen aufzwingt. Im Buch tut er das nicht, er quält seine Opfer einfach so oder steuert sie per Imperio-Zauberspruch fern.
- Albus Dumbledore flieht aus seinem Büro vor allen Zeugen, im Buch raubt er jedoch den anwesenden Agenten des Ministeriums das Bewußtsein und steckt in der so entstandenen minimalen Pause Harry und Professor McGonagall noch ein paar wertvolle Informationen zu.
- Die Strafarbeiten bei Professor Umbridge finden im Film in Gruppen statt, im Buch ist die Existenz des Skalpell-Federkiels lange ein Geheimnis der wenigen, die darunter leiden.
- Außerdem heilen im Buch dessen Wunden sofort und im Film praktisch gar nicht. (Dies soll Umbridge wohl fieser machen, wirkt aber nicht, denn der Schmerz kommt ja vom immer neuen Schnitt und nicht von der Offenheit der Wunde).
- Die Absetzung von Hagrid als Lehrer durch Dolores Umbridge und ihre Helfer, sowie der darauffolgende Angriff auf Professor McGonagall, fehlt völlig.
- Fred und George Weasley verlassen Hogwarts Knall auf Fall während der OWL-Prüfungen. Im Buch wird noch extra darauf hingewiesen, daß sie ihren Abgang nicht während den Prüfungen inszenieren, um keinen Schülern zu schaden. Außerdem vermehren sich die Feuerwerke im Buch und brennen die ganze Nacht durch, anstatt wie im Film ganz normal abzubrennen. Der Teich im Flur und die Weigerung der Lehrer gegen Umbridge, sich an der Schadensbegrenzung zu beteiligen, fehlt zur Gänze, lediglich Professor Flitwick zeigt in einem unbeobachteten Moment eine kleine emotionale Regung.
- Auch wird völlig unterschlagen, daß der Zeitpunkt von Fred und George’s Abgang mit Harry insofern abgesprochen war, als daß er die Verwirrung nutzt, um an Professor Umbridges Feuer zu kommen, um mit Sirius kommunizieren zu können. Stattdessen nutzt er dieses spontan, was dazu führt, daß er erwischt wird.
- Der Ritt auf den Thestrals nach London dauert nur wenige Sekunden. Es wird im Film zwar kurz erwähnt, daß nur Menschen, die den Tod gesehen haben, die Thestrals sehen könnten, doch daß zum Beispiel Hermoine und Ron diese eben nicht sehen können und somit auf einem unsichtbaren Tier nach London reiten müssen, wird nicht weiter berührt.
- Hagrid gibt übrigens keine Sekunde Unterricht, stattdessen werden die Thestrals und ihre Eigenschaften durch Luna Lovegood bei der Kutschfahrt und später bei einem Waldspaziergang etabliert.
- Ginny Weasley zerstört im Ministerium praktisch den ganzen Saal mit den Prophezeihungen, anstatt nur ein paar Regale (typisch amerikanisches Kino übrigens).
- Sirius Black stirbt ganz deutlich durch Avada Kedavra und fällt dann (schon tot) durch den Vorhang, und nicht wie im Buch lebendig, so daß sein Tod offen bleibt.
- Die Prophezeihung wird von Harry Potter und seinen Freunden im Ministerium gehört, als dieser sie vom Regal nimmt, nicht später durch Albus Dumbledores Pensieve nur Harry erzählt. Als sie im Ministerium zerschellt, hört man dahingegen gar nichts.
- Bei Harrys Occlumency-Stunden bei Snape gelangt dieser plötzlich selbst an Snapes Erinnerungen, anstatt sie in der Pensieve zu sehen, was Harry im Gegensatz zum Buch zu einem fähigen Legilimens macht.
Könnte ich den Film in Ruhe ansehen, könnte ich ewig so weitermachen. Ich habe auch nicht jede kleine Behauptung mit dem Buch gegengecheckt. Doch es ist schier unglaublich. Ich finde es wirklich unmöglich, wie sehr sich die Verfilmung vom Buch entfernt hat, eine Frechheit. Man müßte unten bei diesem Hinweis im Nachspann eigentlich dazuschreiben:
Ähnlichkeiten zu Figuren aus der Romanvorlage sind rein zufällig.
Dieser Film ist ein wirklich gutes Beispiel, daß der Zweck wahrlich nicht immer die Mittel rechtfertigt. Die Macher sollten sich mal ein Beispiel an Peter Jacksons fast 10-jähriger Arbeit am Herrn der Ringe nehmen. Das nenne ich eine gelungene Adaption eines Jahrhundertromans. Auch der Herr der Ringe mußte Federn lassen (Tom Bombadil, wo bist Du?), aber Peter Jackson, Philippa Boyens und Fran Walsh haben die kleinen Wunden gut versteckt.
Harry Potter und der Orden des Phönix dahingegen wurde agbesengt, kastriert, ausgeweidet, entbeint und durch den Wolf gedreht. Man zog das Salz aus der Suppe (es gibt nicht eine Minute Quidditch, die einzige stets positive Erfahrung für Harry, die ihn oft genug am Auseinanderbrechen hindert) und spuckte dem Fan hinein. Das, was übrig bleibt, setzt man dem Kinogeher vor, der dafür auch noch vorher zahlt, und der natürlich in den meisten Fällen mit dem Buch vertraut ist. Welch eine Schneid!
Und nun zahlen sie Daniel Radcliffe, der hier einen 15-jährigen spielen sollte, aber dabei schon bald eine Figur hat wie ein Rausschmeißer vor der Disco, auch noch lächerliche 50 Millionen Dollar für die nächsten beiden Filme.
Ich finde, man darf ein Buch nur bis zu einem gewissen Grade verändern, um es auf die Leinwand zu bringen. Ich erinnere da mal an Die unendliche Geschichte, auf die ich in meiner Zeit als Tourführer bei den Bavaria-Studios so stolz hinweisen sollte. Auch der Autor, Michael Ende, stimmte nach dem ersten Film weiteren Verfilmungen nicht zu. Als ich das Buch las, Jahre, nachdem ich als Kind den Film sah, wurde mir erst klar, was dort geschehen war.
Natürlich ist die ganze Harry Potter-Filmmaschinerie eine Lizenz zum Gelddrucken, und ich denke, daß Joanne Rowling den Verfilmungen in eher freier Form zugestimmt hat, um die Filmgucker zum Buch zu holen. Oder war sie vielleicht schon früh gezwungen, die Rechte zu verkaufen? Und jeder Produzent wäre ja blöd, wenn er diese Gelegenheit nicht beim Schopf packen würde.
Doch warum zum Geier kann man sich nicht einfach etwas mehr Mühe geben und die wirklich geniale Vorlage mit einer würdigen Verfilmung ehren? Ich sehe den Vorteil einer kastrierten Version wie dieser einfach nicht.
Nachtrag vom 8. Juli:
In der englischsprachigen Wikipedia finden sich spezielle Einträge zum Thema Harry Potter, die die Unterschiede zwischen jedem Film und der jeweiligen Buchvorlage aufzeigen.
zu Band 1: Harry Potter and the Philosopher’s Stone
zu Band 2: Harry Potter and the Chamber of Secrets
zu Band 3: Harry Potter and the Prisoner of Azkaban
zu Band 4: Harry Potter and the Goblet of Fire
zu Band 5: Harry Potter and the Order of the Phoenix (noch nicht sehr detailliert, weil der Film erst ab dem 11. Juli anläuft)
Noch ein Nachtrag, vom 11. Juli: And the results are in! Bei den Reviews scheiden sich die Geister, doch ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da. (IMDb-News, Rotten Tomatoes (immer hin 76 %), alle Potter 5-Reviews hier)
Sofern das alles stimmt, was alles fehlt, werde ich mir den Film ausleihen und nicht im Kino anschauen. da mir die 7-8 Euro dann echt zu schade sind… Aber das selbe war ja auch in Film 4. Was suchte Barty Crouch Junior schon in Harrys Traum bzw Vision im Haus in dem Lord Voldemort war? Warum sah Harry ihn an der Weltmeisterschaft?…
Danke für diese Darstellung des Filmes
Nun mal langsam.
Ich kann die Wut über das verunglimpfte, verstümmelte Buch verstehen. Dennoch möchte ich auch die Sicht eines solchen schildern, der keines der Harry Potter-Bücher gelesen hat, nur die Filme kennt und sich wohl auch nicht mehr daran machen wird, dem Roman-Potter auf seinen Wegen zu folgen.
Für mich war HARRY POTTER UND DER ORDEN DES PHOENIX keinesfalls ein weiterer Ausstoß einer Filmmaschinerie mit der Lizenz zum Gelddrucken – der Ausdruck ärgert mich sowieso. Die gesamte Industrie hat das neben vielen anderem als erstes zum Ziel. Wake up people! Es ist ein Business!
Zurück zum Film: Als Weiterführung der mir vorher vorgestellten Filmgeschichte Harry Potters funktioniert Teil V ganz hervorragend. Es wird sich mehr auf die Motivationen und Gefühlswelt der Figuren konzentriert, der Film ist von Anfang an spannend, hervorragend inszeniert und als Fantasy-Drama absolut rund. Na klar, etwaige Holprigkeiten in der Erzählung sind auch mir aufgefallen…aber ich weiß, dass ich es hier mit einer Neuinterpretation der Potter-Geschichten zu tun habe. Und als solches kommt ORDEN DES PHOENIX gleich hinter dem besten Potter-Film DER GEFANGENE VON ASKABAN, gefolgt von Teil IV. Teil 2 hat leider gar nicht funktioniert, Teil 1 war als Einführung höchstens annehmbar.
In Teil V verstehe ich, wie die Geschichte weitergeht, ich fühle mit Potter, freue mich auf den charismatischen Voldemort, und ehrlich, nochmehr Quidditsch würde mich zu langweilen beginnen. Was sollen die da noch leisten? ORDEN DES PHOENIX hat eine klasse Atmosphäre, gute Settings, die Stars sind perfekt mit ihren Rollen verwachsen…diese Fantasy-Mär macht Spaß. Mehr will und soll der Film nicht. Zelluloid und Papier sind zwei verschiedene Dinge!
Wer das Buch liebt, der tut sich eigentlich generell keinen Gefallen, wenn er danach den Film sich ansieht. Ich habe als junger Knirps den gleichen Fehler mit der Unendlichen Geschichte gemacht – ich las das Buch aus und ging 2 Stunden später in den Film – O Gott war ich enttäuscht! Aber es war auch eine Lehre – beide Formen nebeneinander akzeptieren lernen. Wegen ihrer Unterschiede, wegen der Ausführlich- und Mannigfaltigkeit der einen und des visuellen Spektakels und ebenfalls oft erreichten Mannigfaltigkeit der anderen!
Harry Potter im Kino konnte von vornherein nie der Harry Potter der Filmwelt sein. Bekannte von mir, die die Bücher verschlungen haben, akzeptieren und genießen die Filme ohne sich an den Veränderungen zu stören. Also, lassen wir die Kirche im Dorf. Dies ist kein so schlechter Film. Er verdient es auch als Film, nicht als direktes Derivat des Buches gesehen zu werden. Welche Chance hätte er sonst?
Ein Vorschlag: Sehen wir HARRY POTTER UND DER ORDEN DES PHOENIX von drei Seiten:
Als Kino-Fantasy-Spektakel! Als solches ist der Film weit über Durchschnitt! Eine gute Story, relativ logisch, dramaturgisch gut konzipiert und visuell aufregend gemacht!
Als Buch-Adaption! Kann ich nicht beurteilen, aber gemessen an dem ausführlichen Blog-Eintrag wohl eher enttäuschend!
Als 5. Teil einer Filmserie: Durchaus sehenswert, denn er führt die Geschichte logisch und verständlich weiter!
Eine letztes Wort zu
„Ich sehe den Vorteil einer kastrierten Version wie dieser einfach nicht.“
Wenn keiner weiß, dass es sich um eine „kastrierte“ Version handelt, dann stört es einen auch nicht, gell? Und als Film allein, wie gesagt, weiß HARRY POTTER UND DER ORDEN DES PHOENIX absolut zu überzeugen!
Hi Blind Guardian,
Ich bin nicht für Deine Entscheidung verantwortlich, auf die DVD zu warten oder ins Kino zu gehen. Ich würde mich sogar freuen, wenn Du ins Kino gingest, denn Filme werden für die Leinwand gemacht (auch die schlechten).
Die Fragen, die Du stellst, habe ich auch, aber es gibt niemanden, der sie beantworten kann, weil die Filme ja ständig die Regisseure wechseln, es gibt keine Hand, in der alle Strippen zusammenlaufen, außer vielleicht irgendeinem Produzenten. Doch ob der dramaturgisch fit ist, dürfte zweifelhaft sein.
Ich habe den Beitrag oben übrigens noch ein wenig verlängert, denn mir sind noch Details eingefallen. Aber sowas ist ja auch typisch Blog…
Hi Gregor,
Ein brillanter Kommentar, keine Frage. Er läßt mir mein Urteil, weist aber auf andere Geschmäcker und Sichtweisen hin, deren selbstverständliche Berechtigung ich ja auch im Beitrag kurz angerissen habe.
Natürlich muß man bei einer Adaption mit Abstrichen und Veränderungen rechnen, keine Frage, aber wenn der / die Drehbuchautor/en zu sehr in der Geschichte herumschrauben und dabei mehr kaputtmachen als absolut nötig, dann führt das beim Fan zu Zornesausbrüchen wie oben. In den Büchern wird von langer Hand vorbereitet, was schließlich zum Tragen kommt, diese „Vorgeschichten“ überlappen sich und treten bisweilen in unauffälligen Erwähnungen in der Erzählung zutage, bis sie dann in „ihrer“ Szene zum Tragen kommen, teilweise erst Bände nach der Vorbereitung. Im Anschnitt sieht die Struktur im Buch ungefähr so aus wie geschichtete Schindeln oder auch Kartoffelscheiben im Gratin, grob gesagt.
Doch im Film fehlt diese Vorbereitung gänzlich. Da werden die Szenen einfach nur aneinandergeklatscht, so als hätten mehrere Autoren drangesessen und lediglich die Schnittstellen definiert. Wie der einzelne Autor das in seiner Szene gebacken kriegt, daß am Schluß die Figuren und Orte entsprechend der Vorgabe verändert sind, schien ihm überlassen, wie beim Sorylining für Soaps ist das. Beim Zuschauer „geht kein Licht auf, daß das nun der Zweck der seltsamen Verhaltensweise der Figur von zuvor war“, stattdessen rennt er den Figuren gewissermaßen einfach nur hinterher, und diese befinden sich auf einer Art Achterbahn, deren Verlauf sie selbst auch nicht beeinflussen zu können scheinen. So wirkt der Film wie eine Art Museumsführung, die von einem Laien durchgeführt wird. Mir als (eingangs erwähnten) glühenden Potter-Fan stößt sowas natürlich auf.
Trotzdem darf der Film natürlich sein, wie er will. Die Frage ist nur, ob er sich damit selbst einen Gefallen tut: Du argumentierst, daß vielleicht nur wenige wissen, daß es sich um eine kastrierte Version eines Buches handelt. Grundsätzlich total richtig, ich selbst kenne die wenigsten Buchvorlagen zu Filmen, die ich sehe, aber bei Bestsellern wie Harry Potter, dem Herrn der Ringe, der Unendlichen Geschichte, oder auch Jurassic Park damals (die Liste läßt sich fortsetzen) sollte man davon ausgehen, daß das Publikum eben doch vorinformiert ist, sich gegenseitig vorinformiert und daß die Meßlatte eben höher liegt als bei Filmen, die direkt für die Leinwand geschrieben werden oder die auf obsukren oder halbvergessenen Büchern basieren. (Wer hat heute denn noch die Details von Romeo und Julia parat?)
Die Filmhandlung wird im Verhältnis zu den anderen Filmen logisch weitergeführt, das sehe ich auch so, nur wachsen Film und Buch derart auseinander, daß ich nur noch wenige Gemeinsamkeiten sehen kann. Und das ist es, was ich schade finde: Die Verfilmung der Potter-Bücher hat meines Erachtens unter der scheinbaren Notwendigkeit, den Markt schnell zu beglücken, sehr gelitten. Hätte man erst alle Bücher abgewartet und dann eine Filmserie (mehr als 7 Teile) back-to-back gedreht, wäre das sicher besser für Fans, Nicht-Kenner und die Filme selbst gewesen. Gerade die Potter-Filme basieren auf einer überaus bekannten Buchreihe (und laufen auch noch unter denselben Titeln), da ist es doch selbstverständlich, daß man nicht dieselben künstlerischen Freiheiten hat als wenn man z.B. David Fincher heißt und das Buch zum Zodiac-Killer ausgräbt, das heute kaum ein Mensch mehr kennt. Denke ich zumindest.
Die Enttäuschung über eine schwache Filmumsetzung eines genialen Buches in allen Ehren, aber gerade der Vergleich mit der Herr der Ringe Verfilmung ist ein riesiges Eigentor. Ich habe immer noch die herben Proteststürme der glühenden Tolkienverehrer in Ohren, als die sich mit ähnlich einschneidenden Änderungen wie Arwens Ritt nach Bruchtal (Glorfindel wurde rausgeschrieben), Haldir und der ersten elbischen Fremdenlegion am Klamm von Good Ol‘ Helm oder den diversen „Legolas „Tony“ Hawks Pro Einlagen konfrontiert sahen.
Sicherlich ist es ärgerlich, wenn man als Buchfan mit solchen krassen Interpretationen des geliebten Stoffes konfrontiert wird, aber einiges davon gehorcht schon den Gesetzen der Filmischen Dramaturgie.
Sowohl die Idee Harry während des Feuerwerkes ungeplant in das Umbridge’sche Büro einbrechen zu lassen, als auch die Fusion von Snapes ungewollt entrissener Erinnerung (ein kleiner weinender Zuschauer beim Streit der Eltern) und der dem Pensieve entnommenen Erinnerung, kann man mit dem Einsparen wertvoller Filmminuten und der Vermeidung von doppelten Szenen ähnlichen Inhaltes, aber unterschiedlich wichtiger Bedeutung erklären und … rechtfertigen.
Für die Frage ob eine Marietta Edgecromb mitsamt Sneakiger Akne erhaltenswert gewesen wäre, ergibt sich die Gegenfrage, wieviel Gewicht dann Cho Chang noch besessen hätte… eine Nebenfigur aufzubauen kann schon einige Zeit in Anspruch nehmen, die man beim heute üblichen gnadenlosen „Höchstlaufzeit“ Diktat der Studiobosse kaum in ausreichendem Maße besitzen dürfte.
Hagrids lange Verschwiegenheit und sein zurückziehen aus Angst etwas ihm schadendes enthüllen zu müssen ist ebenfalls schwer in angemessener Form filmisch zu übernehmen. Ohne die langwierige Ausweicherei verliert die schlussendliche Beichte gewaltig an Wirkung. Ehrlich gesagt ist es mir lieber, wenn Hagrids Kampf gegen die Auroren drinne bleibt als wenn seine ganzen Ausflüchte enthalten bleiben müssten. Keine Ahnung ob, aber wenn ich entscheiden müsste, was ich aus dem Buch erhalten will, wäre es die Hagrid/McGonagall Szene.
Der große Teil vom Rest dürfte auf eine optisch visuelle Herausstellung der Ereignisse hinauslaufen, etwa die Skalpellschnitte die nicht verheilen.
Wirklich unverzeihliche Fehler sehe ich so gut wie keine und deren Schwere muss ich mir erst noch mit eigenen Augen begreiflich machen.
Sakrosankte Stoffe neigen eben nicht dazu, verfilmt zu werden, sondern in Bibliotheken ungelesen zu verstauben. Wenn Hollywood, Bollywood oder Whoeverwood sich eines Buches annimmt, wird man immer eine Fusion aus dem wünschenswerten und dem machbaren erhalten, niemals eine 1zu1 Umsetzung ohne Fehl und Tadel. Lezttlich schon allein aus dem Grund als dass jeder Leser im Kopf seine eigene Vorstellung der Orte, Kreaturen und Personen festlegen dürfte und der Film nur eine grobe Annäherung an ein möglichst massentaugliches Mittel davon sein kann – bzw die Fassung dessen was im Kopf von Regisseur, Drehbuchautor und Ausstatter an solchen Bildern vorliegt.
Peter Jackson hat eine nicht umunstrittene Fassung des Herrn der Ringe produziert, jemand anderes hat eine nicht unumstrittene Fassung von Eragon vorgelegt und nun ist es eben Harry Potter das wieder einmal Kritik hervorruft. Die Welt wird sich dennoch weiterdrehen. Bis die nächste furchtbar schlimme Buchumsetzung eines Tages wieder eine winzige Atempause des Universums erzwingen wird.
Hi Uwe,
klar, der Transfer auf ein anderes Medium kostet, zumindest Detailreichtum vom Buch zum Film. Deinem Kommentar entnehme ich, daß Du den Film noch nicht sehen konntest – laß uns besser nachher nochmal sprechen, wenn Du willst. Denn die Hagrid-McGonnagall-Szene fehlt natürlich auch völlig. (Und das füge ich gleich mal oben ein.)
Zum Herrn der Ringe: Ich liebe das Buch sehr, aber es war ja klar, daß es nie und nimmer in drei Filme paßt. Das, was bei rausgekommen ist, ist dem Buch jedoch wesentlich näher als bei Harry Potter: Hier stimmen ja eigentlich nur noch die Namen der Figuren… Aber: Ich hab den Herrn der Ringe auch schon einige Jahre nicht mehr gelesen (das letzte Mal noch, bevor der erste Film rauskam), daher ist mir nicht so deutlich aufgefallen, was alles fehlt. Dies mag ein ungünstiges Beispiel gewesen sein, in Ordnung.