Michael Moore

Mit Manufacturing Dissent hat Michael Moore offenbar einiges einstecken müssen, insbesondere seine Glaubwürdigkeit ist nun in Frage gestellt.

Allseits bekannt war ja schon lange, daß Moore mit genau den dramaturgischen Mitteln arbeitet, die die von ihm Bloßgestellten ebenfalls für deren Zwecke benutzen. Die Bezeichnung „Dokumentation“ muß bei Moore-Filmen stets mit Vorsicht genossen werden.

Nichtsdestoweniger haben Moores Filme dem Genre der Dokumentationen einen enormen Aufschwung gegeben. Aus einem oftmals eher trockenem Genre wurde eine Art Doku-Popkultur, die sich in Film und Fernsehen großer Beliebtheit durch alle Qualitätsstufen erfreut.

Manufacturing Dissent, eine Dokumentation über die Dokumentationsmethoden des Michael Moore, die ich leider nicht gesehen habe (argh!), sowie die Fakten dahinter haben einiges an Berichterstattung ausgelöst, zum Beispiel im Tagesspiegel, im Stern und beim BR.

Während Michael Moore auf seiner Webseite und in einem Newsletter stetige Updates seiner Mission bekanntgibt, gibt es auch Kritiker, zum Beispiel den Blog Moorewatch.com von Jim Kenefick, der seit Oktober 2002 (also so ziemlich rund um den Start von Bowling for Columbine) läuft und den Filmer mehr als kritisch beäugt, oder auch Moorelies.com.

Nun spitzt sich die Lage für Moore deutlich zu: Für Dreharbeiten zu seinem neuesten, und in diesen Tagen in Cannes präsentierten Werkes Sicko über das marode US-Gesundheitssystem (Tagline: „A comedy about 45 million people with no health care in the richest country on earth.„) reiste er unter anderem nach Kuba. Nun wird ihm daraus ein Strick gedreht, bzw. wird der Vorfall unter die Lupe genommen (USA Today, CNN, Newsbusters), da die USA Reisen nach Kuba de facto verbieten. Michael Moore nahm nun dazu Stellung, berichtet die IMDb in ihrer News-Sektion Studio Briefing.

Mir persönlich gefallen zwar die Filme von Michael Moore, doch bin ich mir stets der Tatsache bewußt, wie und wo im Film manipuliert werden kann, und sei es noch so subtil. Wie die breite Öffentlichkeit jedoch auf den Popstar Moore abgeht, wurde mir erst zu seiner Lesereise für sein Buch Dude, where’s my country? (dt. Volle Deckung, Mr. Bush) bewußt:

Am Mittwoch, den 19. April 2003 gab es in Augsburg nachmittags eine Pressekonferenz mit Michael Moore und abends durften wir Journalisten dann noch seine Lesung in der Sporthalle besuchen (über seine Lesung in Berlin, und hier zweiter Bericht aus Augsburg). Fast die ganze Pressekonferenz über flezte Moore vornüber zusammengesackt an seinem Platz, den Baseballcap tief in die Stirn gezogen. Er sprach leise und antwortete wohlüberlegt auf die Fragen der Journalisten.

Später, als wir in Ermangelung eines Shuttleservice und wegen der Notwendigkeit der Parkplatzsuche kurz vor knapp in die rappelvolle Sporthalle kamen und von einem jungen Feuerwehrmann zu den für die Presse reservierten Plätzen geführt wurden, zeigte sich Moore, der natürlich zügig zur Veranstaltung gebracht worden war, von einer gänzlich anderen Seite: Aufrecht, die Brust herausgedrückt und mit geradezu strahlender Aura zog er mit donnernder Stimme sein Publikum in den Bann. Einige der erzählten Geschichten kannten wir schon aus der Pressekonferenz, doch hier wog jede dieser Erzählungen gänzlich anders. Pointen wurden mit Jubelstürmen begrüßt, Angriffe auf Bush und andere mit Applaus und gereckten Fäusten quittiert. Alles in allem ein toller Ritt. Doch dann kam etwas, was ich nie vergessen werde:

Michael Moore sprach, gewissermaßen nebenher, seine Meinung über Abtreibungen aus und führte zu diesem Punkt mit einer Reihe von rhetorischen Fragen, die das Publikum anheizten. Ich zitiere nun aus dem Gedächtnis, bin aber sicher, daß es ziemlich genau so ablief:

Moore: „Why should women not be the only ones to decide about their bodies?“

Publikum: „Yeeeeaaaaah!“

Moore: „A fetus is a fetus, and a baby is a baby, that’s what I think!“

Publikum (frenetisch): „Yeeeaaahhh!“

Ich: geschockt.

Nach dieser Definition dürften Schwangere bis zum Tag vor der Geburt abtreiben, völlig ausgereifte und lebensfähige Säuglinge. Meiner Meinung nach (und da bin ich sicher nicht der einzige) kann ein Baby eben sehr wohl bereits ein Baby sein, auch wenn es noch in der Mutter ist. Diese Grenze muss woanders liegen.

Ich will hier auch nicht über Abtreibungen rechten, auch mag es sein, daß ich Michael Moore falsch verstanden habe. Doch was ich gemerkt habe, ist: Massen lassen sich relativ leicht beeinflussen. Man muß nur sympathisch und schlagfertig sein sowie stets ein paar flotte Sprüche auf Lager haben, schon hat man immerhin das Werkzeug zum Beeinflussen der Massen, wenn auch noch kein Programm. Man sollte also immer aufpassen, was man schluckt, egal, was das Auge sagt.

Moore kämpft mit denselben Methoden wie die Bush-Regierung. Nur haben wir halt das Glück, daß Moore tendenziell vernünftig ist, wohingegen die anderen dies nicht sind (Ansichtssache, ich weiß). Die Methoden sind jedoch gleich, daher kann und darf man Moore nur unter dem Gesichtspunkt „Satire, basierend auf einem überdurchschnittlich breiten Fundament von ausgewählten Fakten“ verkosten. Oder denken nun etwa auch alle, die Borat gesehen haben, daß wirklich alle Amis so sind wie die im Film gezeigten?

Offizielle Seite von Manufacturing Dissent, und hier der Trailer:

[quicktime]http://www.manufacturingdissentmovie.com/videos/MD_trailer.mov[/quicktime]

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