Die Würzburger Festung – Herzschlag einer Baustelle (BR, Montag, 10. November 2025, 21.00 Uhr)

Nullkonzept-Doku

Irgendwie scheinen die beiden Dokumentaristinnen Brigitte Hausner und Alisa Wienand und die BR-Redakteurin Sigrid Korn mit diesem Projekt sich selbst überfordert zu haben.

Ein minimale Absicherung haben sie im Titel vorgenommen mit der Einschränkung „Herzschlag einer Baustelle“. Nun, was ist dieser Herzschlag? Sind das Presslufthämmer, sind das Bohrer, sind das Nägel, sind das Betoniermaschinen, sind das menschliche Köpfe, womöglich gar solche, die nicht mal in Würzburg sind? Darüber erfährt man hier schon gar nichts, wer das Sagen hat auf dieser Burg, wer der Besitzer ist, weshalb diese riesige Renovation begonnen wurde, mit welchen Mitteln.

Vom Resultat her interpretieren die Dokumentaristinnen die Herzschlagsuche folgendermaßen: immer mal hin fahren zur Baustelle, sich mit den Leuten beschäftigen und jene filmen, denen es am leichtesten fällt, vor der Kamera zu agieren und zu reden.

Da ist in erster Linie der Kastellan, der sehr gesprächig ist und die Kamera sehr zu lieben scheint, der hat wohl die Dokumentaristinnen so vereinnahmt, dass schier Lebenslinien über ihn daraus geworden sind, bis hin zum Begehen der ehemaligen Wohnung, dem Blick ins Familienalbum, dem Auftritt der blonden Tochter (also wenn die der Herzschlag der Baustelle ist…) und nach der Schlossführung dürfen Besucher noch Komplimente über ihn fürs Fernsehen absondern – das ist dann wohl als Pulsmessung des Herzschlags der Baustelle gedacht; da wären wir nicht so ohne weiteres drauf gekommen.

Irgendwann erfährt man, dass in dem Schloss ein Museum untergebracht ist. Auch das scheint sich über die Fernsehpräsenz zu freuen und gibt ausgiebig Auskunft über die kleinen Probleme des Umzugs, der Desinfektion, der Restauration eines mehrere Meter hohen Banners aus dem 14. Jahrhunderts.

Action muss auch sein. Zufällig waren die Dokumentaristinnen anwesend, als – wer ist denn jetzt der Bauherr? – ein Kran durch den engen Burgaufgang gefahren werden sollte.

Es ist eine Zufallsdoku, eine Chaos-Doku, eine Doku aus dem Tal der Ahnungslosen, eine Planlos-Doku, kaum mehr als eine Tourismusdoku, eine Strawanzerdoku. All das wird auf der Tonspur verpackt mit Flixbus-Abfahrtsmusik. Und da die Baustelle dokumentarisch so unergiebig war, gibt’s als Beifang Häppchen vom Schlossfest.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Im übrigen bin ich der Meinung, dass dieses demokratisch eminent wichtige, gigantische Gemeinschaftswerk eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sozial unfair zulasten einkommensschwacher Haushalte finanziert wird.

Lebenslinien- Der Kampf um meine Würde (BR, Montag, 10. November 2025, 22.00 Uhr)

Lebensbericht
Die Lebenslinien als Erzählung

Sadia erzählt ihr Leben, erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass sie als selbständige Frau in München wohnt und arbeitet, eine Info, die früh in diesen Lebenslinien von Birgit Eckelt unter redaktioneller Betreuung durch Christiane von Hahn eingestreut wird.

Sadia ist eine kluge, wortgewandte Frau. Sie ist kämpferisch veranlagt und wird deshalb zuerst beim Training von Jiu jitsu vorgestellt. Das ist das Motto ihres Lebens.

Die Erzählung findet teils im Off, teils direkt in die Kamera statt, teils wird sie als redaktionell bearbeiteter Text voice over eingebracht.

Die Bebilderung zur Erzählung ist nicht so wesentlich, gerade auch diese lebenslinienüblichen Besuche an früheren Wirkorten, hier sind es eine Schule, ein früherer Arbeitgeber ihres Vater, die Wohnung einer ehemaligen Pflegefamilie; genau so genügen Bilder von ihr an einem Bach in der Natur.

Es gibt Clips aus einem Film von einer Trille Nielsen von 1993 mit dem Titel „Mama Caroline und ihre Findelkinder“. Da muss man schon genau hinhören, um festzustellen, dass nicht Sadia eines der Kinder ist. Es irritiert kurzfristig, wenn man liest, dass dieser Film von 1993 sei, die Erzählung aber schon fünf Jahre weiter ist. Es gibt dort Szenen, wie Sadia sie selbst erlebt hat.

Es ist eine glückliche Kindheit trotz Gewalt durch den Vater. Brüche passieren ab 6 Jahren. Hier trennt sich die Mutter vom Vater. Wegen dem Bürgerkrieg folgt die Flucht nach Kenia. Früher Tod der Mutter. Kinderheim. Vater in Deutschland. Der holt sie, wie sie 11 Jahre alt ist, nach Deutschland. Dann Pflegekind bei einer katholischen Diakonsfamilie; die macht das aus Imagegründen. Sadia lernt schnell und gut. Die persönlichen Dramen wiederholen sich. Die Gewalt, die sie in der Familie erlebt hat, tritt wieder in Beziehungen mit Männern auf. Sadias Reaktion ist es, sich nicht unterkriegen zu lassen. Ihr Emanzipationsprozess findet Unterstützung durch einen guten Freund, eine gute Freundin und der Kampfsport hilft enorm.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass dieses demokratisch eminent wichtige, gigantische Gemeinschaftswerk eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sozial unfair zulasten einkommensschwacher Haushalte finanziert wird.

Nürnberg ’45 – Im Angesicht des Bösen (ARD, Sonntag, 9. November 2025, 21.45 Uhr)

Fernsehbrei

Man wäre mal interessiert zu erfahren, für welch begrenztes Spektrum aus der Vielfalt der Ansprüche von 50 (geschätzt) Millionen Beitragszahlern so eine Sendung gedacht ist. Weil garantiert ein ebenso großes Spektrum dafür überhaupt nicht in Frage kommt, sei es, weil sie es eh schon wissen und gründlicher, sei es, weil es sie überhaupt nicht interessiert; für welchen Bildungs- und Wissensgrad ist so ein Feature, so ein Mischmasch aus nachgestellten, gar frei erfundenen Szenen, Doku- und Archivaufnahmen gedacht? Für Schüler? Wenn ja für welche? Für den akademischen Mittelbau? Für das Proletariat? Für Zahnärzte, für Hochschulprofessoren? Für führende Intellektuelle? Für die Mitglieder von Bäcker- oder Metzgerinnung? Für die Kleingärtner? Das scheinen alles unbefriedigende Vorschläge zu sein.

Eher zu vermuten, dass es so gar keine klare Vorstellung in den Redaktionsköpfen von „u. a.“ Marc Brasse (NDR) und Andrea Bräu (BR) gegeben hat. Und die Frage, was diese Redaktionen all jenen vermutlich Millionen bieten, die sich von sowas nicht angesprochen fühlen, die man aber doch für die Geschichte interessieren möchte. Für wen wird so ein wichtiger historischer Stoff so merkwürdig aufgepeppt und trotzdem nur mit allzu bekanntem Footage; wer kann so blöd sein, dass er das braucht.

Ob hier der Sensationspresse Konkurrenz gemacht werden soll?
Schlecht-Gewissen-Musik-Batz drüber. Scheint gedacht für ein Publikum, was sich berieseln lassen und nicht denken möchte. Träufelpblikum, Träufel-TV. Die unvermeidlichen Führer-Propagandabilder. Führer geht immer; findet heute noch Bewunderung (die können ja ganz genau, Minute für Minute nachverfolgen, wie viele Zuschauer dabei bleiben, wie viele zuzappen und wie viele wegezappen. Führer-Propagandabilder dürften in dieser Statistik nicht schlecht wegkommen). Insalata mista nazista (‚Nazisuppe‘ wäre ein Begriff von Thomas Bernhard) ohne klare, nachvollziehbare Erzählposition, obwohl es doch heißt „ basierend u. a. auf „Die Unschuldigen von Nürnberg“ von Seweryna Szmaglewska“.

Was leisten denn in historischem Kontext Befindlichkeitssätze wie „Ich will es einfach nur hinter mich bringen“ an Mehrwert? Sie füllen doch lediglich Löcher im Fernsehkäse. U. a. sind dafür auch Fernsehredakteure verantwortlich. Man könnte ergänzen, u. a. geht es um Auschwitz und die Prozesse in Nürnberg.

„Haben Sie Lust auf ein Bier?“; das wäre eine interessante Frage, welches relevante Publikum braucht solche Sätze, um die Nürnberger Prozesse und die Verbrechen, die dort verhandelt worden sind, zu verstehen? „Serena, Sie müssen keine Angst mehr haben, es ist vorbei“.

Können sich die „u. a.“ verantwortlichen Redakteure gar nicht vorstellen, dass es Zwangsgebührenzahler gibt, der sich veräppelt fühlen, wenn so mit ihrem Geld mit der Nazizeit umgegangen wird, wo ein KZ eher an ein lauschiges Sommercamp (KZ spielen) erinnert als an eine grauenhafte, schier unvorstellbare Vernichtungsmaschinerie?

Gerne würde man erfahren, was die Herren Prof. Dr. Alexander Korb und Michael Kloft als historische Fachberater, als welche sie im Abspann aufgeführt sind, geleistet und wie viel Zwangsgebührengeld sie dafür genommen haben.

Der Eindruck entsteht, dass das Thema Holocaustaufarbeitung als Vorwand für einen Freibrief zur Herstellung von Fernsehbrei herhalten muss.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Im übrigen bin ich der Meinung, dass dieses demokratisch eminent wichtige, gigantische Gemeinschaftswerk eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sozial unfair zulasten einkommensschwacher Haushalte finanziert wird.

Kommentar zu den Reviews vom 6. November 2025

Ja ist denn schon Bescherung? An die 20 neue Filme kommen laut AllScreens heute ins Kino. Da sollte für jeden Anspruch was dabei sein. stefe konnte einige davon vorab sehen. Aus Deutschland kommt eine Dokumentation, die ist eigentlich eine Sensation, aber sie gibt sich unaufdringlich, zuhörend; sie hat noch letzte Täter- und Opfer aus der braunen Zeit vor die Kamera geholt, die teils Dinge sagen, die so noch nicht gesagt worden sind. Aus New York gibt es eine Trouvaille nah an einer Dokumentation über den überraschenden Alltag eines Künstlers. Ebenfalls aus den USA kommt eine verstörende Familiengeschichte, die den Riss im Lande schmerzhaft spiegelt. Aus Argentinien wiederum gibt es eine surrealistische Annäherung – es gibt auch Leute, die mögen den Ausdruck: magischer Realismus – an die Zeit der Diktatur. Ein vergnügliches, größenphilosophisches Produkt kommt aus Frankreich/Belgien. In Deutschland geht es bei einem Filmdreh vor religiösem Hintergrund kriminell zu und her. Ein exzellenter norwegischer Kinderfilm eröffnet die Saison der Weihnachtsfilme. In Deutschland klappt es mit dem ersehnten Ruhestand nicht, aber anders als erwartet. Wer von Halloween noch Schreck- und Schockpotential übrig hat, ist bei einem US-Horror-Thriller gut aufgehoben. Wenig verwunderlich, dass eine Doku, die von Bildfälschern handelt, aus China berichtet. Auch an die ganz Kleinen ist gedacht mit einer gezeichneten Tierausbruchs- und Freundschaftsgeschichte wie aus dem Bilderbuch. An den bereits etwas medienversauten Nachwuchs wendet sich ein weiterer Weihnachtsfilm, der gleich die IT-Welt mit einbezieht. Ein US-Film bringt einen Shake aus urtümlichen Dschungel-Aliens und Jagdschema. Und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk scheint die Hirnlosigkeit zu grassieren.

Kino
DAS UNGESAGTE
Es gibt Dinge im Krieg, die brauchen Jahrzehnte, bis sie, wenn überhaupt, ausgesprochen werden können.

PETER HUJAR’S DAY
Wissen Sie noch, was Sie die letzten 24 Stunden gemacht haben?

THE CHANGE
Der politische Riss Amerikas, der sich bis in die Familien hineinzieht.

THE SECRET AGENT
Aus dem Argentinien der Diktatur, der nur mit surrealistischen Mitteln adäquat zu begegnen ist.

DER MANN, DER IMMER KLEINER WURDE
Eine Däumelings-Geschichte, neu aufgelegt

HYSTERIA
Wenn es am Filmset kriminell wird.

MISSION MÄUSEJAGD – CHAOS UNTERM WEIHNACHTSBAUM
Wenn Menschen ins Mäuseparadies eindringen.

UND DANN PASSIERT DAS LEBEN
Wenn das Drehbuch dann doch einen Schlenker macht.

BONE LAKE
Lustwochenende am Gestade eines Sees voller Knochen

MANCHE MÖGEN’S FALSCH
Fälscherei als offenes Geschäft; die Kunst lernen

TOMMY TOM 2 – EIN NEUER FREUND FÜR TOMMY TOM
Eine einfache Freundschaftsgeschichte für die ganz Kleinen

MISSION SANTA – EIN ELF RETTET WEIHNACHTEN
Kaufhausästhetik mit überfüllendem Genreeklektizismus

PREDATOR: BADLANDS
Archaik vermengt mit High-Tech, Frau ohne Unterleib und Schosshündchen

TV
BAPPAS – ZWEI VÄTER. EIN TEAM. NULL PLAN.
Damit rückt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Abschaffung einen weiteren Schritt näher.

Predator: Badlands

Die Dame ohne Unterleib –
Archaik meets Hightech

Was mir visuell von diesem Film von Dan Trachtenberg nach dem Drehbuch (laut Credits bei IMDb) von Patrick Aison, Jim Thomas und John Thomas in Erinnerung bleiben dürfte, das ist nicht zuerst die Dame ohne Unterleib, sondern deren Unterleib, weil die Dame selber ein Ausfransgeschöpf nach unten ist, während ihr Unterleib präzise Konturen hat. Wie der sich in einer abgerissenen Industrielandschaft bewegt, das hat etwas Surrealistisches.

Was weniger als Spezifikum bleibt, sind die Dschungellandschaften, die bleiben sich immer gleich, die können sich auch nicht entwickeln, die haben sich seit Büchern, die ich bei Oma durchgeblättert habe, nicht einen Mü geändert.

Genauso wenig die Archaik und die archaischen Aliens. Solche gibt es zuhauf, besonders um Halloween herum. Und das süße, kleine Nachwuchsmonster, das ist eh abgelutscht wie irgendwas und billig wie irgendwas, Schosshündchenkino.

Nicht anders geht es mir dem High-Tech, in der Flut von Sci-Fi-Filmen gibt es inzwischen nichts mehr, was die nicht kann.

Die Sprache in der die Aliens sprechen, ist eine Gurgel-Rumpel-Sprache. Sie wird in der englischen Originalfassung wie in Steinschrift in einfachen gelben Lettern transskribiert. Die Texte sind einfach, so wie die Handlung.

Es gibt einen Vortext über den Yautja-Codex, der einen Unterschied zwischen Yautja und Predator macht, der eine hat keine Freunde und wird zur Beute, oder so ähnlich zumindest.

Der kleine vom Vater verachtete und als schwächlich geltende Predator soll Kwei stellen. Man könnte das als eine Art Coming-of-Age-Geschichte sehen, der Junge muss hinaus in die Welt und sich bewähren, zeigen, dass er jagen kann.

Warum ich mich so gar nicht einklinken konnte bei dem an sich doch bewährten Schema, kann ich mir nicht ganz erklären. Vielleicht verschwindet das hinter dem Mummenschanzeindruck, versinkt in der konsequenten Archaik, im puren Überlebenskampf, ohne dass man Partei für jemanden ergreifen würde. Überlebensarchaik ohne menschliche Konflikte, vielleicht ist es das.

Tommy Tom 2 – Ein neuer Freund für Tommy Tom

Mitmachkino
nach einfachen Melodien und Rhythmen

Zugegeben, da bin ich eher allergisch gegen Mitmach-, Mitsing- und Mitklatschaufforderungen sowohl von der Bühne herab, erst recht aber, wenn sie von der Leinwand kommen. Hier im Film von Joost van den Bosch und Erik Verkerk nach dem Drehbuch von Burny Bos nach den Büchern von Jet Boeke sollen die ganz Kleinen, die das Zielpublikum sind, auch schon früh dieses Mitmachen lernen.

Film und Theater sind für mich vor allem Betrachtungs-, Zuschau- und Zuhörveranstaltungen, wo der Mensch erst mal in Ruhe gelassen werden möchte.

Trotzdem sind die kleinen Geschichten, die hier animiert vorgetragen werden, gut nachvollziehbar. Sie finden im übersichtlichen Rahmen statt, der den Erfahrungsraum des Alltagslebens von den Jüngsten nicht sprengt.

Die Katze Tommy Tom und ihre Katzenfreundin Mauzi Mauz leben in einem Einfamilienhaus im flachen Holland. Ein großes Ereignis ist der Schnee, der will erkundet sein, der treibt die beiden nach draußen.

Dann spüren sie, dass in der Nachbarschaft etwas ist. Sie entdecken in einem Haus einen großen Hund. Andererseits haben die beiden einen Schlitten. Sie wissen von den Dünen in der Nähe und dort wollen sie rodeln. Ein gigantisches Unternehmen, bei dem ganz alltägliche Dinge dazwischen kommen. Wie den Schlitten über den Zaun hieven? Wie mit ihm auf der Eisfläche umgehen? Wie ihn wieder rausholen aus dem Eisloch?

Enten spielen mit und Eichhörnchen und auch Schafe und Hasen und mit dem Hund freunden sich die beiden Katzen auch an. Denn sie sehen, gemeinsam gehen viele Dinge besser, sowohl das Rodeln als auch der Umgang mit schwerem Gerät wie mit einem Holzschlitten.

Und, kindgerecht, der Film hat eine Spieldauer von nur knapp einer Stunde; er dürfte sein Nachwuchspublikum nicht überfordern. Die Bilder eines Bilderbuches, die gehen gelernt haben.

Mission Santa – Ein Elf rettet Weihnachten

Rettet Weihnachten!

Wir wollen jetzt nicht sagen: vor solchen Filmen; so böse wollen wir nicht sein, keine Spiel- und Festverderber, denn was wäre Weihnachten ohne Weihnachtsmann und damit ohne Geschenke.

In dieser Cyber-Weihnachtsindustriewelt gibt es ein Cyberscrooge. Der ist der Bösewicht, genauer gesagt: eine Bösewichtin, und die will den Weihnachtsmann verhindern; man darf sich, wenn es denn dem Zwecke dient, überall bedienen und garantiert immer bei Charles Dickens, erst recht, wenn man einen Ebenezer dazuholt in eine Weihnachtswelt, die eh überall räubert, in der digitalisierten Welt, in der Welt der Warenhaus-Ästhetik, in der Welt der Heavy-Metal-Musik, der Star Wars und im riesigen Fundus an Weihnachtsfilmware, sprich Weihnachtsmärchen.

Versteht sich von selbst, dass die Weihnachtsproduktion in einer High-Tech-Roboter-Industrieanlage stattfindet, die drohnenüberwacht ist; die Arbeiter sind die Elfen. Es sind aber nicht die Dinge, die die Kinder primär interessieren dürften. Es ist immer das Menschliche.

Jojo will Lehrling in der Weihnachtswerkstatt werden. Er wird in der Megafabrik auch angenommen. Zusammen mit anderen Lehrlingen erlebt er eine Führung durch die Cyber-Fabrik durch die CEO. Seine Enttäuschung ist groß, dass es den Weihnachtsmann nur noch als vielfältiges Hologramm gibt. Er selber sei in Rente gegangen.

Jojo will unbedingt den Weihnachtsmann finden. Dazu kann ihm vielleicht sein Opa verhelfen, der hat bei ihm noch gearbeitet und als Auszeichnung die silberne Schneeflocke erhalten. Auch eine magische Schneeglock wird hilfreich sein.

Es geht nun darum, mit der CEO, dem kleinen Elch und dem Opa den Weihnachtsmann zu finden. Gleichzeitig geht es in der Weihnachtswerkstatt drunter und drüber. Cyberscrooge will alles an sich reißen. Zum Glück hat sie selbst ein kleines Mädchen, was auf den Weihnachtsmann wartet.

So ist die Abenteuerkonstellation gesetzt. Die wird mit Action prallgefüllt und mit übervollem Dauerorchestersound zugeschüttet. Bis nach, wie Kinder meinten, zu langer Laufzeit, die Sache sich zum glücklichen Ende rundet. Allenfalls Kino im Sinne von Fastfood zum einmaligen Verzehr geeignet und garantiert nicht geschmacksbildend.

Mission Mäusejagd – Chaos unterm Weihnachtsbaum

Feindbilder –
Aufbauen – abbauen

Dieser norwegische Weihnachtsfilm von Henrik Martin Dahlsbakken zeigt neckisch, wie Feindbilder, die in Krieg ausarten können, aufgebaut, aber wie sie auch wieder abgebaut werden können, wie also Frieden herzustellen wäre, ein gar nicht so abwegiges Thema weder für unsere Zeit noch für Weihnachten.

Erst schildert der Film das friedliche Leben einer Mausfamilie in einem leerstehenen Haus, einem Mansion, wie an einer Stelle verbessert wird. Kleine Mäuse in großem, eingerichtetem Haus. Sie können sich breit machen, die Vorratskammer ist gefüllt. Es ist das Haus der verstorbenen Tante Siri, das die Erbenfamilie, ebenfalls eine prototypische Familie aus Vater, Mutter, einer Tochter und einem Sohn, hat leerstehen lassen.

Zu Weihnachten wollen die Erben das Haus für ihre Weihnachtsfeier nutzen. Allerdings ist der Vater skeptisch. Es wird sich zeigen, warum. Die Mäuse sind entsetzt über die Eindringlinge und empfinden sie, zu Recht, als Störefriede und Feinde.

So fangen die Mäuse einen hinterfotzigen Krieg gegen die Familie an mit Störaktionen, die raffiniert und für das Kinopublikum unterhaltsam sind; wer mag es nicht, wenn einer einem anderen einen Streich spielt.

Die Mäuse sind raffiniert in der Erfindung von Aktionen, die der Familie als Spuk erscheinen. Das ist das, was der Papa aus seiner Jugend von diesem Haus in Erinnerung hat, also beste Voraussetzung, den Spuk zu glauben.

Wie die Familie dahinter kommt, wer den Spuk verursacht, nämlich die Mäuse, fängt sie an, das Feindbild Mäuse aufzubauen und zu kultivieren und zum Gegenangriff zu schreiten. Der geht so weit, dass sie einen Mäuseverbrämer bestellt. Der marschiert mit einer garstigen Katze in einem Käfig und einer giftigen Schlange in einem Karton auf.

Feindbilder funktionieren erfahrungsgemäß immer so lang, wie es keinen Feindkontakt gibt. Das kleine Mausmädchen aber wird vom Jungen der Familie, von Mikkel, entdeckt. Sie bauen eine Beziehung auf. Sie verstehen sich. Darin liegt der Schlüssel für die Verständigung zwischen Menschen- und Mausfamilie, nachdem der Krieg nochmal eskaliert und nicht nur die Weihnachtsfeier, sondern das ganze Haus in Gefahr kommt.

Manche mögen’s falsch

Kurioses aus China

China, Land der Kopisten und Fälscher, nirgendwo kommt das schöner und offener zu Tage als in dem Dorf, dem Stadtteil von Shenzen, Dafen.

Hier gibt es ganze Fabriken, unzählige Ateliers von Kleinkünstlern, die davon leben, Kopien berühmter Kunstwerke anzufertigen und sie zu vergleichsweise günstigen Preisen nicht nur in China, sondern in alle Welt zu verkaufen, eine Kerze von Gerhard Richter für 50 Euro. Dieser sei leicht zu kopieren, man müsse sich nur in sein Denken hineinversetzen, meint der Kopierkünstler.

Bei der überwiegenden Zahl der Gemälde dürfte allerdings die Verwechslungsgefahr nicht allzu groß sein, aber es gibt auch andere Fälle.

Der von Stanislaw Mucha mit viel Rossini-Musik unterlegte Bericht dürfte eher fürs Fernsehen gedacht sein.

Auf der Tonspur ist auch die Stimme der Frau des chinesischen Staatspräsidenten zu vernehmen, die einen populären Song zum besten gibt, der regelmäßig über Lautsprecher und in Endlosschleife in die Öffentlichkeit getragen wird.

Dieses Dorf, dieses Mekka für Fake- und Billigbilder, wie es einmal genannt wird, hat seine Geschichte. Das erzählt der Pate, der der Gründer und dann erfolgreiche Betreiber war, mit seiner eigenen, abenteuerlichen Geschichte.

Einige Künstler werden genauer vorgestellt, der eine ist der Gerhard-Richter-Spezialist, es gibt einen Van Gogh Spezialisten, der Maler, der am beliebtesten und am nachgefragtesten sei. Manche versuchen auch, selbständig Bilder zu malen; einer erzählt die Geschichte des Dorfes oder jene seines Verhältnisses zu seinem großen Vorbild Van Gogh.

Eine Schulklasse kommt vor beim Malkurs, die Lehrerin klärt darüber auf, dass es 56 Minderheiten in China gebe und einer hat das Bild eines glücklichen Tibeters in seiner Sammlung. Eine Begründung für die Kopiererei lautet, dass man die europäischen Ölmal-Technik lernen wolle, die in China unbekannt war. Learning by copying.

Der Mann, der immer kleiner wurde

Nicht mehr wahrgenommen werden,

das ist vielleicht eine der schrecklichsten Vorstellungen, die dem Menschen passieren kann. Wieder nur ein Körnchen oder gar nichts sein im riesigen Weltall.

Mit solchen und ähnlichen philsophischen Reflexionen führt Jan Kounen seinen ideenspielerischen Film ein. Dann schwenkt er zum Irdischen, zum Allzumenschlichen, zu Paul (Jean Dujardin) und Elise (Marie-Josée Croze) und zu ihrem Töchterchen Mia (Daphné Richard), die mit ihrer Katze in einem sensationellen Haus in den Dünen am Meer wohnen.

Paul hat eine Schiffbaufirma. Vom Haus her, was er bewohnt, muss die gut gelaufen sein, von Gesprächen in der Firma und von Telefonaten her, scheint es im Moment nicht zu rosig bestellt um den Laden. Grade noch ein Auftrag und der hinkt seinen finanziellen Verpflichtungen hinterher.

Der Film von Jan Kounen fängt an 5. Mai mit der Schilderung des Lebens dieser Familie an. Er wird sich bis in den Sommer hineinziehen in unregelmäßigen Datensprüngen.

Ohne Ankündigung fängt der Schrumpfprozess von Paul an. Innert zwei Wochen hat er plötzlich um die zehn, gar zwanzig Prozent an Gewicht und Größe verloren. Aber alles sei intakt, meint der Arzt. Es ist also von einer gleichmäßigen Schrumpfung auszugehen, eines für die Medizin vollkommen unerklärlichen Vorganges.

Der Film macht jetzt aber keine medizinische Sensation aus ihm. Er bleibt dem Verkleinerungsprozess auf den Fersen. Wenige Wochen und Paul ist auf Däumlingsgröße geschrumpft. Das ist eine Idee, die den Menschen in vielen Büchern und Filmen beschäftigt hat, die Veränderung von Größe und damit der Proportionen zur Umwelt, vom Däumling bis zu Gullivers Reisen.

Für unsereins kleine Dinge wie eine Treppenstufe werden für den Kleinen zum unüberwindlichen Hindernis. Paul verirrt sich noch dazu in den Keller. Menschen die runterkommen, kann er nicht mehr auf sich aufmerksam machen. Selbst die Katze wird für ihn zum Ungeheuer. Und so auch Spinnen.

Jan Kounen hat in seinem Film genügend Ideen für den Versuch von Paul, sein Leben trotzdem weiterhin zu bewältigen, ja ihn sogar wieder in die Freiheit vor dem Haus zu entlassen. Der Blick in das All und in den Sternenhimmel werden plötzlich zu mehr als nur zu einer netten Ablenkung. Er wird existenziell.

Go ahead, make my day.