Lebenslinien: Die Schäferin und die Borreliose (BR, Montag, 25. März 2024, 22.00 Uhr)

Gefährliche Bravheit

Sicher, Schafe gelten als Symbol für Bravheit und Anpassung.

Die Borreliose hat allenfalls mit den Schafen gemein, dass sie aus der Natur kommt oder man sie sich in der Natur holen kann, so genau aber will Angelika Vogel es in ihrem eindrücklichen Porträt von der Mutter und Schäferin Heidi nicht wissen.

Auch dass Heidi in Australien als Kind deutscher Auswanderer zur Welt gekommen ist, hat erst mal mit Schäferei und Borreliose nichts zu tun. An Australien hat sie sowieso wenig Erinnerungen. Denn mit etwas 5 Jahren ist die Mutter nach Deutschland remigriert, Heidi in Unterfranken aufgewachsen als das Kind, das sich immer zurückgenommen hat, das Bravheit als oberstes Prinzip befolgt, um nicht aufzufallen, um in dem Lärm von Welt und Familie nicht mitwetteifern zu müssen.

Frieden findet Heidi in der Natur, später auch im Gebet. Und so brav wie sie sich in der Familie verhält, ohne je eigene Ansprüche anzumelden, so verhält sie sich in ihrer ersten Ehe mit einem Forstwissenschaftler. Bis sie irgendwann spürt, dass sie sich selbst keinen Gefallen tut damit. Nach Anläufen findet sie den Power zur Trennung.

Es folgt die Schäferphase in Unterfranken und immer Sommer mit Mann und tausend Schafen auf der Rhön. Und noch zwei Kinder, ein traumhaft ausgebautes Klosterwohnhaus als Familiendomizil. Dann schlägt die Borreliose heimtückisch zu, zehn Jahre ist es her. Kämpfe mit den Versicherungen wegen der Anerkennung und damit Übernahme der Kosten. Schwierige Zeit auch für ihren Ehemann.

Die Lebenslinien unter der Redaktion von Christiane von Hahn berichten über Heidi, wie sie dank Nichtaufgeben im Kampf gegen die Gleichgewichtsstörungen den ersten Sommer wieder mitgeht mit den Schafen auf die Rhön. Nach und nach kommt die Kondition zum Hüten wieder. Sie kann den Frieden des Schäfers genießen. Aber inzwischen hat sich in der Nähe ein Wolfsrudel angesiedelt …

Ein schönes Beispiel für eine weibliche Emanzipationgeschichte und wie beschwerlich die war.

Like It Is

Zwei Männer, Matt und Craig,

baggern sich vor eine Disco in Blackpool an. Ohne großen Small-Talk gehen sie zu Craig. Der will dass Matt ihn fickt. Unterbricht aber sofort, es sei sein erstes Mal. Da rumpelts gleich und vorerst ist aus.

Und dann rumpelt es weiter in dieser heißblütigen Liebesgeschichte von zwei Ungleichen, zwischen Craig (Steve Bell), dem Landei aus Blackpool, der weiß, dass er schwul ist, aber unerfahren, wohnt in der Wohnung der Eltern, wird beaufsichtigt vom älteren Bruder Tony (Christopher Hargreaves) und zwischen Matt (Ian Rose) aus Lond, ebenfalls schwul, ebenfalls nicht tuntig, sondern knackig aussehend, aber versaut im Londoner Musikbusiness, hat sich in seine Position als DJ hinaufgeblasen, ganz selbstverständlich, ohne selbstmitleidiges Me-Too (so ist es halt).

Im Film von Paul Oremland nach dem Drehbuch von Robert Gray wird harter, zynischer Branchenalltag erzählt mit Koks und Alkohol und Sex und Geld und wilder Disco.

Matt lebt in WG mit dem Sängerstar Paula (Dani Behr); sie kuscheln zusammen, er tut ihr psychologisch gut, hat aber seine Typen und seinem Produzenten Kelvin (Robert Daltrey) zur Verfügung zu stehen.

Und dann rumpelt er bei einem Gastauftritt in Blackpool wie eingangs geschildert in den ungewöhnlichen Craig, der sein Leben mit illegalen Boxkämpfen bestreitet. Nach dieser ersten Begegnung geht keiner dem anderen aus dem Kopf. Matt hat Craig eine Visitenkarte mit seiner Londoner Adresse da gelassen.

Matt ist zurück in London. Craig bleibt in seinem Kopf. Er erzählt von ihm. Craig reist nach London. Die Liebe wird besser, wird mehr fou, wird aber auch argwöhnisch in der Branche beäugt, denn sie kann nicht verborgen bleiben. Sie setzt Intrigen, Gezicke, Missgunst in Gang.

Erst mal bekommt Craig einen Job als Fahrer, während Matt eine völlig unbegabte Boyband in die Charts platzieren soll; bestimmen tut Kelvin, Geld regiert die Welt.

Die Wunderwelt von Craig wird für Matt noch faszinierender, wie dieser einen Wagen klaut und sie zu eine Spritztour losfahren; hier lernt Matt eine ganz andere Weltz der Sorglosigkeit kennen, die sich nicht von Vergangenheit, Spekulationen oder Kalküls einschnüren lässt.

Je verrückter die Erlebnisse, desto tiefer frisst sich die möglicherweise „wahre“ Liebe in die beiden hinein; das ist der Moment, wo solche Romanzen gerne in die Tragödie umkippen; Auslöser ist hier der Seitensprung von Craig mit Jamie (PA Nicholas), der auch schon mit Matt Sex hatte.

Aber die Engländer meinen es gut mit dem Zuschauer und all ihren ausgezeichnet gecasteten Typen: sie finden einen Weg zu einem schönen Ende, britisch, pragmatisch, unvertüdelt.

Friedfeld, Folgen 1 – 5 (ARD, Freitag, 22. März 2024, 09.00 Uhr)

Weichgespülte Simpsons

Die Simpsons, das scheint die Ambition der ARD-Redakteure Patricius Mayer (BR), Claudia Simionescu (BR) und Simon Riedl (SWR) gewesen zu sein. Da sie öffentlich-rechtlich und also weisungsgebunden sind, darf es keine Ecken und Kanten geben, keinen richtigen Biss.

Herausgekommen sind also nach Drehbuch und Regie von Alfonso Maestro und Tillmann Orion Brehmer deutsche Simpsons auf Sparflamme, die Friedefelder, eine Gruppe von Comic-Figuren mit wenig Charakter und ohne geistige Schärfe, die vor allem Reproduzenten alberner Pennälerwitzchen sind.

Es muss alles, was sich nach Zeitgeist anhört, wenig originell durch den Kako gezogen werden mit einem Schlagwortfragmentensalat aus allen möglichen Trendbereichen wie Gesundheit, Öko, Klimaveränderung, Welthandel, Feminismus, Konsumwelt, Werbewelt, Mondo Hygienico, Sport und Autos, Karrierismus, Social Media, Hochzeit, Polyamorie, Tourismus und Pilgertourismus.

Weichgespült wirken die Comics auch durch die wenig gepflegte deutsche Synchro. Die Einfachheit der Zeichnungen wird nicht mit spitzer Prägnanz kompensiert.

Mich als Zwangsgebührenzahler ärgert es, dass ich sowas mitfinanzieren muss. Wenn die Comics richtig gut wären, so dürften sie ohne weiteres kommerziell rentieren und bräuchten nicht die Gunst von öffentlich-rechtlichen Fernsehredakteuren. Wobei dieses Fernsehen doch sowieso sparen sollte. Auf solche Ausgaben kann es problemlos verzichten.

Ein Beispiel für den Humor: die T-Shirt-Inschrift „My Pen is huge“ … dem Typen setzen wir ein ARD-Krönchen auf – oder er erhält einen ARD-Spartanga.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Kommentar zu den Reviews vom 21. März 2024

Die heute im Kino neu startenden und hier besprochenen Filme befinden sich teils am Rande des Wahns, befassen sich gar mit dem Wahn, setzen sich damit auseinander, was die Welt ist, Wille und Vorstellung oder Einbildung und wo bleibt die Wahrheit. Wird ein japanischer Junge vom Lehrer gemobbt, weil er so schlimm ist? In London projiziert ein besessener Maler seinen Wahn auf seine Muse. In den USA taucht ein nicht weiter auffälliger Professor plötzlich massenhaft in den Träumen anderer auf. Und ebenfalls in New York entsteht ein Kunsthype über Gemälde zweifelhafter Herkunft. In Argentinien baut sich ein biederer Banker mit Kalkül seine Traumzukunft. In Frankreich werden mit den Mitteln der Komödie die Gewissheiten über die eigene Herkunft hinterfragt. Wiederum in New York kupfern die Autoren einer Serie über Jäger paranormaler Erscheinungen bei Disney ab. In Deutschland geben Migranten Anlass zu allerlei Verschwörungstheorien. In Chile will ein ambitionierter Lehrer Schüler von der Müllhalde in die Bildungssphären bugsieren. In Norwegen wollen sie der Mär vom Supermenschen ein Ende setzen. In Italien gibt es eine Dichterbibliothek, wie kaum eine, die sich mit Wahn und Einbildung und Absonderlichkeiten beschäftigt. In Litauen fühlt eine Regisseurin dem Weibchenverhalten auf den Zahn. Und weltweit geht ein Ami unguten Vermutungen über die Religionen nach. Auf DVD geht es um einen Glücksfall für ein vernachlässigtes Kind. Das Fernsehen hat einen Kabarettisten porträtriert, der in Deutschland wegen seiner Hautfarbe täglich Bemerkungen zu hören bekommt.

Kino

DIE UNSCHULD
Ist der Junge Minato nun ein Monster mit Schweinehirn oder ist er es nicht?

LOVE IS THE DEVIL: STUDY FOR A PORTRAIT OF FRANCIS BACON
Kongeniales Empahtie-Biopic über die Amour fou des Malers zu Georg Dyer

DREAM SCENARIO
Ist der kauzige Professor nun eine Meme in den Träumen der Massen oder gar ein Monster?

THE KILL ROOM
Wenn Geldwäsche zu einem Kunsthype in New York wird.

DIE MISSETÄTER
Der Bankraub klappt erst mal wie am Schnürchen und auch das mit der kalkulierten Strafe, aber …

OH LA LA – WER AHNT DENN SOWAS?
Glaub ja nicht, Du hättest nicht noch irgendwelche versteckten Gene.

GHOSTBUSTERS – FROZEN EMPIRE
Bei der Eiskönigin abgekupfert

DIE AMITIÉ
Wenn hinter den Immigranten geheime Mächte stehen.

RADICAL – EINE KLASSE FÜR SICH
Ein unkonventieller Pädagoge als Autodidakt

SOWAS VON SUPER!
Nordische Superlöwen-Reflektion, kinderfreundlich

UMBERTO ECO – EINE BIBLIOTHEK DER WELT
In dieser Bibliothek kannste Dich verlaufen und die verrücktesten Dinge finden.

SLOW
Die Weibchen und das Paarungsverhalten

CHRISTSPIRACY
Missionarisch für Vegetarismus

DVD
THE QUIET GIRL
Nicht das Tiefgründen der stillen Wasser ist gemeint, sondern, dass auch sie Raum und Zuwendung brauchen.

TV
LEBENSLINIEN: SIMON PEARCE – HUMOR IST MEINE VERTEIDIGUNG
Dieser alltägliche Rassismus bei uns

Ghostbusters: Frozen Empire

Für Fans –
ungewöhnliche, paranormale Aktivitäten

Zur Münchner Pressevorfühung waren extra Fans der Ghostbuster-Reihe eingeladen worden. Sie kamen in den Arbeitsklamotten der Geisterjägerfamilie Spengler angereist. Und einer fand nachher, es sei ein sehr guter Film. Da möchte man dann auch gar nicht diskutieren.

Es ist ja auch eine köstliche Erfindung, diese Familie, bestehend aus dem nicht leiblichen Vater Gary Grooberson (Paul Rudd), der Mutter Callie (Carrie Coon), dem 18-jährigen noch sehr milchbubhaften Trevor (Finn Wolfhard) und der 15-jährigen gespensteraffinen Phoebe (Mckenna Grace), die sich in New York als Gespensterjäger engagieren.

Die Arbeitsklamotten der Spenglers sind diese braunen Arbeitsanzüge, wie die Fans sie trugen. Ihr Arbeitsvehikel ist ein aus der Zeit gefallenes Auto mit diversen Ausstattungen und Eigenschaften, mit dem die Familie im hellen Wahn durch New York drischt, wenn es ein Gespenst aus dem paranormalen Raum zu jagen gilt. So weit so abnormal normal und unterhaltsam.

Aber in so einer Serie braucht es einen speziellen Einzelfall. Den hat Regisseur Gil Kenan mit Jason und Ivan Reitman auch im Drehbuch entworfen und festgehalten. Und da scheint mir das Schielen nach Erfolgsrezepten doch etwas allzu auffälig.

Im vorliegenden Sequel bringt eine komische Figur, Nadeem (Kumail Nanjiani), ein höchst gefährliches und sehr altes Gespenst ins Spiel, den in einer magischen Kugel eingschlossenen Garrake. Dessen Idee scheint bei Die Eiskönigin – völlig unverfroren abgekupfert. Wo Garraka hinkommt, gefriert alles zu Eis und aus dem Boden wachsen Eisspitzen.

Diese umgetunte Eiskönigin scheint hier eine Erfindung um der Erfindung willen. Es fehlt der urmenschliche Zusammenhang einer Schwesterbeziehung und eines Urschwesternzwistes. Insofern steht das Modell der Vereisung etwas einsam und verloren im Raum; denn auch zum zentralen Ghostbuster-Thema der paranormalen Erscheinungen trägt dieser Gag grad gar nichts bei. Steht also doppelt einsam im Serienraum.

Das wird auch nicht glücklicher dadurch, dass Nadeem, der sich dieser Fähigkeit gar nicht bewusst ist, auch noch der Oberjäger sein muss. Das wird eine ungelenke Nummer, etwas naiv, auch das steht so für sich im Raum als Erfindung ohne prickelnde Bezugspunkte zum zwischenmenschlichen Geschehen. Solokomiker. Ganz nett.

Zur Genealogie von Garraka gibt es langatmige Erkärungen, so spannend wie mancher Geschichtsunterricht in der Schule.

Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt

Der Schwindel und die Bücher

Die Möglichkeit, dass Texte nicht unbedingt die Wahrheit sagen, hat Umberto Eco vielleicht am meisten interessiert an den Büchern. Deshalb habe ihn das Werk von Athanasius Kircher so besonders fasziniert. Der war ein jesuitischer Gelehrter mit einem enormen Wissensdurst, Wissenshunger, Wissensdrang, der alles verschlang, was er greifen konnte, besonders auch Erzählungen und Informationen aus erster oder zweiter Hand über andere Länder. Er sei imstande gewesen daraus wissenschaftlich wirkende Werke zu schreiben, die voller Fehler waren. So lässt Davide Ferrario in seiner Hommage an den berühmten italienischen Schriftsteller und Büchermenschen es erzählen.

Alles dreht sich um Bücher in diesem Leben. Eco hinterlässt eine enorme Bibliothek. Auch hier sind besonders auffällig Sammlungen über Randgebiete, Ungewöhnliches, Fragwürdiges, Erfundenes, Exzentrisches, Gefaktes, Fantastisches, Spekulatives, Abseitiges.

Sicher, Bücher sind auch die Erinnerung, sie bilden das Bewusstsein des Menschen, das Gedächtnis, die Identität. Bücher machen die Geschichte des Menschen aus.

Um einen Rundgang durch die Bibliothek des Schriftstellers gruppiert der Dokumentarist das Undokumentierbare, den Geist des Dichters. Flankierend gibt es immer wieder Blicke durch andere Bibliotheken, Bücher, Bücher.

Die Witwe und Kinder und Kindeskinder des berühmten Schriftstellers kommen zu Wort. Der Autor selber auch. Es gibt Ausschnitte aus Interviews, in denen er sich über sein Verhältnis zu Büchern äußert und sein Verhältnis zum Internet und der mobilen Telefonie. Das kann mitunter sehr unterhaltsam werden, wenn er gefragt wird, ob er sein Handy dabei habe. Ja. Ob er es an habe. Nein. Er möchte so nicht erreichbar sein. Er brauche es lediglich wegen der Notizfunktion.

Ein Schauspieler erzählt als Zitat die Geschichte von einem Studenten und einem Menschen an der Theaterkasse. Der ein konnte nie die Enden der Stücke sehen, weil die Studenten zeitig ins Internat zurück mussten und der andere konnte nie den Beginn der Stücke sehen, weil er bis zum zweiten Akt noch an der Kasse zu sitzen hatte. Es kommt nicht auf die Vollständigkeit an, auf die Perfektion, auch nicht auf die Anzahl der Bücher, das könnte man daraus schließen, es kommt darauf an, sich ernsthaft mit den Texten auseinanderzusetzen.

Das allerdings setzt Eco im Hinblick auf das Message-Unwesen im Internet in Frage. Während er wiederum Interesse bekundet an Texten, die nicht über das etablierte Verlagswesen zustande kommen, die im Selbstverlag herausgegeben werden. Erwähnt wird auch der Fake-Autor Milo Temesvar.

Es gibt in diesem beschwingten, zum Denken anregenden Gang durch das Bücher-Universum des Umberto Eco auch einen Ausschnitt aus einer dadistischen Lesung des Autors, in der er literarische Titel aneinanderreiht als Endlossuada.

The Kill Room

Art and Crime,

das reimt sich, nein, reimt sich nicht, geht aber in diesem New-York-Film von Nicol Paone nach dem Drehbuch von Jonathan Jacobson eine amüsante Symbiose ein.

Da ist einerseits der Bäcker und Geldwäscher Gordon (Samuel L. Jackson mit aufgeklebtem Bart) und andererseits die Galeristin von der „Program Galerie“, Patrice (Uma Thurman, die auch als Mitproduzentin des Filmes fungiert).

Beide krabbeln von einem finanziellen Problem zum nächsten, sie hat zu wenig, er hat zu viel, aber unsauberes Geld. Bis die gloriose Idee aufkommt, mit hochpreisiger Kunst lasse sich Geld waschen. Damit wäre allen geholfen.

Gordon beauftragt seinen Bagman, das sind im kriminellen Milieu die Geldabholer, nebst der Botentätigkeit zusätzlich als Maler zu fungieren. Bei Reggie (Joe Manganiello) ist der Begriff des Bagman zusätzlich durch den Vorgang belastet, dass er die Plastiktüten seinen Opfern über den Kopf zieht.

Reggie ist eine wunderbar männliche Figur einerseits, finster und dumpf andererseits als ob er aus dem tiefsten Walde käme. Reggie, so der Plan, soll ein abstraktes Ölbild malen, die Galerie nimmt es an Zahlung, kommt so aus der finanziellen Klemme und Gordon bekommt sauberes Geld. Sollte man sich vielleicht merken.

Der Plan entwickelt allerdings Eigendynamik, wie Sammler sich plötzlich für dieses Werk interessieren und bereit sind, dreistellige Summen dafür hinzulegen. Schnell muss ein Künstlername gefunden werden: Bagman ist naheliegend.

Der Film macht sich jetzt – nebst der herrlich satirischen Schilderung der New Yorker Kunstszene – einen Heidenspaß draus, vom Hype zu erzählen, den Bagman in der Kunstwelt entwickelt. Alle wollen plötzlich einen „Bagman“.

Die wichtige Kunstkritikerin „The Kimono“ (Debi Mazar) schreibt Lobeshymnen über die zu den Gemälden hinzugekommenen Objekte, gebrauchte Plastiktüten, ha, ha; der Zuschauer weiß mehr über die Zusammenhänge.

Das Medieninteresse steigt und damit die Konflikte im Gangstermilieu, denn auch dort wird Bagman weiter gebraucht und Publizität kann man grad gar nicht gebrauchen. Gleichzeitig muss er für die Kunstszene liefern.

Die Entwicklungen steigern sich bis zu einem ultimativen Kunstakt, nach welchem Bagman abdanken will – und der einen tiefen Einblick in mögliche Geheimnisse berüchtigter Zollfreilager gibt.

Sowas von super!

Die Sache mit den Superhelden

In dem kleinen norwegischen Dorf auf einer Hocheben irgendwo eingebettet zwischen Felsen an einem Fjord hängt der Segen keineswegs schief. Wenn etwas passiert, so taucht aus dem Nichts der Stadtheld, der Superlöwe auf und regelt es.

Beispielhafte Aktion dafür ist ein Kinderwagen, der wie einst auf der berühmten Treppe von Odessa ohne Begleitperson nach unten saust. Noch schneller saust Superheld und rettet das Kind mit einer wahnwitzigen Aktion.

Klein Hedwig, eine zwar begeisterte Gamerin, aber generell in allem, was sie tut, nicht sonderlich begabt, erkennt im Superlöwen ihren Vater. Durch einen unglücklichen Zufall schrumpft dessen Kostüm in der Wäsche. Auch dieser Vorgang zeigt schön Witz und Frechheit der Inszenierung von Rasmus A. Sivertsen nach dem Drehbuch von Kamilla Krogsveen auf.

Die Waschmaschine dreht schier durch, es blinken die Anzeigen wild durcheinander und die Maschine dreht so temperamentvoll, dass sie zu wandern anfängt, gefährlich sich dem Treppenabsatz nähert. Den Rest kann sich der Zuschauer denken; denn unten im Salon sitzen Papa, Hedwig, der Onkel von Hedwig mit Frau und Söhnchen Adrian beim feinen Essen. Bis das Superlöwen-Kostüm mitten im Gesicht des Onkels landet. So dürfen Geheimnisse nicht ausgeplaudert werden. Zu Strafe schmeißt Papa die Gäste raus.

Was tun mit einem geschrumpften Superlöwen-Kostüm? Es kommen Adrian und Hedwig in Frage. Situationen, die die Superlöwenhilfe brauchen entstehen am laufenden Band.

Der Film wird jetzt fröhlich kreativ evaluieren, wer von beiden zum Superlöwen ausersehen ist. In diese Zusammenhang wird auch eine Talentshow der Schüler ein Rolle spielen. Und es wird die Negativpower, die das Supermantum entwickeln kann, aufgezeigt.

Als Quintessenz dieses Prozesses stellt der Film die Grundfrage nach dem Wesen des Supermantums, ob die Menschen, deren Ortschaft von einem Superlöwen geschützt wird, nicht besser daran täten, selber mehr Verantwortung zu übernehmen. Und ohne eine verrückte, mit dem Auto wie wild rasende Oma, wäre der Spaß wohl nur halb so wild.

Slow

Weibchenverhalten im Kinolabor

Für Filmemacherin Marija Kavtaradze scheint das Kino ein Labor zur Untersuchung der Liebe zu sein, des Weibchenverhaltens ihrer Protagonistin Elena (Greta Grineviciute), einer stämmigen Person, die ihr Leben dem Modern Dance widmet. Dies gegen den Willen ihrer strengen Mutter.

Elena sucht die Liebe, vielleicht letztlich die Bindung, die Beziehung, die Heirat. Eine Heirat kommt im Film vor, die ist aber eher illustrativ oder flankierend. Es ist der Bruder von Dovydas (Kestutis Cicenas), der heiratet. Dovydas lernt Elena in einem Tanzkurs für Gehörlose kennen. Er arbeitet als Gebärdendolmetscher.

Elena hat keine Hemmung vor der Liebe, vor Männern. Aber wenn einer, den sie nicht kennt, nur einen Steifen bekommen kann, wenn sie ihm sagt, sie liebe ihn, so fällt ihr das zumindest schwer.

Es gibt einen Vilius (Pijus Ganusauskas), ein Geplänkel. Aber Dovydas passt auch nicht ins Klischee, ins Idealbild. Er behauptet asexuell zu sein, mag sein, als Schutz vor Bindung. Das reizt Elena erst recht, aus ihm den Normalmann rauszulocken.

Elena charmiert viel mit den Männern, es gibt ja noch Kollegen in ihrer Tanzgruppe. Und was ist Tanz mehr als inszeniertes Paarungsverhalten.

Die Filmemacherin gibt aber auch andere Varianten zu bedenken. Freundin Viktorija (Laima Akstinaite), hat als Nonne das Gelübde abgelegt und ist froh darüber. Und an Dovydas irritert Elena, dass er unter der Dusche wohl wichst. Das sei nicht asexuell, gibt sie zu bedenken. Noch mehr irritiert ihr Weltbild, dass er von „open relationship“ spricht.

Ach, die Liebe ist ein kompliziert Ding. Den Titel „slow“ bezieht der Film aus einer Eigenschaft von Dovydas, der kommt nach einer Woche wieder auf eine Frage von Elena zu sprechen. Womit er sich für sie als langsam zu erkennen gibt. Wie weit wiederum ist Paarungsverhalten eine Frage des Tempos?

Go ahead, make my day.