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Maria Montessori

Empathiegemälde

Fast eine Devotionale für, eine Verneigung vor Lebenswerk und Persönlichkeit der revolutionären Pädagogin Maria Montessori mit wunderschönen Frauen in den Hauptrollen, wunderschön auf vorletzte Jahrhundertwende gekleidet, frisiert, geschminkt und in schmeichelhaftes Filmlicht gesetzt.

Es sind dies Maria Montessori (Jasmine Trinca) und der Showstar aus Paris, Lily d’Alengy (Leila Bekhti), die das Schicksal oder Kinder, die sie verstecken wollen, in Rom zusammenführt.

Das waren wohl noch Zeiten, als Frauen nicht mal zu ihren unehelichen Kindern stehen durften, weil der Imageschaden zu groß gewesen wäre. Eine gesellschaftliche Atmosphäre, die behinderte Kinder in der Nähe von Tieren einordnete und sie für nicht erziehbar und dumm hielt. Das ist der Boden, auf dem Maria Montessori auch inspiriert von der Showtänzerin Lily ihre eigene Pädagogik entwickelt mit ihrem Partner und Vater des unehelichen Mario, der zwei Jahre alt ist und auf dem Lande untergebracht.

Lily dagegen ist mit ihrer 9-jährigen, behinderten Nichte aus Paris angereist. Sie bleibt mit ihr in Rom hängen, bringt sich ein in die Arbeit am Institut.

Eine Szene zeigt, wie Lily auf dem Klavier spielt und wie die Kinder in wilde Tanzekstase ausbrechen. Einer der Indikatoren dafür, dass man sie nur machen lassen muss.

Das ist das Prinzip der Montessori-Pädagogik, was hier auf mehrfache Weise in wunderschönen Szenen präsentiert wird. Wie die Kinder lernen mit Buchstaben umgehen, mit Zahlen, mit Farben. Das wird explizit schon im Film Das Prinzip Montessori – Die Lust am Selber-Lernen gezeigt.

Léa Todorov hält sich mit dem Aufzeigen zurück, sie begibt sich filmkünstlerisch mitten hinein in das pädagogische Ambiente, lässt sich von der Schönheit des Momentes verführen, ohne den Einsatz von Maria Montessoir aus dem Auge zu verlieren.

Hinzu kommt die persönliche Geschichte, emanzipativ auch sie, zwischen Maria und dem Mitleiter des Institutes und Erzeuger des gemeinsamen Sohnes; ein kleines Drama für sich, was wohl den Willen der Ausnahmefrau, Eigenes zu schaffen, verstärkt haben dürfte.

Interessant zum Vergleichen dürfte auch der Film The Holdovers sein, der sich einen klassischen Pädagogen aus Leib und Seele im üblichen Schulsystem vornimmt und dem tiefen pädagogischen Eros nachspürt. Der vielleicht gerade auch auf die Probleme einer Nicht-Montessori oder auch einer Nicht-Waldorf-Pädagogik hinweist.

Im Unterschied zu Marie Curie – Elemente des Lebens, der den Emanzipationsprozess durchbuchstabiert, ist Léa Todorov sozusagen ohne Hervorhebung oder Betonung des Emanzipatorischen dabei, andächtig, zum Beispiel die Szene, wie Maria Montessori mit Zigarre einem Frauenauditorium über Leichensektion spricht und eine weibliche Leiche seziert. Das passiert ganz ohne Zeigefinger, ohne Triumphgeheul, vielmehr bewundernd respektvoll.

Ihr Jahrhundert – Frauen erzählen Geschichte

Ruckeldizuckel-Doku

mit hochbetagt, beeindruckenden Protagonistinnen, die jede auf ihre Art, gewollt oder ungewollt, zu Feministinnen geworden sind.

Vielleicht hat Uli Gaulke (Sunset over Hollywood, As Time goes by in Shanghai), redaktionell betreut von Gudrun Hanke-El Ghomri und Gabriele Trost, Das Geheimnis der Hundertjährigen von Dagmar Wagner gesehen und entdeckt, welch storytelling Potential in so alten Menschen steckt. Aber bei ihm muss es eine Nummer größer sein. So hat er wohl begonnen, warum auch immer, in der Türkei, in Israel, in Österreich, in Indien, auf Kuba nach intellektuellen Frauen zu suchen, die 100 oder mehr Jahre alt und noch fit für dokumentarische Filmarbeiten sind. Und er ist beachtlich fündig geworden, auch wenn inzwischen bereits die Merzahl seiner Protagonistinnen, wenig verwunderlich, gestorben ist.

In bekannt kurzatmiger TV-Verzopfmanier flicht er seinen Protagonistinnen aus aller Welt ein Kränzchen kunstvoll zusammengesteckt aus Städteimpressionen als Scharniere zwischen den verschiedenen Erzählsträngen aus Feierlichkeiten und Ehrungen für die Protagonistinnen, aus historischen Aufnahmen aus ihrer Jugendzeit (unabdingbar: übelste Hitler-Propagandabilder und dann wieder hochaktuell die Annahme einer Palästina-Resolution der UN zur Gründung des Staates Israel), Kurzinfos über Herkunft, allenfalls eigensinnige Kindheiten und Bildungswege bis zur Familiengründung, Lebenswege, aktuelle Interviews mit den Protagonistinnen aus ihrem jetzigen Lebensmittelpunkt, und dann verabschiedenderweise gerührte Danksagungen.

Die Protagonistinnen sind: Nanammal Amma,100, Yogalehrerin aus Indien, Ilse Helbich, Österreich, Schriftstellerin, 100, Haydée Arteaga Rojas, Geschichtenerzählerin, 104, Meisterin der Erzählkunst aus Kuba, Tamar Eshel, Israel, Politiker & Geheimagentin, 102, Wonder Women der Knesset und Nermin Abadan-Unat, Sozialwissenschaftlerin, & Aktivistin, 101, aus der Türkei.

Die Musik wird gespielt von Colette Maze, Pianistin, 108

Hunter from Elsewhere – A Journey with Helen Britten

Antikapitalistische Kunst,

Angespültes, Angeschwemmtes, Gefundenes, Found Objects, Drittklassiges der Schmuckproduzenten aus Idar-Oberstein, Tand, Plastik, aus Flohmärkten, aus Fabriknachlässen, denn Gold mache blind, so erzählt es ein Ring von Otto Künzli, einem Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München und Ideengeber für die australische Malerin, Fotografin, Objekt-, Textil- und Schmuckkünstlerin Helen Britten, die die Filmemacherin Elena Alvarez Lutz in diesem Film neugierweckend dokumentiert.

Sie haben sich in München kennengelernt. Denn München ist der Australierin für ihr Studium empfohlen worden, nachdem klar war, dass sie Kunst doch mehr interessiert als Naturwissenschaftliches.

Was wiederum nicht sofort klar war. Denn in New Castle, Australien, wo sie aufwächst, dominiert die Schwerindustrie. Schiffbau wird betrieben. Kohleminen gibt es. Hier mussten die ersten Bewohner der Strafkolonie, mehrfach rückfällig gewordene Kriminelle aus Irland, schuften.

Hier fängt ihr Interesse und ihr grundlegendes Verständnis von Materialität und Prozess an. Durch ihr Interesse entsteht eine enorme Sammlung an Materialien, die auch andere Künstler nutzen.

München ist der Standort für Helen Brittens Studio. Helena Alvarez begleitet die Künstlerin bei der Arbeit, bei der Vorbereitung einer Ausstellung, bei Besuchen in Thailand, in der Schmuckmetropole Idar-Oberstein, beim Arbeiten. Durch die Dokumentationsarbeit werden die beiden Frauen momentweise zu gemeinsam Suchenden.

Es gibt ausgewählte Archivfilme (von 1945 „Newcastle- Story of a City“; 1939, „Die Kunst des Glasblasens“ und von 1962 „Geschliffene Schönheit- ein Streifzug durch Idar Oberstein“), und Fotos und Filme von der Protagonistin selbst sowie anregende Präsentation aus der Welt ihrer Objekte, faszinierende Einblicke in die Welt ihrer Wunderkammern, die von Menschen, ihren Welten, ihrer Kultur und deren Geschichten erzählen. Ein Muss für den Schmuckfan.

Helke Sander: Aufräumen

Was sind Frauen?
Sind Frauen nur unterdrückt oder nehmen sie auch Teil an der Unterdrückung?

In dieser Frage der Filmemacherin Helke Sander ist eine Parallelität zu Helga Schubert (Sonntagkind) zu deren Band Judasfrauen zu sehen.

Helke Sander ist Feministin nicht um des Feministinnen-Seins willen, sondern weil sie Benachteiligung erlebt hat, weil sie eine Frau ist, eine Künstlerin, der das in der BRD besonders nach einem Aufenthalt in Finnland aufgefallen ist.

Sie ist eine hellwache, blitzgscheite Frau, die ihre Umgebung, ihre Situation mustert, die ihre Themen filmisch behandelt, selbst oft mitspielt. Die Archivausschnitte in dieser Dokumentation von Claudia Richarz lassen den Wunsch nach einer Retro der Filmemacherin erwachen.

Mit leichter Hand und nie ganz ohne Humor hat Helke Sander ihre Filme gedreht, hat Männer verblüfft mit sehr direkten Fragestellungen nach dem Mannsein und wie sie sich beispielsweise auf dunkler Straße verhalten würden, wenn ihnen eine Frau entgegenkäme.

Ein Mittel ihrer Auseinandersetzung war die Herausgabe der feministischen Zeitschrift „Frauen und Film“. Sie hat vieles zum Thema Frau ausgesprochen und formuliert, was so bislang nicht diskursfähig war.

Sie selber hat die Bombardierung Dresdens erlebt als Kind; sie erzählt von den Russen, die nach dem Kriegsende massenhaft Frauen vergewaltigt hätten; sie bietet Zahlenspiele dazu. Sie hat darüber den Film gemacht „Befreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigung, Kinder“.

Claudia Richarz lässt ihre Protagonistin auch mal Kleider von sich vorführen oder in Schrankgestellen oder Schubladen nach ihr wichtigen Rariräten suchen: uralte weibliche Skulpturen oder Meissener Porzellantassen, die die Bombardierung Dresdens überlebt hätten. Ein Mensch, absolut ungeeignet für Personenkult.

Gondola

Bastelwerk

Wie rückständig Georgien ist, das zeigt uns einmal mehr Veit Helmer mit diesem vom deutschen Fernsehen geförderten Film, also mit Finanzierung durch unsere Zwangsgebühr. Das ist ärgerlich.

Zweifach ärgerlich, weil Georgien hier billig als ländlich-folkloristisches Entwicklungsland präsentiert wird, wie schon in Vom Lokführer, der die Liebe suchte,zweitens mit einem handwerklich höchst lausig gemachten Film, was vielleicht dadurch weniger auffällt, als der Regisseur immerhin bei den Einzelbildern klar und ohne jede Wackelkamera inszeniert.

Insofern gibt es für den Müssiggänger durchaus immer was zu schauen, er kann vielleicht wohlwollend von einem Cinéma Infantile sprechen. Das trifft auch auf die Präsentation eines Broderie-Frauen-BHs zu, der im Rahmen einer Lesebengeschichte, so fortschrittlich ist man inzwischen in Georgien, exponiert und prall präsentiert wird.

Die beiden Protagonistinnen Mathilde Irrmann und Nino Soselia, mehr über die Besetzung ist bei IMDb nicht zu erfahren, sind bei der verlotterten Seilbahn irgendwo in Georgien als Hostessen engagiert mit schnieken Uniformen und einem Kassiersystem von anno dunnemals, wie bei der guten alten Tram.

Immerhin: der Bezahlungvorgang wird präzise inszeniert, wie die Münze in den Galoppwechsler, den die Darstellerin umgegürtet hat (wenn er gerade gebraucht wird für die Szene), hineingeworfen wird. Alle Handlungsschritte schön voneinander abgesetzt.

Bei der Geldabgabe am Abend geht es burschikoser zu. Aber auch das wird präzise gezeigt, wie der Mann dann nochmal in die Tasche voller Geld greift und der einen ein Trinkgeld gibt und der anderen eventuell nicht.

Was lässt sich alles aus zwei Seilbahnkabinen, die im Gegenverkehr pendeln, und zwei attraktiven Hostessen (die Frau als Hostess, so viel zum Frauentag!) basteln, das scheint die Fragestellung von Veit Helmer gewesen zu sein, die die öffentlich-rechtlichen Redakteure beeindruckt haben muss.

Man kann solche Seilbahnen als Flugzeug oder Straßenbahn verkleiden, man kann einen Sarg damit transportieren und lässt das rückständige Bauernvolk ehrfurchtsvoll zur Seilbahn hochschauen, man kann die Hostessen sich sehnsüchtige Liebesblicke oder auch mal Kuhscheiße nachwerfen lassen, man kann sie Musik machen lassen und das dumme georgische Volk unter der Seilbahn improvisiert wie bei einem Workshop dazu, man kann einen Rollstuhl unten an die Seilbahn anhängen und den namenlosen Rollstuhlfahrer heftig gestikulieren lassen.

Man kann, man kann, man kann mit einem Käscher einen Apfel von einem Baum fischen, man kann beliebig vieles sich einfallen lassen, mit dieser Art von Einfällen, vor denen Schauspieler immer gewarnt werden bei Theaterproben.

Dieses Bildmaterial schneidet man dann beliebig aneinander, setzt auf die Tonspur immer denselben simplifizierenden Glücklich- und Lustigsound und vor allem, man stelle das Volk als nicht des Sprechens mächtig dar, das nur Fingerzeige oder irgendwelche bejahenden oder verneinenden Räuspergeräusche von sich geben kann, sind ja kein Kulturvolk, die Georgier, denn damit vereinfacht man die Montage des Bastelwerkes, an dem das unfasslichste ist, dass öffentlich-rechtliche Sender Geld dazugeschossen haben für den rückständigkeitsvernarrten Deutschen, der der rückständigen Nation zu einem sie als rückständig charakterisierenden Kinoauftritt verhilft. Es lebe der Kolonialismus des deutschen Fernsehens.

Da wenden wir uns lieber sehenswertem georgischem Kino zu: Was wir sehen, wenn wir zum Himmel schauen?

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Drive Away Dolls

Munter-drauf-los-Lesbian-Youth-Culture-Movie

Gekonnt munter, könnte man sagen, vielleicht weniger, weil Regisseur und Drehbuchautor Ethan Coen, der ein Buch von Tricia Cooke hier verfilmt, genuin wohl kaum generell in der Lesbenwelt sich tummelt, aber weil er wie der Fisch im Wasser, das hat er mit seinem Bruder Joel schon mit zahlreichen Filmen bewiesen, sich sicher und souverän in der Bilderwelt des Kinos bewegt. Und da gibt es ja auch genügend Lesbian Culture zu studieren. Genau so kennt er sich aus mit Figurzeichnung, Storyentwicklung, Topic der verschiedensten Genres.

Nach dem Motto „Love is a sleigh ride to hell“ begeben sich die dominierende, erfahrene Lesbe Jamie (Margaret Qualley) mit der naiven Marian (Geraldine Viswanathan) auf eine Reise von Philadelphia nach Talahassy (nach wie vor assoziierbar mit dem Begriff des Wahlbetruges – und die Politik wird am Rande auch noch mitspielen) in einem Mietwagen.

Allerdings beruht die Vermietung auf einem Irrtum. Bestellt worden ist das Auto von einem Verbrecherkartell, das schon vorher im Kofferraum ganz besondere Requisiten verstaut hat, schauderliche und geile Dinge.

Zwei differenziert charakterisiert Frauen als Protagonistinnen, gut charakterisiert, hinzu kommt noch die typologisch dicke Schlägerlesbe, die Polizistin ist und vorerst das Nachsehen hat, mehr braucht es nicht um den Geschichtsfaden funktionabel zu spinnen und mit dem Zuschauer eine unterhaltsame Fahrt durch jugendliche Lesbenwelten anzutreten.

Eine Reise durch Motels, lesbische Bars und Begegnung mit einer lesbischen Sportmannschaft, die Dialoge gut durchsetzt mit Ordinärem, dazu eine Prise Henry James und der perfekte, peppig-poppige B-Movie-Mix für die queere Jugend, die das Abenteuer sucht – alles frisch und perfekt auf den Tisch.

Der Zopf

Verzopft

Am häufgisten dürfte der Zopf in unserer Sprache als alter Zopf daherkommen; er wirkt als altmodisches Haarteil. stefe benutzt den Zopf gerne zur Beschreibung einer generellen dramaturgischen Unsitte, die vor allem dem Fernsehen geschuldet scheint: der Verzopfung von Geschichten.

Dieses Verzopfprinzip verfolgt Laetitia Colombani, die mit Sarah Kaminsky auch das Drehbuch geschrieben hat, mit ihrem Film, zuzüglich einer wie mit dem Brecheisen bewerkstelligten Verzopfung der Geschichten auch inhaltlich, indem sich herausstellt, dass alle drei Geschichten von drei Frauen über das Körperteil Haar in Beziehung zueinander stehen. Das ist ein äußerst dünner Faden, der inhaltlich nichts hergibt und bei dem fraglich ist, ob er über drei Kontinente hinweg den Stories Kitt geben kann.

Inhaltlich ist das schon mal nicht der Fall. Da hat sich die Regisseurin und Autorin für stereotype – ok, man könnte auch sagen: exemplarische – Frauengeschichten entschieden.

Smita (Mia Maelzer), eine Unreine, haut in Indien mit ihrem Töchterchen Lalita (Sajda Pathan) ab vor dem groben Mann und Vater, begibt sich auf ein Roadmovie der Armut mit bekannten Indienklischees.

Giulia (Fotini Peluso) in Süditalien muss die überschuldete Haarmanufaktur ihres sterbenden Vaters retten. Gleichzeitig muss sie sich in Liebesdingen entscheiden: für den Immigranten Kamal (Avi Nash), in den sie verliebt ist, oder für einen Mann, der das Familiengeschäft retten könnten. Auch das eine paradigmatische Stereotypie-Situation.

In Montreal schließlich sieht sich Sarah (Kim Raver) mit einer Krebsdiagnose konfrontiert; zum ungünstigsten Zeitpunkt, weil sie als alleinerziehende Mutter dreier Kinder kurz vor einem Karrieresprung steht. Den Krebs verheimlicht sie richtigerweise in der Firma. Aber es gibt immer wieder unglückliche Drehbucheinfälle …

Von der Optik her kommen die dünn skizzierten Storys aufgeblasen wie großes Kino daher. Auch die Inszenierung versucht klar und eindeutig zu sein. Vom Drehbuch her ist eher an schnelle TV-Ware zu denken. So wirkt das Endprodukt denn doch als reichlich gespreizte Banalitüde. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die enervierende Kinobanalglücksmusiksauce auf der Tonspur, dieses Klimpler-Pimper-Happy-Zeugs. Aufgebauschte Allerweltsprobleme aus aller Welt. Austauschbar und schematisch oder eben beispielhaft als Sonderkinoware zum Weltfrauentag.

America

Das Geheimnis einer Freundschaft

Zwischen den jungen Männern Ilai Cross (Michael Moshonov) und Yotam (Ofri Biterman) besteht ein tiefes Geheimnis.

Der wunderbare Film von Ofir Raul Graizer macht daraus gar kein Geheimnis. Es soll aber nicht gespoilert werden.

Ilai, der eigentlich Eli Greenberg heißt, ist ein hingebungsvoller Schwimmlehrer im Schwimmbad Sheridan in Chicago. Er lebt allein in einem nur nötigst eingerichteten, nüchternen Appartment in einem Hochhaus. Wegen seines sanftmütigen, geduldigen Charakters ist er bei Eltern wie Kids beliebt, zeigt aber keinerlei Neigung, angebotene Karrierepositionen ergreifen zu wollen. Dies könnte als ein leiser Hinweis auf Dunkles gelesen werden.

Yotam lebt in Tel Aviv. Er betreibt mit seiner Freundin Iris (Oshrat Ingadashet), einer äthiopischen Schönheit, einen Blumenladen. Er denkt an Heirat, sie will noch nicht unbedingt. Der Blumenladen selbst wird im Film immer wieder für Bilder sorgen, die als pure Zierde sowohl dem Auge als auch der Seele schmeicheln. Denn um Seelen geht es zentral in diesem Film, der bei IMDb als Drama gelistet ist, der aber Elemente von Rom-Com als auch des Melodrams übergangslos in sich vereinigt.

Ein Anruf aus Tel Aviv bringt Eli/Illai zurück in seine Heimatstadt. Sein Vater sei gestorben, schon vor Wochen, es sei schwierig gewesen, Eli in Chicago ausfindig zu machen – wegen des neuen Namens. Es geht darum, den Nachlass zu regeln, allenfalls das Haus zu verkaufen.

Da Yotam und seine Eltern Moti (Moni Moshonov) und Orna (Irit Sheleg) im Nachbarhaus wohnen, werden sie Eli unweigerlich begegnen.

Einen Hinweis auf das Geheimnis zwischen den beiden Freunden gibt die Reaktion von Yotam auf den Anruf von Eli – sie hatten sich vor Jahren schon aus den Augen verloren – , so berichtet es Iris.

Stärker ist das Bild des Sees am Fuße eines Wasserfalls. Sicher, das ist ein beliebtes Filmsujet, zwei Menschen die sich lieben, in einem Wasser. Da will Eli nach der Wiederbegegnung unbedingt hin. Und Yotam kann nicht nein sagen. Ein Ereignis dort gibt der Geschichte einen unerwartete dramatische Wendung.

Aber die drei Menschen sind miteinander befasst und Ereignisse, neue Situationen und Gespräche fördern manch Geheimnis an den Tag.

Sultanas Traum – El sueno de las Sultana

Feministisch-essayistische Agit-Prop-Animation

Ines ist in diesem spanisch-deutschen Animations-Film die Hauptfigur, die mit sich und ihrem Frausein hadert und sich auf die Suche macht nach Indien und über Paris und Rom nach Bangladesh.

Am meisten beeindruckt sie in diesem Bildgewirke von Isabel Herguera, die mit Gianmarco Serra auch das Drehbuch geschrieben hat, die Geschichte der Feministin Rokeya Hussain aus Bangladesh, deren Grab sie später mit einer Englischlehrerin auch besuchen wird. Schon in Indien erfährt sie vom attraktiven Amir davon.

In der Welt der bengalischen Autorin herrscht das Matriarchat. Die Männer sind weggesperrt. Die Frauen haben mit List ihre Herrschaft errungen, indem sie die Männer mit einem irre sirrenden Ton in die Flucht getrieben haben, wie die mit ihrer üblichen physischen Gewalt drohten.

Das ist das Ausgangsbild des Filmes, eine Urangst einer Frau vor den Männern. Die Protagonistin sitzt in Madrid in einem Park. Allein. Ein Mann, ein Fremder, mustert sie mit unguten Blicken.

Der Inder Amir allerdings versucht auch, sie zu verführen mit dem Argument, ein Leben ohne Liebe gehabt zu haben, sei gar nichts. Sie werden in Kontakt bleiben über Social Media.

Der Film spielt heute. Man kann Bilder teilen, auch solche von Elefanten. Diese werden als glorioses Beispiel für das Matriarchat vorgestellt. Sie spielen auch in einem in Rom gedrehten Film eine Rolle. Denn der Vater von Ines ist Filmregisseur, während die Mutter bereits ein Pflegefall im Rollstuhl ist.

Der Film ist thematisch etwas sprunghaft, ästhetisch erinnert er an Tapisserien, vom Potpourrihaften des Themas könnte er vielleicht in der Nähe des Filmes Feminism WTF gesehen werden als eine feminismusphilosophische Collage.

Diskutiert wird auch das Leben der Witwen in Vrindavan, die ihr Leben Krishna weihen, was auch nicht dem Traum von Ines entspricht.

Stimmen vom Feuer (BR, Mittwoch, 6. März, 2024, 22.45 Uhr)

„Obwohl die Sklaverei weltweit abgeschafft ist, werden jedes Jahr schätzungsweise 40 Millionen Menschen Opfer des modernen Menschenhandels.
Von diesen 40 Millionen Fällen wird nur ein Bruchteil bemerkt. 2020 wurden weltweit nur 48.000 Opfer entdeckt. 70 % davon weiblich. Über 50 % waren in sexuelle Ausbeutung gefangen. Über 30 % der Opfer waren Kinder.
Der Rest der 40 Millionen Opfer blieb ohne Gesicht und Stimme. Ihre Geschichten sind unbekannt.“

Die Welt der Frauen retten,

das wollen wohl BR-Redakteurin Clauia Gladziejewski und Dokumentaristin Helen Simon mit diesem Film. Sie wollen den 40 Millionen Opfern ohne Gesicht und Stimme zur Vernehmlichkeit verhelfen. Sie wollen auffordern zum Handeln. „Hütet das Feuer. Treibt die Flammen an. Es ist höchste Zeit, all dies Leid zu beenden und die Dunkelheit in Licht zu verwandeln.“ – so heißt es im Film.

Was also macht dieser Film, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen?

Er bedient sich bei der beim TV präferierten Verzopfmanier verschiedener Erzählstränge. Einer davon besteht aus zwei Aktivistinnen und Medienprofis, die auf dem internationalen Aktivismus-Parkett – luxuriöse Hotels, feine Tagungsräume – gekonnt von ihren Erlebnissen als Ex-Prostitutierte erzählen. Schauderliche Dinge sind es, die sie erlebt haben und die in dieser Umgebung noch gruseliger wirken.

Ein weiterer Zopf treibt sich privat-tv-haft im Prostituiertenmilieu in Prag herum. Die Ausbeute ist im Rahmen des Erwartbaren üblicher Schaudergeschichten.

Der dritte Zopf springt auf den Zug des internationalen Doku-Jetsets auf mit Titeln wie: Provinz Gauten, Südafrika, Provinz Chaing Mai, Thailand oder Provinz Manitoba, Kanada. Hier wirkt die Doku am Diffusesten mit einem Chor von nicht grad super „nachgestellten“ Frauenstimmen nicht identifizierbarer Herkunft und mit weiteren Scheusslichkeiten aus anonymen Leben.

Zweifel bleiben, ob mit so einem Film auch nur ein Frauenleben gerettet, auch nur eine Frau zur Emanzipation animiert werden kann und insofern stellt sich die Frage nach der Sinnigkeit der Finanzierung so einer Produktion durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Finanzierung wiederum an mir als Zwangsgebührenzahler hängen bleibt.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!