Die Haut der Anderen

Gestörte Sexualität.

In knappen, ballastbefreiten Szenenskizzen präsentiert Thomas Stiller in intellektualistischer Manier modern kaputte In-Menschen und Paarungen aus dem deutschen Kulturbereich.

Marc Deville (Oliver Mommsen) ist Erfolgsautor und Masturbator (holt sich 25 mal täglich einen runter und sei ein mittelmäßiger Schriftsteller in seiner eigenen Diktion). Seine Sexpartnerinnen erträgt er nur über Bildschirmkontakt, sei es über Internet oder dass seine Verehrerinnen, die er auch mal bei einer Lesung aufliest, im Hotelzimmer nebenan sich ausziehen müssen, was er sich per Kamera auf einen Bildschirm in sein Zimmer daneben übertragen lässt; dabei befriedigt er sich selber, rubbelt sich blutig.

Hautkontakt und Hautnähe erträgt er nicht. In seine eigene Wohnung lässt er außer Handwerkern niemanden rein, meint sein Verleger und Lektor. Seine Bücher, das zeigt ein Ausschnitt aus einer Lesung, strotzen vor schleimig-glitschiger, sexualisiserter Provokationsprosa, so dass er es gewohnt ist, dass Zuhörer den Raum verlassen.

Justine (Isabel Thierauch) ist von ihm und seinem Buch „Fleischpfade“ fasziniert. Sie ist elitär mit dem Theaterregisseur und Brutalo (und Imker) Eric (Torsten Michaelis) verheiratet. Ihre Sex-Beziehung beinhaltet Schläge von ihm, Gewalt, gar eine Plastiktüte über den Kopf. Ihr Körper ist mit Blutergüssen übersät.

Justine arbeitet in einer Klinik. Im Garten ihres Bungalows steht ein Stadel. Der ist eingerichtet wie ein morbides Museum für Jagdtrophäen, wobei es sich eher um Fundstücke handelt. Mittendrin ein Ledersessel, auf dem sie sich befriedigt, wenn ihr Mann auf Theaterprobe ist. Ein besonders guter Regisseur scheint er nicht zu sein, wie Probenausschnitte zeigen. Romeo und Julia ist bei ihm auf die erwachende Sexualität reduziert.

Wie auf einem Präsentierteller serviert Stiller fein-säuberlich herausfilettiert die Sex-Verhaltensweisen dieser deutschen Elitemenschen. Und wie die Modelle doch in Frage gestellt werden durch die fühlige Justine, die sich als Fremdgängerin bei Marc nicht mit dem Zimmer nebenan zufrieden geben will. Wobei sich, wenig verwunderlich, das Durchbrechen des Sexverhaltensmusters durch Justine auf den nächsten Roman, den Marc dringend abliefern soll, so auswirkt, dass der Lektor wenig begeistert ist, es sei so wie Fifty-Shades of Grey, Mist, aber es würde sich gut verkaufen.

Treffendes Kunstsymbol, das Marc in sein Schlafzimmer stellt: eine mannshohe Streichholzfigur, die aussieht wie ein verkohlter Giacometti.

6 Gedanken zu „Die Haut der Anderen“

  1. Wie explizit ist die Nacktheit überhaupt? Es heißt, Marc masturbiert den ganzen Tag, wir sehen seinen erigierten Penis nicht wirklich oder?

    Aber der Grund, warum ich schreibe, ich mag Pierre Kiwitt, aber es gibt nichts im Netz über seine Rolle, nur sein Charaktername, Roger, welche Rolle spielt er, er wird in irgendeiner Weise mit weiblicher Hauptfigur beteiligt?

    Marion

  2. Vielen Dank, Marion Steinhoevel, für Ihr Feedback.
    Masturbieren impliziert nicht zwingend Nacktheit. Hier jedenfalls ist davon nichts zu sehen.

    Gute Frage, was der Pierre Kiwitt für eine Rolle gespielt hat. Am besten fragen Sie ihn selber, der hat eine Website mit einer Kontaktadresse, auf der ist der Film allerdings gar nicht erst verzeichnet. Bei IMDb taucht Kiwitt als „Roger“ auf. Mir ist allerdings nicht erinnerlich, dass im Film eine Figur mit „Roger“ angesprochen oder vorgestellt worden wäre.

  3. Ich fragte ihn, aber er sagte nur, dass er eine Figur namens Roger spielt, toll

    seltsam, wenn ich jemanden frage, mir etwas über ihre Rolle zu erzählen, raten sie nur, den Film zu sehen, ist es verboten darüber zu sprechen, müssen sie irgendeine Art von Geheimhaltungsverpflichtung unterzeichnen?

    Ich bin überrascht, dass es im Internet nicht viel über den Film gibt, vor allem mit Oliver Mommsen in der Hauptrolle, uzu denken, was für eine skandalöse Geschichte sie gekocht haben, als er nackt im Tatort erschien und man konnte kaum etwas sehen, aber hier klingt es, als wäre er in jeder zweiten Szene nackt

    Ist das wieder erfunden, um das Publikum zu verführen, oder hat er gute Nacktszene(n)?

    und als ich die offizielle Seite über die Veröffentlichung des Films auf DVD fragte, sagten sie, dass es wahrscheinlich nie veröffentlicht wird, frage ich mich, warum überhaupt einen Film machen?

  4. Liebe Frau Steinhoevels, das sind wirklich merkwürdige Erfahrungen, die Sie da machen, das dürfte eigentlich nicht sein.
    Ich nehme an, Sie haben hier nachgefragt, also bei „Kontakt“ der Filmwebsite. Ich verstehe die Reaktion auch nicht ganz. Da machen die einen Film mit öffentlichen Geldern, tun auch so, als ob sie Erfolg wollen, und wenn der sich nicht einstellt, weil der Film vielleicht nicht so ganz die Erwartungen erfüllt, weil offenbar auch die Kritik sich kaum dafür interessiert, dann verkriechen die sich: Das wiederum passt ganz gut zur deutschen Filmkultur: Öffentliche Gelder greifen, wo immer es geht, aber ja nicht in eine Auseinandersetzung treten. Siehe auch meinen Kommentar zum Deutschen Filmpreis, der heute um elf Uhr online geht.

    Fragen Sie nochmal nach! Die Produzenten sollten Ihnen wenigstens die Adressen der beteiligten Fernsehsender und die Namen der verantwortlichen Redakteure bekannt geben können und auch diejenigen allfälliger Filmförderer, bei denen sie Ihre Nachfragen berechtigterweise als Steuer- und Zwangsrundfunkgebührbezahlerin mit Nachdruck vorbringen können und die Ihnen meiner Ansicht nach Auskunft schulden. Vielleicht leitet die Produktion Ihren Wunsch nach einer DVD auch an den Regisseur weiter. Der könnte doch bestimmt für Sie – die Sie gezwungenermaßen Mitfinanziererin des Filmes sind – eine Kopie ziehen und diese Ihnen zukommen lassen.

  5. Ein paar Erklärungen. Zum einen ist der Film komplett selbst finanziert. Zum anderen spielt Pierre Kiwitt eine sehr kleine Rolle – wirklich eine Nebenrolle. Er spielt einen jungen Mann, der die Freundin der Hauptdarstellerin zu einer erotischen Lesung einlädt. Und was die Sexszenen angeht – der Film ist FSK 16 und das erklärt vieles. Grüße vom Regisseur

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