Downsizing

Vietnamesische Bibel und Liebesfuck.

Dieser Film von Alexander Payne (Nebraska, The Descendants – Familien- und andere Angelegenheiten), der mit Jim Taylor auch das Buch geschrieben hat, fängt den Zuschauer vom ersten Moment an ein mit breitem, erzählerischem Passgang, der das beruhigende Gefühl eines Rittes auf einem Kamel durch die Wüste vermittelt; wobei es dem Zuschauer überlassen bleibt, an eine Fata Morgana zu glauben oder nicht.

Denn die Geschichte, die er erzählt, und die das Problem der Überbevölkerung auf der Erde zu lösen verspricht, ist schier unglaublich, ja wenn man sie realistisch nachvollziehen wollte, reiner Unsinn.

Aber das ist Paynes Erzähltrick, dass er sie so vorträgt, dass sie absolut glaubwürdig rüberkommt, das hängt mit ausgiebig geschilderten Details zusammen. So präsentiert der Forscher aus Norwegen an einer Konferenz die Erfolge seiner Forschungen, die zum Ziel haben, den Menschen mit einem besonderen Verfahren auf Däumlingsgröße schrumpfen zu lassen; das würde die Umweltschäden, die die Menschen anrichten, auf ein Minimum reduzieren.

Ein plausible Erklärung. Denn das Problem ist dringend. Und man nimmt es den Filmemachern ab, dass das Experiment gelungen ist, wenn Dr. Andreas Jacobsen (Soren Pilmark) bei einem Kongress in Istanbul in einer besonderen Umhüllung ein erstes Forschungsergebnis präsentiert. Auch wie der Kongress darauf reagiert, das ist alles realistisch und untermauert den Wahrheitgehalt des Forscherwunders.

Längst hat sich der Zuschauer im Kinositz eingesessen und wundert sich selbst, wie es nun weitergehen soll. An der Stelle führt der Film den Prototypen des Jedermanns ein, Matt Damon als Paul Safranek. Der ist ein durchschnittlicher junger Mann, ist verheiratet mit Audrey (Kristen Wiig). Die Miete drückt. Sie suchen ein neues Haus. Und sie hören von der Leisure-Town, denn der norwegische Schrumpfversuch ist inzwischen in der Praxis angekommen; Nebenwirkungen haben sich keine eingestellt.

Die gekleinten Menschen in der Musterstadt leben dort wie Könige, alles ist billig aus einsichtigen Gründen. Paul und Audrey lassen sich überzeugen. Auch das schildert der Film mit so vielen konkreten Details und teils auch mit der schieren Masse von Menschen, die in den Prozess eingebunden sind, dass er eine dichte Glaubwürdigkeit zu entwerfen im Stande ist.

Und gerade menschliche Unzulänglichkeiten erhöhen diese Glaubwürdigkeit noch. Denn es passiert ein Malheur bei dieser gemeinsam entschiedenen und notariell beglaubigten Schrumpfung von Paul und Audrey. So dass der Film sich mit Paul was anderes einfallen lassen muss, als nur das erwartete Paarglück von ihm und Audrey im Luxus zu schildern, im Schlaraffenland.

Statt Luxusglück schleicht sich eine heilsgeschichtliche Wendung ein, die den Wüstenwanderer auf dem Kamel staunen lässt, gar Vietnamaufarbeitung in heftiger Manier mit Hong Chau als Ngoc Lan Tran, die sich ihr Terrain energievoll erobert und in Matt Damon den Mutter-Theresa-Impuls auslöst.

Der Film driftet weiter, wird noch das Exodus-Thema im norwegischen Fjord einführen, und auch anstandslos filmen, inklusive eines Abschiedes mit einer vietnamesischen Bibel unterm Arm; und da Matt Damon die Hauptrolle spielt, wird ihm noch ein religiöser Gewissenskonflikt und der Ansatz zu einer menschheitsrettenden Heldentat als Zückerchen ins Finale geschrieben, was bliebe von ihm sonst noch übrig.

Dazu hat Christoph Waltz Spaß am Dreh in vielen Szenen als Knallcharge und Serbe Dusan. In der Geschichte ist er der Knorpel zwischen Däumlingsglückland Leisure-Land und dem Exodus in Norwegen. Dass sie vorhersehbar sei, kann man dieser Geschichte garantiert nicht vorwerfen, dass sie aus einem industriellen Schreibatelier kommt, genauso wenig.

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