Wenn ich es oft genug sage, wird es wahr

Belgisch-christlich-abendländisch-schwarz-weißer Absurdismus zwischen Muttermund, Mutterbrust, Krebs, Tod und den strukturellen Defiziten eines Mannes, der sich als ein Christus sieht. Existenzkracher.

Er heißt auch noch ‚Mann‘, Michel Mann (Jean-Jacques Rausin). Die Mutter glaubte, im Ultraschall ein Mädchen erkannt zu haben und hat deshalb das Bubenzimmer in Rosa streichen lachsen. Der Bub, der inzwischen ein langhaariger, christushaft aussehender Mann ist, korrigiert die Mutter: Lachs, lachsfarben.

Michel gerät in der Welt, in der Zeit und im Drehbuch und der Regie von Xavier Seron in lauter Situationen, die ihm Chancen zum Leiden, zum Zweifeln an der Welt oder Anlass auf Krebs-Verdacht geben, ein großes Thema, immer wieder muss er und müssen andere seine Brust betasten. Ist hier ein Knoten, ist eine Verhärtung? Wirklich nur ein Lipom?

Was soll dieses Leben, das so absurd zustande gekommen ist? Es würde Michel nicht geben, wenn Mutter Sodomie gemocht hätte. Aber weil sie die Sodomie nicht mochte, deswegen gibt es jetzt Michel, eine hinrissige Sinngebung für ein planloses Leben als Verkäufer in einem Elektrosupermarkt. Das Leben, eine nicht ausgesuchte Existenz als Spielball der Ansprüche von Brust und Mutterbrust, ein Sein zwischen Zeugen und Säugen, ein Geburts-, Krebs- und Todesgewurle?

Es sind die Grundfragen von Sinn und Ziel des Lebens, die Michel umtreiben. Viel wirft das für eine Story nicht ab. Mal eine kleine Shownummer vor Elektrogeräten mit Kollegen – die wirken alle heillos deplaziert (und insofern komisch), Transport und Anlieferung eines voluminösen Elektrohaushaltgerätes im unpassensten Moment: Kunde ist gerade mit Trauernden um einen Sarg versammelt, kochen im Haus der Mutter mit vielen Katzen.

Die Mutter (Myriam Boyer) soll aus ihrer Wohnung raus. Die Zustände im Altenheim sind bei der Besichtigung desaströs (siehe den auch heute startenden, ebenfalls belgischen Film Rusty Boys. Nicht der Lärm würde die Alten stören, die seien alle halb taub, sondern der Staub.

Mit so einem Menschen, der gerne in lockerer Unterhose in der Idee eines Christus-Lendenschurzes und Unterhemd Zeit verbringt, ist wohl nicht gut zusammenleben. Freundin Aurélie (Fanny Touron) verlässt ihn für den wiederaufgetauchten Eric (Benjamin Le Souef). Das führt zu einer kämpferischen Nackt-Rivalen-Szene beim Aktzeichnen.

Katzen sind wichtig in diesen Leben – vielleicht, weil Katzen so viele Leben zugeschrieben werden? Maschinen sind wichtig, die sich drehen, Waschmaschine, Hamsterrad oder Heimtrainer. Vor einer Waschmaschine kann man sitzen wie vorm Fernseher.

Der Film ist in rückwärts nummerierte Kapitel unterteilt, die die zweifelnde und grimmige, weltzweiflerische Haltung zu diesem ungewünschten, ungewollten Leben deutlich ausdrückt von „Müttern, Sterblichen, Säugetieren“, „Blut fließt in Strömen“ bis zu „Brust in Frieden“ statt Ruhe in Frieden. Christus der Leidensmann. Wunder sind in seiner Nähe nicht fern. Mutter hatte Krebs. Und dann suchen die Ärzte diesen vergeblich – die Katzen seien schuld, aber alle Katzen sterben und Sokrates ist tot, also ist auch Sokrates eine Katze, so die Überschrift von Kapitel 2.

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