Ferdinand: Geht STIERisch ab!

Am Schluss kommt die Figur Ferdinand der Stier, der nicht kämpfen will, großartig und anrührend zur Geltung. Er, der majestätisch Gewachsene mit dem kindlichen Gemüt soll in der randvollen Stierkampfarena von Madrid vom Starmatador Ronaldo besiegt werden und will nicht kämpfen. Das ist die Essenz und gleichsam die Geschichte selbst.

Zeitlos schöne zeichnerische Stilisierungen sind das im Film von Carlos Saldanha nach dem Buch von Munro Leaf und Robert Lawson + 6, der spindeldürre, elegante Matador und der wuchtig geformte Stier, Tierdesign vom Edelsten, von künstlerischer Eindrücklichkeit.

Wie Ferdinand erst zögert in diesem ihm aufgezwungenen Kampf, wie er Publikum und Matador irritiert, indem er erst gar nicht in die Arena tritt, dann gemütlich, als ob er auf einen Kaffee verabredet sei, wie er im Laufe des von anderen Reitern angestachelten Kampfes den Spieß umdreht und mit dem roten Tuch an einem Horn den Matador auf sich zulaufen lässt und wie er eine Blume auf dem Boden der Arena entdeckt und dadurch in seiner gewaltfreien Haltung bestärkt wird – die Blume wird anfangs des Filmes in amerikanischer Filmsorgfalt schön eingeführt, die Blumen überhaupt. Das hat Klasse. Das vereinnahmt und bleibt im Gedächtnis haften.

Genau so gekonnt allerdings liefert der Film auf dem Weg zu diesem offiziellen Eröffnen des Blickes in die Seele des friedlichen Stieres, die ja nicht abendfüllend ist, jede Menge Albernheiten und Gags, die die Zeit füllen mit Themen und Einfällen, die nicht unbedingt der Geschichte dienlich sind, die lediglich der Unterhaltung im Sinne eines erhofften Ablachens geschuldet sind.

Wobei die Szene im Porzellanladen Ferdinand als höchst rücksichtsvolles Wesen darstellt. Aber die Szene mit der Frau, die mit Ferdinands Schwanzende Geschirr abstaubt, da sind althergebrachte Situationen, die in jeder Filmklamotte funktionieren. Oder wenn der Stier zwischen Ballons ein Verwirrspiel mit einem Säugling treibt. Es purzeln die Einfälle oft mehr im Sinne, was lässt sich mit einem Stier auf einem Wochenmarkt, in einer Küche, in einem Porzellanladen, in einem industriellen Schlachthof alles anstellen, was lässt sich mit einem Auto, das von Tieren gefahren wird, alles an Unfällen und Verfolgungsjagden inszenieren, was mit Tieren, die im Stau in Madrid stecken. Was lässt sich mit drei Igelfigürchen alles anstellen, was mit drei albernen Stuten aus Wien.

Der Film stellt Ferdinand als Baby-Stier vor. Er ist auf der Casa del Torro mit anderen Jungstieren, deren Väter schon zum Kämpfen weggeholt werden. Jung-Ferdinand ist mit einem Gesicht ausgestattet, das Sympathie kreieren soll, mehr Bambi oder Schweinchen als Stier. Das verschenkt allerdings einen ästhetischen Gegensatz, den zwischen Poesie, Blumenwiesen, Pazifismus einerseits und Stiergesicht, Stierkampf, Kämpfertum andererseit; das macht die Sache süßlich, verschummelt den Widerspruch zwischen Vorurteil und Haltung.

Die Geschichte geht so, dass Ferdinand aus der Casa del Torro abhaut, auf dem Land bei Juan und seiner Tochter Nina unterkommt. Aus Neugier geht er zum Blumenfest in die Stadt. Dort sticht ihn eine Biene in den Po. Dadurch wird er ausfällig und fliegt auf als ungewöhnlicher Kampfstier, wird zur Casa del Torro zurückgebracht und für den Kampf ausgewählt. Diese knappe Handlung ist umrahmt und eingebettet in eine Fülle von Kinderquatsch und Konfektions-Alberngags.

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