Impreza – Das Fest (Berlinale)

Mitten in den europäischen Schmerz.

Es geht um grundsätzlich Demokratisch-Europäisches. Hof hat den Film nicht genommen – das ist unverzeihlich. Jetzt an der Berlinale: der HFF-Abschlussfilm von Alexandra Wesolowski.

Die Filmemacherin hat ihre Tante Danuta in Warschau besucht, die sich anschickt mit ihrem Mann Maciej die goldene Hochzeit zu feiern. Die beiden sind 50 Jahre verheiratet. Eheschließung 1966 tief im Kommunismus. Es sind gebildete Leute. Die Berufe haben sie hinter sich gelassen, darum spielen diese keine Rolle mehr.

Sie wohnen stilvoll, mehr als nur bürgerlich in einer vornehm eingerichteten Villa. An den Wänden großformatige Ölgemälde, auch Danuta als junge Frau. Sie spielt meisterlich Klavier. Die Figurine einer Balletttänzerin erzählt von mindestens einem Faible für diese Kunst.

Danuta ist eine resolute, höchst gepflegte Dame. Nicht vorstellbar, dass sie, ohne sich hergerichtet zu haben, aus dem Haus gehen würde. Sie übt als strenge Regisseurin mit dem Enkel den Begrüßungstext für die Gäste. Damit fängt der Film an.

Die Vorbereitungen für das Fest, zu dem auch eine kirchliche Feier gehört, sind der äußere Plot dieses Dokumentarfilmes; soweit handelt es sich vorerst um eine reine Privatangelegenheit. Die europäische Dimension meldet sich eruptiv in heftigen Diskussionen mit der informierten und engagierten polnischen Verwandtschaft. Alexandra ist bundesrepublikanisch sozialisiert, spricht fließend polnisch und hat ihre liebe Mühe mit den rechtslastigen Ansichten ihrer Verwandten.

Dabei offenbart sich ein unerwartet politisches Bewusstsein der Polen, andererseits ein abgrundtiefer Skeptizismus allem linken Gedankengut gegenüber, das dem Ideologieverdacht ausgesetzt ist wegen der Schnittmenge zum leidvoll Jahrzehnte lang erlebten, unterdrückerischen Kommunismus. Gleichzeitig wird eingeschränkt, man reagiere vielleicht naiv, intuitiv und sowieso mit einem natürlichen Reflex gegen alles von Außen, was einem Vorschriften machen möchte wie die EU.

Gerade in der kommunistischen Zeit wurde in der heute rechts sich verordnenden Schicht die politische (private) Diskussion gepflegt – und Danuta meint, da war man wengistens einer Meinung.

Es wird aber auch die Angst vor der europäischen Verordnungswut spürbar (Sexunterricht im Kindergarten? Genderthema). Auf den Einwand gegen den Euroskeptizismus, Polen profitiere doch finanziell von der EU, kommt stracks zurück, ohne zu überlegen und wohlformuliert, dass die französischen Bauern doch mehr EU-Subventionen erhalten würden als die polnischen.

Als eingefleischter Westeuropäer muss man sich bei diesem Film an der eignen Nase nehmen, ob wir uns, bloß weil wir wirtschaftlich und lebensstandardmäßig erfolgreicher sind, hochnäsig aufführen und ob wirtschaftlicher Erfolg wirklich das einzige Kriterium für die Wertigkeit und Wertschätzung eines anderen Landes darstellen darf.

Denn es kommt auch der Vorwurf, dass gegen die jetzige polnische Regierung sofort ein Aufschrei durch Europa gehe wegen verfassungsrechtlicher Fragen, während bei den früheren, linken Regierungen die EU die dort herrschende Korruption mit Stillschweigen quittiert habe.

Der Film sollte Pflichtprogramm werden für jeden Politiker, der seinen Mund zum Thema Europa und Polen aufzumachen gedenkt.

Da er gerade mal 75 Minuten lang ist, könnte er im Kino durchaus mit dem deutlich behaglicheren „Death is so permanent“ als Vorfilm gezeigt werden. Der hatte gleichzeitig mit Wesolowskis Film Team-Premiere in München. Es ist der HFF-Abschlussfilm (ca. 25 Minuten) von Moritz S. Binder, der hintersinnig das an der HFF Gelernte zum Thema Filmemachen und Drehbuchschreiben reflektiert anhand eines Fotos, das den Vater des Filmemachers anno 1952 als Knirps mit dem „12-Finger-GI“ auf einem Schwarz-Weiß-Foto zeigt. Dieses soll Dreh- und Angelpunkt für den Film des Studenten werden, damit er diesem voranstellen kann: nach einer wahren Geschichte.

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