The Cleaners

Facebookmüllabfuhr?

Welche Bilder dürfen in den sozialen Netzwerken im Internet gezeigt werden? Sind Bilder von abgeschlagenen Köpfen, wie sie in der christlich-abendländischen Ikonographie (zB das abgeschlagene Haupt von Johannes dem Täufer) selbstverständlich sind, gezeigt werden, beispielsweise ein Opfer des IS mit dem abgehauenen Kopf auf dem Bauch?

Wobei ein vorgeblicher Internet-Zensor aus den Philippinen detailliert erklärt, dass auf diesem Bild der Schneiderand unscharf sei, also dass das Schneidegerät eher stumpf gewesen sein müsse, womit sich die Prozedur des Köpfens bis zu zehn Minuten hinziehen könne.

Guilty Pleasures nennt man solche Bilder im Kino (der Begriff kommt im Film auch vor von einer ehemaligen Müllsammlerin verwendet, aber in anderem Zusammenhang, dazu später) und werden eher in schummrigen Kellerkinos vorgeführt. Im Internet sollen sie entfernt werden.

Diesem Zensurthema widmet sich der Film von Hans Block und Moritz Riesenwieck unter Drehbuchmitwirkung von Georg Tschurtschenthaler. Es ist ein heikles und in der neuen Kulturtechnik von Internet und sozialen Netzwerken noch keineswegs bewältigtes oder standardisiertes oder kanonisiertes Thema.

Die Netzwerke wie Facebook, Google, Youtube stehen unter Beschuss und Rechtfertigungszwang. Archivfootage aus Hearings vorm amerikanischen Kongress in 2006 und 2017 belegt das. Der Facebookvertreter behauptet, seine Firma hätte Tausende von Mitarbeitern, die mit dem Entfernen von unerwünschten Inhalten beschäftigt seien.

Wer das wo, wie und unter welchen Bedingungen tue, das aufzudecken, behauptet dieser Film nun konspirativ-reißerisch.

In Manila sei er fündig geworden. Ehemalige Mitarbeiter erzählen in einem leerstehenden Bürogebäude von diesem Job, der manche in den Selbstmord treibe. Sie erzählen in die Kamera oder werden nur mit Texten zitiert. Sie erzählen von Verschwiegenheitsklauseln, wie viele Bilder sie pro Tag durchschauen müssen, vom „guilty pleasure“ (den Begriff benutzt hier ein Mädchen, das vorher im Müll gewühlt hat – hat sie den Begriff vielleicht auf dem Müllberg gefunden?), in einem Pornoshop Dinge kennengelernt und angeschaut zu haben, die bei Facebook nichts zu suchen hätten.

Der Running-Beweis-Gag des Filmes lautet „Delete – delete – ignore – delete – ignore…“ . Graphische Spielereien mit den Lichtern einer hell erleuchteten Stadt, die gen Himmel steigen, sollen Plausibilität suggerieren.

In der Machart handelt es sich um Sensationsjournalismus, der sein Geschäft mit dem Grauen macht, indem er sich darüber entsetzt, dieses aber gleichzeitg abbildet. Zum Beispiel der unglaubliche Zufall über das Bild eines toten Kindes, Kriegsopfer, das in einem Wasser liegt. Der Kopf wird auch im Film erkennbar gezeigt. Gleichzeitig behauptet der Film aber, so etwas gehöre sich nicht.

Dann zeigt der Film den Fotografen, wie er den Kopf aus dem Bild wegkratzt. Zudem hat dieser vorgebliche Doku in Manila just den Mitarbeiter ausfindig gemacht, der das Bild aus dem Internet aus Gründen des Anstandes entfernt habe. Ein ziemlicher Zufall bei der großen Anzahl Bilder, die die zensieren müssen und bei den vorgeblich Tausenden von Mitarbeitern.

Das größte Glaubwürdigkeitsproblem schafft sich der Film dadurch, dass er nicht einmal, wie es der berühmte Dokumentarist Moore wohl gemacht hätte, erst versucht bei dieser geheimen Institution in Manila anzuklopfen, dass er nicht versucht, bei Facebook zu recherchieren, wo denn die Tausenden von Mitarbeitern, die unerwünschten Content entfernen, sitzen, dass er nicht wenigstens die abweisenden Antworten von Facebook oder an der Pforte des ominösen Gebäudes als Beweis für seine Recherchebemühungen bringt. Oder genauso wenig eine allfällige Reaktion von Facebook auf diese Recherche.

Es wirkt so, als gäbe es in diesem Zensurbetrieb nichts Schriftliches, keine Arbeitsverträge, keine Verschwiegenheitsklauseln, nichts, was belegen könnte, dass die vorgeblich ehemaligen Mitarbeiter dort einmal wirklich gearbeitet hätten.

Stattdessen gibt es privates Footage von diesen Leuten, das zum Thema ohne Belang ist und nach Klastschspaltenjouranlismus aussieht. Wobei mir letztlich nicht klar ist, was die Filmemacher mit dem Film bezwecken. Wollten sie sich einen Jux machen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert