Tatort: Ich töte niemand (ARD, Sonntag, 15. April 2018, 20.15 Uhr)

Schlappe für Paula.

Fazit: eine Dominokette von Fällen: Kids begehen eine rechtsradikale Tat. Sie werden verpfiffen und kommen vor Gericht. Als Nachfolgetat und Rache am Verpfeifer gibt es einen Doppelmord. Als Racheakt dafür werden weitere Morde geplant. Dazu ist die Kommissarin noch liebesmäßig mit einen rechtsradikalen Kollegen zugange. Als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, wird das auch noch verhackstückt erzählt. Tatkette wie in der Schweizer Kindergeschichte vom „Joggeli, der die Birnen runterschütteln soll“

Die Kommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) hat (gehabt) ein Verhältnis mit dem Kollegen Frank Leitner (André Hennicke), der offenbar extrem rechter Gesinnung war, alles über Rechtsextremismus und Kriminalfälle mit Ausländern gesammelt hat. Er ist verheiratet mit einer mindestens so rechtsextremen Frau wie der NSU-Patin Zschäpe, mit Gudrun Leitner (Ursula Strauß in einer Rolle, die vermutlich besser als Zschäpe-Sphinx angelegt worden wäre). Diese wiederum ist die Tochter von Theodor Pflüger (Hansjürgen Hürrig), bekannter Verleger rechtsextremer Texte.

Der Kommissarin Paul Ringelhahn fällt das rechtsextreme Milieu ihres Kollegen Frank nicht auf. Das ist hochgradig konstruiert. Das ist eine Pleite für das Image von Ringelhahn.

Die Kinder spielen eine Rolle. Herr Pflüger ist Sponsor/Chef eines Fußballvereins, der sein Vereinsheim in der Nähe hat und das ein rechtes Gesinnungsnest mit der bekannten Mauer des Schweigens ist.

Der Versuch, die Sachverhalte hinter diesem Tatort von Max Färberböck, der mit Catharina Schuchmann auch das viel zu komplizierte Drehbuch geschrieben hat, zu rekonstruieren, scheitert bald an Kleinigkeiten. Was ist mit den Kids? Es gibt im Film drei Kids, die zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt werden. Das ist passiert, weil ein Ausländer, Ahmad (Josef Mohamed), ein Musterstudent aus Libyen, in den alle Frauen verliebt sind, die Jungs bei einer kriminellen Handlung beobachtet und angezeigt hat.

Das weckt den Racheimpuls bei den Rechten, bei Frank, bei Frau Leitner oder bei dessen Vater. Die bringen brutal zwei Verwandte von Ahmad um.

Das ist nicht alles. Wäre so schon Stoff für eine 12-teilige Fernsehserie. Soll aber in einen 90-Minüter und dazu noch fernsehgerecht verhackstückt untergebracht werden.

Mit der Entdeckung der Leichen, die ordentlich nach den Riten des Islam gereinigt und in Tücher verpackt gen Mekka liegend gefunden werden (und warum nicht gleich begraben?), fängt der Film an. Dieser will – wie die Strafverfolger bei der NSU – erst den Verdacht in die Umgebung der Opfer lenken. Eher harmlos im Vergleich zu dem, was über die NSU Morde und den mangelhaften Aufklärungswillen durch den deutschen Staat, bekannt geworden ist, da war Fatih Akin in Aus dem Nichts couragierter.

Da wir in Bayern sind, dürfen auch die Ausländer nicht sauber wegkommen (denn der Islam gehört/gehört nicht … etc.). Ein Verwandter der Ermordeten, Attallah (Nasser Memarzia) beauftragt Verwandte von ihm, zwei junge Männer, darunter Ahmad, den Mord zu rächen (wobei mir nicht klar ist, wie die Polizei davon erfahren hat); mit der Begründung, die aus einem Gespräch mit den Kommissaren herauszuhören ist, dass der Unterschied zwischen dem Islam und uns sei, dass die den Begriff Ehre haben. Was auf einen beabsichtigten Ehrenmord schließen lässt.

So will der BR die Ausgewogenheit des Ausländerthemas garantieren, das dachte sich wohl die verantwortliche Redakteurin Stephanie Heckner – oder vielleicht dachte sie sich gar nichts dabei.

Das Problem bei Max Färberböck ist, dass er ein exzellenter Regisseur ist und auch wie er einzelne Szenen und Dialoge entwirft zusammen mit Catharina Schuchmann ist oft reizvoll und geht weit über die üblichen, platten Fernsehdialoge hinaus.

Schönes Beispiel ist das Gespräch im Auto zwischen Felix und Paula, wie Felix sein Tun in Frage stellt, sich nur in einem schwarzen Loch sieht und dass man immer wieder anfangen müsse. Auch reizvoll, aber vollkommen weltfremd, ist die Befragung des Sportheim-Abwarts durch Felix, seine Begründungen sind intellektuell nicht ohne, aber weder zielführend noch realistisch.

Färberböck versteht es immerhin, seine Schwächen als Drehbuchautor, vor allem, was den Entwurf der Story betrifft, mit erstklassiger Regie und prima Schauspielerführung zu verdecken. Wobei der fränkische Mitarbeiter auf dem Kommissariat immer noch ein überdeutliches und zu langsames Fränkisch spricht, auch wenn er sich leicht gebessert hat. Dass der fränkische Klang mehr Eingang in den Film findet, bekommt ihm gut, mit Entwicklungsspielraum nach oben.

Und das könnte dem Leben abgeguckt sein, wenn Dr. Kaiser (Stefan Merki) an einer Stelle einen Satz seines Mitarbeiters, den er inhaltlich problematisch findet, auf Fränkisch wiederholt.

Dialog-Fragmente:
Sagen Sie mal, brauchen Sie eigentlich einen Staatsanwalt oder können Sie einmal alleine denken?

Ihre Gedanken sind blutig, Herr Attala, und das ist eine Würde, die ich verachte.
Sie schreien nach Rache. Sie opfern diesen jungen Mann.
Etwas, das Sie in diesem Land nicht wirklich verstehen.
Ehre. Sie sind ein Beschuldigter, ein Mittäter und ich werde Sie verhaften.

Wir sind umgeben von kleinen, hasserfüllten Kreaturen, die nicht mal ihr Fressen wert sind.

Ihre Bekanntschaft mit Udo Rasch, Amahi braucht einen Denkzettel und sie soll gesagt haben, wenn schon Denkzettel, dann richtig.
Man muss schon sehr weit runter, um Ihnen zu begegnen.“ (zu Frau Leitner).

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