Steig nicht aus

Josefine, mach den Deckel wieder zu!

Dr. Thomas Bellut, Chef des ZDF, hat seinen Laden vielleicht nicht im Griff, weiß nicht was die Redakteure so treiben, wofür sie das Zwangsgebührengeld ausgeben; sonst hätten sie wohl diesen Film von Christian Alvart, der noch fürs Drehbuch ein Drehbuch von Alberto Marini zur Vorlage hatte, nicht gefördert. Am ZDF zeigen dürfen sie den Film eh nicht bei so viel penetranter Schleichwerbung von Mercedes.

Kirsten Niehaus, Geschäftsführung Filmförderung vom Medienboard Berlin Brandenburg hat ihren Laden vielleicht auch nicht im Griff, dass er diesen mit schlechten Dialogen zugepflasterten Film gefördert hat, bei dem schon vom Drehbuch her klar sein müsste: das kann nicht funktionieren.

(Überdies: diese Art von Action-Film, das können die deutschen Subventionsfilmer einfach nicht; sie sollten besser die Finger davon lassen.)

Karl Bellut (Wotan Wilke Möhring) ist ein Immobilienentwickler und hat offenbar Feinde, von Entmietungen will er nichts wissen. Damit hat er nichts zu tun. Er will nur kurz seine Kinder zum Pablo Neruda Gymnasium (mit diesem Namen hat der Film seinen literaturreferenziellen Höhepunkt bereits erreicht) bringen.

Unterwegs meldet sich an einem Handy im Handschuhfach eine schlecht gecastete Stimme. Die Bedrohunglage ist folgende: unter den Sitzen seines Autos sind Bomben angebracht, die hochgehen, wenn der Sitz verlassen wird. Karl soll viel Geld flüssig machen und auf Konten in Steueroasen überweisen, damit kenne er sich ja aus. Dann würden die Bomben entschärft. Niemand soll etwas davon mitkriegen.

Dass man sich bald schon wünscht, dass die Bomben hochgehen und der Film ein Ende nimmt, liegt an der miserablen Machart, primär schon des Buches. Es schafft es nicht, einen glaubwürdigen Rahmen für die Erpressung zu schaffen.

Die Verfilmung selbst verschießt ihr ganzes Pulver aus allen Rohren bereits in einer vorgelagerten Szene (wobei in Anspann schon wieder zu viele Namen von Mitwirkenden vor und hinter der Kamera angeführt werden, die zum absehbaren Misserfolg dieses Filmes beitragen).

Karl ist im Anflug auf Berlin in einem Flugzeug, das einem Katastrophenfilm entstammen könnte. Der Regisseur Alvart zeigt hier schon, was er unter Action versteht und das zieht er durch den Film durch: Lautstärke bei gleichzeitigem Nuscheln des Hauptdarstellers, fahrige Kamera, Nervosität, hektische Schnitte, Kurzschnittigkeit, Kurzatmigkeit, als wolle der Film in jeder Sekunde laut schreien: ich bin ein Actionstreifen!.

So beraubt der Film sich selbst der Möglichkeit, eine glaubwürdige Basis für die Action herzustellen, er beraubt den Zuschauer der Möglichkeit, die Synapsen für die Spannung zu spinnen. Die Perzeption wird zugedonnert mit pausenlosen, schlecht gearbeiteten Dialogen, die nichts zur Erhellung der Situation beitragen.

Der Schauspieler Möhring kämpft in viel zu vielen Großaufnahmen, macht mit seinem Gesicht, was es hergibt, fleht, weint, schreit und zweimal bietet er sich mit seinen Grimassen für die Hitlerrolle an, nachdem das Auto nebenan explodiert ist und später, nachdem seine Tochter statt zu fliehen auf den Beifahrersitz hechtet.

Alvart hat offenbar zu wenig Ahnung davon, wie filmisches Erzählen funktioniert, welchen Mix aus ruhigen Szenen, welche Montage aus Totalen, Halbnahen, nahen (zu schweigen von der konfusen Kamera) fürs Narrativ hilfreich ist. Da sollte er mal den neuesten Bruce-Willis-Film Death Wish studieren, wie geschickt die Amis mit ihrem Handwerk umgehen. Christian Alvart sollte einen Vergleich der Grundstruktur beider Geschichten als Strafarbeit für diesen schwachen Film bei den Förderern und den Kritikern abliefern.

In Death Wish wird in zwei einführenden Kapiteln die Voraussetzung für den folgenden, spannenden Thriller präzise zubereitet, wird gezeigt wie cool Bruce Willis einmal in seinem blutigen Job als Unfallchirurg ist und wie ebenso cool im Familienleben und wie diese Coolness durch unvorhergesehene Umstände erschüttert wird.

Bei Alvart wir der Protagonist in einer verrumpelten und verquasselten (peinlich schlecht inszenierten) Flugzeugszene vorgestellt als ein unsicherer Kantonist, der von einer Frau mit dämlichen Dialogen angemacht wird. Da ist nichts, was dazu führen könnte, einen Zusammenhang herzustellen, wenn er bald darauf in seinem Wagen mit den zwei Kindern sitzt und erfährt, dass unter den Sitzen Bomben ticken. Es besteht keine spannungserzeugende, gehirnaktivierende Verbindung zur ersten Szene. Er war eh schon unsicher. Wenn er jetzt über sich hinauswachsen würde in der Erpressungssituation. Aber nichts davon. Die Verbindung der beiden Szenen beweist lediglich jämmerlichen Drehbuchdilettantismus, der noch von ZDF und dem Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert worden ist.

Bei Bruce Willis wird anfangs eine intakte, glückliche Familie gezeigt. Diese Glück wird erschüttert. Bei Alvart gibt es ein Familie mit Stress und ohne Zusammenhang: hier gibt es nichts zu erschüttern. Insofern erscheinen für die brüchige Rahmenhandlung die Umarmung von Vater und Tochter an der Spree lediglich formal, nebst schwacher filmischer Umsetzung.

Ein weiteres Beispiel für die pfuschige Inszenierung: das Umfahren des beobachtenden Motorradfahrers.

Verquasselter Thriller. Die Handlung hängt in der Luft. Zuschauer kann keine Beziehung zu den Figuren aufbauen, der Film vermasselt ihm das. Bedrohungslage kommt nicht glaubwürdig rüber. Schnittpfusch: das Polizeiuto „Kampfmittelräumung“ wird zweimal eingeführt. Es fehlt dem Narrativ am Elementarsten. Die Auflösung ist nur noch konfus. Es schimmert immerhin durch, dass der Thriller auf das Thema Wohnungsnot und Immobilienentwicklung aufmerksam machen will.

Außerdem: mit 105 Minuten ist der viel zu lang, kommt einem vor wie fünf Stunden!

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

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