Playing God

Fernsehdokuware.

Er ist kein Idealist, kein Wohltäter, kein Gutmensch, kein Revolutionär, kein Menschenfreund, er ist ein Anwalt in einem Umfeld, in dem von 500 $ pro Stunde gesprochen wird, er residiert in einem protzigen Büropalast in Washington DC, er schaut das Fernsehen ohne Ton und lässt dazu Opernarien spielen, er lebt exzellent davon, dass in Amerika Schadenersatzprozesse lange dauern und zu Irrsinnsentschädigungen führen können.

Es ist der Anwalt Ken Feinberg. Seine Marktlücke sind Schadensfälle, bei denen es um Miliardensummen geht. Hier ist er der wohl prominenteste Anwalt. Er wird von den Schadenszahlern engagiert, von BP im Ölunfall im Golf von Mexiko. Wieviel er dafür verdient hat, erfährt der Zuschauer nicht in dieser mehr auf Mitgefühl mit den Opfern denn auf systematische Information setzenden Dokumentation von Karin Jurschick unter Drehbuchmitarbeit von Birgit Schulz.

Es wird auch nicht ersichtlich, warum der Film, der bestensfalls TV-Kriterien (keine zu langen Szenen, keine zu gründliche Recherche, Verzopfung verschiedener Topoi) erfüllt, ins Kino kommen soll und warum er überhaupt gemacht wurde und zu welchem Behufe. Soll er den Appetit der Europäer auf Steigerung der Entschädigungszahlungen anregen?

Der Film hat eine starke Schlagseite in Richtung Sensationsreportage, indem er ausgiebig Archivmaterial einiger der größten Katastrophen der letzten Jahrzehnte hervorzieht, beginnend mit dem Vietnam-Krieg und Agent Orange über 9/11, Lehmann-Pleite bis hin zu aktuellen Pensionskürzungen in Minnesota.

Dass der Anwalt in einer Topliga spielt, wird ersichtlich mit der Nutzung eines Privatjets. Er selbst beschreibt seinen Job als den, er benutzt zwar das Wort Krämer nicht, eines Zwischenhändlers, der wie im BP-Fall eine ordentliche Milliardensumme an potentielle Kläger ausschütten kann, wenn sie dafür Klage-Verzicht erklären.

In der Katastrophe ist bares Geld dringend nötig und oft weder Geld noch Geduld für langwierige Prozesse mit ungewissem Ausgang da. Das ist sein Deal, wofür BP ihn gewiss fürstlich entlohnt hat. Für die Opfer von 9/11 habe er ohne Honorarforderung gearbeitet. Bei so einem Statement wäre es interessant zu erfahren, ob er das mit der Steuer kompensieren konnte oder ob er eine Unkostenentschädigung erhalten habe.

Im Film kommen viele Opfer von Katastrophen vor. Sie wirken beliebig ausgewählt. Die Filmemacherin durfte sich einige Zeit an die Fersen des Anwalts heften. Mäuschendoku in unausgereifter Art. Wer nur auf diese Idee kommen konnte – und daraus einen Bedröppelfilm zu machen und noch so zu tun, als sei er ein Gutmensch? Der Titel ist irreführend, bloß weil ein Opfer findet, er könne Gott spielen, was eine subjektive Empfindung ist, er hieße besser, Being a Big-Money-Krämer.

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