Jetzt. Nicht.

Die cleane Sterilität und Stereotypie trendigen Lifestyles in Karriere- und privater Lebenswelt und dass darin kein Altern vorgesehen ist und die Komplikationen, die sich daraus ergeben, faszinieren Julia Keller, die mit Janis Mazuch auch das Drehbuch geschrieben hat.

Julia Keller fängt ihren Film sachlich wie einen Themenfilm, einen Problem-, (gar Lebenshilfe-)film über das Altern an mit Statements von Zeitgenossen, Männern, die feststellen, dass sie keine 30 mehr sind.

Auf der Tonspur verkörpert sie diese Welt mit technoharten Schlägen. Die kündigen vom Jobverlust des Protagonisten Walter (Godehard Giese). Der ist im schönen mittleren Alter mit dem kleinen Bauchansatz. Er hat sich komfortabel eingerichtet mit Nicola (Loretta Pflaum). Sie bekommt parallel eine Beförderung.

Die beiden Protagonisten sind ausgezeichnete Darsteller für diese Themenfilmattitüde und als Repräsentanten der absolut geruchlosen Anpassung an Karrierewelt und den trendigen Lebensstil, als würden sie sich ständig in den entsprechenden Magazinen versichern, richtig gekleidet und fisiert zu sein.

Walters Verlust des Arbeitsplatzes im Marketing eines Verlages setzt einen Paukenschlag zum Themenfilm. Überhaupt hat die Regisseurin bereits angedeutet, dass sie durchaus Spaß hat, diese saubere Welt für die Leinwand genüßlich und mit breitem Kinoatem zu zerlegen. Es wirkt so, als sei ihre Erzählhaltung diejenige einer Person, die einen trockenen Witz macht und anschließend mit einem Finger ein Auge etwas nach unten zieht. Das verbläst einen spröden Charme.

Walter ist der neuen Situation nicht gewachsen. Er war fixiert auf sein Fortkommen, hat nicht mit einer Kündigung gerechnet. Er fällt aus allen Wolken. Er benimmt sich bei einem Empfang daneben, geht einen Trostspruchklopfer („das ergibt doch neue Chancen“) körperlich an.

Walter haut ab und wird eine Nacht durchleben mit krassen Regelbrüchen in der Schnittmenge zur Kriminalität und einem nicht von ihm verschuldeten Toten, dessen Identität er vorübergehend annimmt. Er liebäugelt mit den Fantasien des Typen, der ihn im Auto mitgenommen hat. Und es kommt zur Eisbären-Begegnung.

Die Erlebnisse der Nacht, dieses Hinauskatapultiertwerden aus seiner Komfortzone, führen in Walter zu einer Erkenntnis und zu einer Verhaltensveränderung, womit der Film doch eine wichtige Voraussetzung an ein Drehbuch erfüllt. Walter macht eine Katharsis durch.

Die Dialoge sind knappe und zielführend, wie die geleckt-geschniegelte Geschäftswelt sie im Sinne der Aufwandminimierung und der Gewinnmaximierung liebt.

Ganz schön wird der Widerspruch der hier geschilderten Welt sichtbar im Satz eines Bewerbungsgespräches „nur Leidenschaft führt zum Erfolg“ – trockener war im neueren deutschen Kino wohl kaum Leidenschaft ausgesprochen.

Andererseits wirkt der Film selbst wie ein Produkt aus dieser Karrierewelt, in der Eisbären nie weinen müssen.

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