Sommerhäuser

Viel von der ruhigen Stimmung in diesem Film von Sonja Maria Kröner ist der Kamera von Julia Daschner geschuldet. Sie ist rücksichtsvoll. Sie erzählt allein durch ihr Verhalten viel über die Atmosphäre in diesem Stück Garten mitten in einer Stadt in den 70ern, auf welchem drei unterschiedliche Gartenhäuschen stehen und in dem sich eine Familie ohne Familiennamen aber in mehreren Generationen sommers zum Entspannen einfindet.

Die Kamera tut so, als spiele sie Mäuschen, als wolle sie keinesfalls in das Geschehen eingreifen, als wolle sie auf gar keinen Fall stören, sie schummelt sich sozusagen unsichtbar in Lücken des Geschehens. Nie greift sie in die Handlung ein. Sie stellt sich auf Positionen, in denen sie niemandem im Wege ist. So kommt sie oft hinter die Protagonisten zu stehen, schaut ihnen zu, wie sie einen Nagel in die Wand schlagen, in der Hollywoodschaukel sitzen, eine Sammlung von kleingerahmten Fotos anschauen oder etwas mit der Elektrizität basteln. Denn ein Blitzeinschlag hat für Störungen gesorgt.

Auch ist Oma gestorben. Ihr Kleiderschrank muss ausgeräumt werden. Die Kinder haben Baumhäuser und in der Nachbarschaft wurde in Kind entführt.

In den besten Momenten erinnern die Bilder an Theateraufführungen von Tschechow. Die Menschen liegen relaxed auf Gartenmöbeln. Der Text kommt ungezwungen. Er könnte der Text eines Stückes sein. Das ist eines der Verdienste der Regisseurin, die mit zu dieser Sommeratmosphäre beitragen, dass sie die Akteure zu ruhigem, sachlichem Sprechen anhält.

Wodurch ein privatistischer Eindruck entsteht. Was allerdings auch das große Manko der liebevollen Detailarbeit an einzelnen Szenen deutlich macht, die sich gerne um 70er Jahre Requisiten herum kondensieren: das Fehlen einer Geschichte, der Grund, weshalb es sich lohnen würde, den Film zu sehen, der Grund, warum man den Film sogar unbedingt sehen müsste – der fehlt.

Der Film bleibt im Reminiszenten hängen, durch und durch, es wirkt, als habe die Regisseurin vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen und vor lauter Alltagsbewältigungstexten die Herausarbeitung einer inhaltlichen These glatt übersehen.

Das wird an deutlichen Drehbuchmängeln sichtbar. Da sind Sätze drin, die sind zwar alltagsnötig, bringen aber eine Geschichte normalerweise nie weiter, es sei denn, man hängt im Fernsehrealismus fest. Sätze wie.:
Vorsicht, Vorsicht!
Was soll ich denn machen, die ist doch schon tot, da kann ich nicht viel machen.
Polly, was machst du da, lass doch die arme Frau Fischer in Ruhe.
Seit wann trägst Du Lippenstift?
Aber ich habe Ihnen noch gar keinen Kuchen angeboten.
Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.
Wenn der Opa den Sack nicht fallen gelassen hätte.
Ihr geht da nicht mehr drüber, solange kein Geländer dran ist.
Meint der wirklich, das reicht für so viele Leute?

Solche Sätze habe generell keine storybildende Funktion, noch wirken sie storyfördernd, storyvorantreibend, sie bleiben lediglich Nacherfindung, die womöglich aus Unschärfe der Erinnerung oder Beobachtung entstanden ist, um Erinnerungslücken zu überbrücken, die dann mit diesen hypothetischen alltagspraktischen Sätzen gefüllt werden, was ‚man‘ eben in der oder jener Situation sagen würde. Ein krasses Missverständnis von Storytelling und Creative Writing.

Aber der hochkulturelle Mensch wird begeistert sein, denn der Titel lässt diese Saite anklingen mit der Assoziation zu Gorkis Sommergästen.

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