Kommentar zu den Reviews vom 19. Oktober 2017

In allem ist Kunst: sogar in der cineastischen Darstellung der ägyptischen Revolution, ein umgänglicher Weltstargeiger, elitäre Kunst, die sich in Stockholm im eigenen Anspruch verhaspelt, Kunst spielt auch im norwegischen Serienkillerkrimi eine kleine Rolle, Kunst auch im Tennis und der Provokation drumherum; schließlich aus Deutschland Möchtegernkinokunst, die misslingt. Auf DVD ein Roadmovie mit Kid durch Japan, eine prominente Mischehe im Aserbeidschan des ersten Weltkrieges und der Weg einer russischen Tänzerin vom klassischen Ballet zum Modern Dance.

Kino
CLASH
Muslimbrüder furzen nicht.

DANIEL HOPE – DER KLANG DES LEBENS
Kaum zu glauben: keine Allüren und trotzdem Weltstar in den Konzertsälen.

THE SQUARE
Die Quadratur des Moralanspruches der Kunst.

SCHNEEMANN
lässt frösteln.

BORG/MCENROE
So spannend kann Tennis im Kino sein trotz patriotisch-pathetischem Finale.

ES WAR EINMAL INDIANERLAND
Wenn Indianer drauf steht, so taucht auch Indianer auf – zuverlässig deutsch.

DVD
KIKUJIROS SOMMER
Takeshi Kitano auf Roadtrip mit Kid durch Japan – zwischen Poesie und Gewalt.

ALI & NINO
Großes, episches Kino: Liebesgeschichte vor katastrophal-politischen Hintergrund.

POLINA
Vom Bolschoi-Traum zum Modern Dance.

Schneemann

Zum Frösteln.

Nordlicht, nordisches Zwielicht. Der Norden, hier Norwegen, als Landschaft für einen Serienmörder und die Angst vor ihm, als Landschaft des Ungewissen, des Fröstelnlassens.

Serienmörder gibt es genügend im Kino; sie sind beliebt. Vielleicht bebildern diese eine Urlust des Menschen am Töten, die noch nicht abgestorben ist, dank Erziehung, Bildung, Zivilisation und Demokratie jedoch einigermaßen ruhig gestellt.

Es gibt nicht gerade viele Serienmörder, die nur winters morden und dann noch einen Schneemann hinterlassen, der nicht von lustigen Eltern stammt. Hier schon. Und schauderlich, wenn allmählich klar wird, dass der Mörder unter uns lebt.

Hinter ihm her ist Harry Hole (Michael Fassbender). Ihn verbindet mit den meisten Figuren dieses schwindelerregenden Krimis, dass die Familienverhältnisse nicht intakt sind, dass die Väter nicht die Söhne ihrer Väter und nicht mit den Müttern ihrer Söhne oder Töchter zusammen sind.

Schwindelerregend ist der Krimi speziell durch die Kamera, die Fahrten über waghalsige Autobahnstücke und Brücken, die Drohne, die der Gegend immer zusätzliche Bedrohlichkeit abgewinnen kann, das Licht, das immer Raum für diffuse Gefühle lässt, gerne auch mit etwas Nebel, aber nie zu dick. Die Kamera von Dion Beebe entdeckt neue Horrorfacetten eines winterlichen Norwegens.

Auch Harry hat einen Sohn, der nicht sein Sohn ist, denn seine Kollegin und Freundin oder Exfreundin Rakel Fauke (Charlotte Gainsbourg) ist mit einem Arzt, mit Matthias Lund-Helgesen (Jonas Karlsson) zusammen. Matthias kann Harry etwas gegen die Schlaflosigkeit verschreiben, man ist sich ja in den kaputten Familienverhältnissen nicht spinnefeind; obwohl Sohn Oleg (Michael Yates) allzu gerne mit dem Nicht-Vater ins Vater-Sohn-Camp fahren möchte.

Thomas Alfredson (Dame König As Spion) setzt nach dem Buch von Hossein Amini, Peter Straughan, Soren Sveistrup nach dem Roman von Jo Nesbo alle filmischen Mittel ein, um den Zuschauer einzuhüllen in diesen nordischen Schauder, die Musik sowieso, die erstklassigen Schauspieler genauso (die selbstbewusste Charlotte Gainsbourg als eigenwillige Kommissarin, die sich selbst zum Lockvogel macht und nicht weniger als Harry eigeninitiativ handelt), und auch die deutsche Synchronisation trägt ihr Teil zu einem hochspannenden Thriller bei, der vor allem durch seine dichte Atmosphäre zu fesseln vermag und schaurige Details wohldosiert einsetzt.

Ganz nebenbei bewirbt sich Norwegen für die Austragung von olympischen Winterspielen. Es könnte genauso gut in einem filmischen Krimiwettbwerb punkten.

Clash

Muslimbrüder furzen nicht.

Ein Husarenstück, das Mohamed Diab, der mit Khaled Diab auch das Drehbuch geschrieben hat, auf die Leinwand hievt, ein 90-minütiger Horror-Komödien-Trip durch das revolutionserschütterte Kairo in einem Gefangenen-Transport-LKW.

2011 endete durch Revolution die 30jährige Herrschaft von Hosni Mubarak. 2012 gewann Mursi von der Muslimbrüderschaft die demokratische Wahl. 2013 putschte das Militär den demokratisch gewählten Mursi weg. Es kam zu Unruhen, zu Straßenkämpfen zwischen Demonstranten beider Lager und zu Auseinandersetzungen mit dem Militär.

Das ist die kurze Einführung, die Diab im Vorlauf in Textform gibt, ohne Namen von Politikern zu nennen. Er begebe sich jetzt mitten in diese Kämpfe.

Die Kamera ist bereits in der Drehlocation, im Laderaum eines LKW. Das ist das schäbige Innere einer blecherenen Kiste mit vergitterten kleinen Guckfenstern in Augenhöhe, einem Fenster zur Führerkabine, einem Ausguck nach hinten, wenn die Tür offen ist und einem Blick durch das Dach.

Hier werden von der Polizei zuerst zwei Journalisten festgesetzt. Sie müssen die Kamera abgeben. Sie sind von Associated Press. Der eine sieht aus wie ein Ägypter, ist auch ägyptischer Abstammung, aber in New York aufgewachsen. Sie beobachten aus dem LKW, das um sie herumbrandende Unruhegeschehen.

Nach und nach zerrt das Militär immer mehr Demonstranten in das fahrbare Gefängnis. Dieses wird zum Spiegel, zum Minifokus der ägyptischen Gesellschaft und ihrer Gruppierungen: Anhänger der Muslimbrüder, Christen, Gegner der Muslimbrüder und schließlich landet sogar ein Soldat bei ihnen und drum herum toben die Straßenkämpfe, auf die immer wieder ein Blick geworfen wird oder die mittels Steinwurf, Tränengas oder Wasserwerfer aktiv ins Geschehen in der Blechkiste, in die Gruppendynamik der über ein Dutzend auf engstem Raum Gefangenen eingreift: alte Männer, junge Männer, ein Junge, ein Mädchen, eine Frau, Mutter und Krankenschwester.

Es gibt Kommunikation mit anderen Gefangentransporten wie über einen Gefängnishof, es gibt Streit um das einzige Handy, was einer reingeschmuggelt hat. Die Uhr des Journalisten, die eine Videokamera enthält, löst Verdächtigungen aus. Es gibt ruhigere Moment und einige wenige Zeitsprünge, die mit Schwarzbild angezeigt werden, ganz wenig behutsame musikalische Untermalung, vor allem das Revolutionsspektakel und der Lärm sorgen für einen ordentlichen Sound.

Der Film ist im Gegensatz zu Catherine Bigelows Detroit (bei dem es um Missbrauch der Polizeigewalt geht) kein Anklagefilm und auch keine Sensationsberichterstattung.

Der Film bezieht seine Dramatik aus der Doppelung des Aufruhrs in der Öffentlichkeit Kairos und dessen Spiegelung und Resonanz im Inneren des LKWs und aus der Erkenntnis, dass diese Menschen eigentlich ganz andere Dinge beschäftigen, als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, das geht vom Haarausfall über den Hund und ob der Läuse hat, um die Sorge um die Kinder oder wie es in Amerika sei, der DJ verteilt Visitenkarten, allerdings geht es auch um Erstversorgung von Verwundungen, ziemlich krud, improvisierte Dusche, um eine Panikattacke, aber auch um einen blutigen Rasiermessertrick, selbstironische Witze des Dicken und elementare Dinge wie die Hitze, der Durst und das dringende Bedürfnis zu pinkeln, allenfalls noch um Vorwürfe, weswegen man da hineingeraten sei.

Ein urmenschlicher Zugriff zum Revolutionsthema, turbulent und tumultös mit Steinwurf, Schüssen und kruder Wundversorgung.

The Square

Eingesperrt in ein Quadrat

sind hier die Begriffe des Vertrauens, der Fürsorge, der Gleichheit von Rechten und Pflichten. Das würde dieser Film von Ruben Östlund (Höhere Gewalt), der eine liebenswürdige Insidererzählung über die Widersprüche im Kunstbetrieb ist, nie so behaupten. Aber die Erzählung tut es. Durch die Erzählung wird klar, dass der Kunstbetrieb, was er in der Öffentlichkeit behauptet, im Privatleben und im Betriebe mit Füßen tritt.

Das Kunstwerk „The Square“, das Quadrat, um das es hier geht, ist ein in den Boden des Vorplatzes des Royal Museum in Stockholm eingelassenes Quadrat und wird als Schutzraum für den Menschen behauptet, in welchem er Vertrauen üben kann, in dem er fürsorglich behandelt wird, in dem alle Menschen (Kreaturen?) gleich sind und gleiche Pflichten haben.

Faktisch scheint es eher, als seien diese Begriffe hier weggesperrt, aber das ironisiert der Film nicht weiter. Er erzählt die Geschichte vom Chefkurator des Royal Museums, Christian (Claes Bang, ein hervorragend gut getroffener Cast!).

Dieser will Furore machen mit dem Kunstwerk „The Square“. Es ist der erste Ankauf aus der Stiftung eines rührenden älteren Ehepaares. Es ist für das Museum eine High-Hope, die Spekulation auf einen durchschlagenden Erfolg bei Publikum und Medien.

Dem soll mit Hilfe einer PR-Agentur nachgeholfen werden. Die wiederum hat die schlaue Idee, dass ein Youtube-Clip mit der gegenteiligen Wirkung den höchsten Aufmerksamkeitsgrad und damit die höchste Klickzahl erwarten lässt. Ein Kind schenkt dem Quadart Vertrauen, betritt es – und wird in die Luft gesprengt.

Der PR-Erfolg stellt sich ein. Allerdings nicht ganz so, wie Christian es sich gewünscht hat. Dabei ist er an vielen anderen Baustellen in der Bredouille. Er muss naiven Interviewerinnen Red und Antwort stehen, an Talkrunden teilnehmen, er verbringt nach einem heißen Disco-Abend die Nacht mit seiner Mitarbeiterin Anne (Elisabeth Moss).

Das nutzt Ruben Östlund für einen kleinen eigenen Kurzfilm zum Thema Kondome, vor und nach dem Gebrauch.

Am nächsten Tag stellt Anne Christian zur Rede zu seinem ethischen Verhalten Frauen gegenüber. Sie weiß vermutlich nicht, dass er wohl geschieden ist und zwei entzückende Mädchen hat. Bald wird klar, dass er in dieser Hinsicht ein ziemliches Arschloch ist.

Passend dazu taucht im Film immer wieder die Kunstinstallation des Oleg (Terry Notary) auf, ein Mann mehr Gorilla als Mensch, der nur zornige Urlaute von sich gibt – auch er wird später bei einem Sponsoren-Dinner einen beklemmenden Auftritt haben.

Dann sind Christian noch die Manschettenknöpfe vom Opa, Handy und Geldbörse geklaut worden. Dieses löst eine Selbstjustizgeschichte aus, denn er will die Dinge wiederbeschaffen. Die führt ihn in eine kunstfeindliche Gegend von Wohnblocks und bildet einen weiteren Strang der Erzählung mit diversen Komplikationen und Möglichkeiten zu zeigen, wie wenig er als Charakter in das Menschenbild passt, das „The Square“ propagiert.

Ein durchgehendes Topos ist ferner das Thema Bettler und Bettelei, mal Kunst, mal Realität. Das Symbol des Quadrates wird später noch ironisch gespiegelt bei einem Auftritt seines Töchterchens mit einer Mädchen-Akrobatik-Gruppe.

Die Inszenierungsmethode von Östlund scheint die zu sein, möglichst lange Szenen am Stück improvisatorisch durchspielen zu lassen mit seinem prima ausgesuchten Ensemble, was der Angelegenheit einen Touch erhöhter Glaubwürdigkeit mit real-time-Effekt verleiht.

Zu einer Gratwanderung der besonderen Art für die von der Kunst propagierte Menschlichkeit kann eine Podiumsdiskussion werden, wenn im Publikum ein Tourette-Patient ist, der ständig dazwischen ruft, die Moderatorin solle ihre Bobbles zeigen oder ‚fuck‘ und dergleichen.

Musikalisch unterlegt Östlund sein Movie mit Dauerbrennern von Klassikern bei Straßenmusikanten und lässt einen Scatter dazu locker ironisch improvisieren oder er verzerrt eine Originalgeräuschkulisse technisch.

Es war einmal Indianerland

Verleih nie wieder mein T-Shirt!

Überkandidelte Mise-en-Scène-Ambition, die in videocliphaft-disruptiver Montage und Bildbereitstellung (Reißzooms und -schwenks, Schockschwenks, Schockschnitte, Bildkippschnitte), in häufigem, bildinkongruentem Voice-Over und in hochtoupierten Dialogen (immerhin kein dämlicher TV-Realismus-Sprech) manifest wird, erschwert, ja verunmöglicht die Perzeption des Fallouts, der im Presseheft hochtrabend behaupteten, vorgeblichen Umsetzung angewandter Erkenntnistheorie, die wirkt, als versuche sie den banalisierten menschlichen Beziehungscontent kindlich bildmanipulativ zu überspielen.

So entgleitet dem Herrscher über das Bild die Herrschaft über die Geschichte. Die ist in etwa, mit Spicken ins Presseheft und Vermutungen aus dem Bildverhau, der immerhin nicht steif genannt werden kann, die, dass der Protagonist Mauser (Leonard Scheicher, der häufig lediglich als literturillustrierendes Fotomodel ins Bild gestellt wird) 17 sei und die Liebe sucht.

Erst ritzt Mauser sich die Telefonnummer der Frau, mit der es zum nummerierten Kuss 1 kommen wird, Jackie (Emilia Schüle, die als Augenfang primär den lächelnden neuen deutschen Shooting-Filmstar spielt), ins Handgelenk.

Dann begegnet er Edda (Johanna Polley mit dem Nasenring). Hier kommt es zu Kuss Nummer zwei.

Mauser wird unterstützt oder auch nicht von seinem Nachbarn Kondor (Joel Basman, der sich monokulturhauft auf den aggressiv negativen Dreckskerl spezialisiert) und mit ihm kommt es irgendwann im Bildersalat zu Kuss Nummer drei.

Dann spielt ein Boxkampf eine Rolle und als Bildanreicherung ein Musikfestival mit dem Namen Powwow, das für jugendfreizeitromantische Bilder sorgt. Später wird der Vater von Mauser (Clemens Schick) dem Sohn erzählen, dass und wie er seine Frau getötet hat.

Noch etwas vergessen? Ach ja, das titelgebende Indianerland. Dieses wird illustriert durch einen Indianer im Bild, den aber nur der Protagonist sieht.

Warum die Redakteure Lucia Keuter (WDR), Jörg Hirnstedt (HR) und Georg Steinert (ARTE) und die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, die Filmförderanstalt FFA und die Staatsministerin für Kultur (BKM), das Kuratorium junger deutscher Film sowie der Deutsche Filmförderfonds für diese kaum genießbare, unreife Möchtegern-Kino-Literaturverfilmung Geld locker gemacht haben, bleibt ein Rätsel. Vielleicht wollten sie sich keine Blösse geben und sind vor dem pseudophilosophischen Ansatz mit der angewandten Erkenntnistheorie in die Knie gegangen. Die Zwangsgebührenzahler bekommen zur Strafe den Salat.

Die Machart wirkt „gewollt“ wie anbiedernd an eine vermutete oder unterstellte Jugendlichkeit, verwechselt diese mit Fahrigkeit der Erzählung, die sich schnell als rein technisch-spielerische Masche/Methode ohne Rücksicht auf inhaltliche Verluste entpuppt: Möchtegernjugendästhetik, die schnell als solche zu durchschauen ist und dann langweilt, sobald die krude Banalität dahinter deutlich wird.

So wird Empathie für den Protagonisten, der es neben der starvernebelten Schüle eh schwer hat, unmöglich; sein Schicksal interessiert nicht. Wahrscheinlich haben die Macher, das sind Regisseur Ilker Catak und Drehbuchautor Max Reinhold nach dem Roman von Nils Mohl (dass der aufregend sein mag, das kann man vielleicht gerade noch hochrechnen) den typischen Literaturverfilmungsfehler gemacht, es sich zu einfach gemacht und Literturverfilmung lediglich als Literaturillustration schnellinterpretiert mit viel zu viel Voic-Over-Text, da sie nicht filmisch in die Dramaturgie ihres Protagonisten eindringen – und hier speziell und angeberisch an äußerlichen Effekten interessiert sind.

Und: Hände weg, wenn im Film einer anfängt Witze zu erzählen, der Witz vom Fisch, der ist hier besonders schwach umgesetzt – und wir müssen mit der Zwangsgebühr dafür bluten, das ist grotesk!

Disparate Erzählweise. Ungelenke Inszenierung.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

Daniel Hope – Der Klang des Lebens

Einen Stargeiger, der ein umgänglicher Mensch ist, der noch dazu Spaß an seiner Profession hat und Humor, der lachen kann und es „super“ findet, wenn er an einem Musikfestival mit Freunden spielen kann, gibt es das überhaupt?

Ja, das gibt es. Das beweist diese wohlige Dokumentation von Nahuel Lopez, der schon mit El Viaje einen vereinnahmenden Musikfilm gemacht hat.

Auch hier spielt die persönliche Beziehung zum Protagonisten Daniel Hope, das gemeinsame Faible für Musik, aber auch Flucht- und Emigrationsgeschichten im Hintergrund eine Rolle.

Lopez porträtiert Hope in einer entspannenden Mischung aus Hinter-die-Kulissen-Blicken, Familiengeschichte in Archivmaterialien (köstlich der Super-8-Film mit dem 8-jährigen Hope im Violingruppenunterricht), Familienalbum, Geschichte um das fast vergessene Grab der Familie Valentin in Berlin (das sich beinah ein ägyptischer Kaufmann gekrallt hätte), Konzert- und Probenmitschnitten, Lernen und Lehren (Sparring-Stunden mit Zakhar Bron, Masterclass, die er selber gibt) vedutenhaften Städteimpressionen (der Film ist auch eine kleine Weltreise durch Konzertsäle), oder ganz nostalgisch der Besuch von früheren Wohnorten (im Londoner Backsteinhaus wohnt heute ein Pastor), Erinnerungen und Bemerkungen von Vater, Mutter (die war Sekretärin bei Yehudi Menuhin in London) und einer Yehudi-Menuhin-Tochter, Reflektionen über die Musik, Anekdoten (wie er von der Menuhin-Schule geflogen ist), etwas Familiengeschichte über das Ausfüllen des Einbürgerungsformulars in Gstaad (hier auch ein Zufallsgespräch mit einem Ureinwohner) oder der Geiger als Papa mit seinem Söhnchen auf dem Spielplatz oder wie er mit seinem leicht englischen Akzent begeistert zur Musik von Prokofiev die Geschichte von Peter und dem Wolf vorlierst vor fasziniert zuhörenden Kids.

Borg McEnroe

Tennis ist ein todlangweiliger Sport – meine Ansicht.

Daraus hat der junge dänische Regisseur Janus Metz nach dem Drehbuch von Ronnie Sandahl das Beste gemacht. Es geht um das Wimbledon-Finale von 1980, um das legendäre Endspiel zwischen dem schwedischen Tennischampion Björn Borg und dem New Yorker Newcomer und Enfant terrible des Tennis, John McEnroe, der Borg seinen 5. Wimbledonsieg streitig machen will.

Janus Metz geht die aufregende Geschichte bedächtig und mit langem Anlauf an. Er baut in den Countdown zum Finale Rückblenden in die Jugend der Cracks mit erstklassig gecasteten Jungdarstellern ein.

Metz gewinnt schnell die Sympathie des Zuschauers mit seiner ruhigen, klaren Exposition, mit einem leichthändigen Super-8-Homevideo aus der Familie Borg mit dem kleinen Björn. Er charakterisiert die beiden gegensätzlichen Typen mit den Rückblenden und mit Einblicken in der Vorbereitungen und die Entourage der Cracks.

Borg ist ein penibler, fast hypochondrischer Pedant, der nur siegen kann und einen Horror vor dem Verlieren hat, mit dem Ritual der 50 Tennisschläger, die maximal bespannt sind und auf dem Boden liegend mit den Füßen von Björn und seinem Vater getestet werden, mit dem Meckern über eine andere Limousine, die ihnen der Wimbledon-Fahrdienst zur Verfügung stellt, mit der Angst, die weiße Linie zu berühren.

Im Gegensatz dazu der heißblütige McEncroe (während Borg als ein Eisberg mit einem Vulkan mittendrin beschrieben wird), der sich dauernd mit den Schiedsrichtern anlegt, der kein Vorbild sein könne (da Tennis doch ein Gentleman-Sport sei) und der lieber mit Groupies in die Disco geht, der die Welt gegen sich aufbringt.

Wobei schön zur Geltung kommt, welch egoistischen Soloakteure Tennisspieler doch sind.

Die Inszenierung des Finales gerät allerdings zur parteiischen Insiderangelegenheit, sie wird skandinavisch-patriotisch-pathetisch, versucht, sich am Matchverlauf realiter zu orientieren, lässt jegliche Distanz – und damit den cineastischen Reiz – zum Tennis vermissen (zB wirkt in einem kurzen Moment das auf dem Boden ausgestreckte nackte Bein von McEnroe wie eine eigene Erzählung und sehr komisch – mehr solcher Beobachtungen hätten dem Film mehr Weite gegeben).

So endet der Film als Verehrungsmovie und bleibt von Interesse nur noch für Fans des Tenniszirkus, während er den Cineasten kalt lässt. Um das zu ändern hätten Metz und Sandahl sich für ein subjektiveres Drehbuch aus der Sicht eines der Protagonisten entscheiden müssen, statt der rührigen Wahrheits- und Ehrlichkeitsabsicht. Diese Bemühung um ehrliche Rekonstruktion geht auf Kosten des cineastischen Genusses.

Mit Sverrir Gudnason als Björn Borg (vielleicht etwas zu oft als zweiflerisch dargestellt) und Shia LaBeouf als John McEnroe sind überzeugende, typennahe Besetzungen gelungen ebenso das Reenactment der Spielszenen dank kurzer, rasanter Schnitte mit Bildern einer agilen Kamera.