Mother!

Musenverschleiß.

Der Künstler und die Frauen. Der Künstler und seine Inspiration, seine Muse, seine Hybris, der Künstler, dem sein Erfolg, seine Anerkennung über alles wichtig ist, der dafür Frau und Kind opfert.

Das ist der Topos, den Darren Aronofsky (Noah, Black-Swan) furios, versiert und atemberaubend mit den Mitteln des Horrorkinos, die sich in Motive eines Terrorkinos auswachsen, bebildert.

Der Künstler, der Autor ist, wird dargestellt von Javier Bardem, ein Mann, der weltstarmäßig gut im Saft und entsprechend attraktiv ist. Er ist mit einer jungen Frau zusammen, mit Jennifer Lawrence, in den Credits als die Hauptrolle ‚Mother‘ erwähnt.

Sie möchte das großzügige Holzhaus mit den Dielenböden nach ihrem Geschmack einrichten. Viele Möbel sind abgedeckt, es gibt an den Wänden Ansätze von neuer Farbe. Sie ist eine junge naive Frau, wirkt kleinmädchenhaft gegenüber Bardem, dem man ansieht, dass er schon dies und das hinter sich haben muss.

Sie möchte sich ihr Paradies einrichten. Er leidet unter Schreibhemmung, kommt mit seinem geplanten, neuen Stück nicht in die Gänge. So nutzt er das Ansinnen eines Arztes, der ein Zimmer sucht, den bei sich einzuquartieren.

Aronofsky setzt die Kamera konsequent als Horrofilmkamera ein. Oft ist die junge Frau bei ihren Gängen durch das Haus zu sehen, die fast leeren Räume vor ihr. Diese sind immer so aufgenommen, dass zu befürchten ist, dass jederzeit etwas passieren kann. Horroroptik pur.

Es passieren auch Missgeschicke mit einer Pfanne, mit dem Feuer. Auf der Tonspur überspitzt Aronofsky die Geräusche wie im meisterlichen Horrorfilm und noch etwas mehr, nimmt, was sich dazu anbietet, schneidend, kreischend, scherbelnd, flirrend (the sound of humanity, wie es an einer Stelle heißt?).

Sein Bildermix wirkt wie eine gekonnte Jonglage mit bewährten Horrorelementen, wobei kurzzeitig ein Hauch von Salonkomödie aufkommt, der sich aber gleich wieder verflüchtigt. Der Gast, der als ‚Man‘ in den Credits firmiert, Ed Harris, ist Raucher, worauf ‚Mother‘ ihn sanft zurechtweist. Auch hat er einen unnatürlichen Husten.

Bardem betont zwar, dass der Gast Arzt sei, aber ‚Mother‘ kann nicht recht verstehen, wieso er ihn ins Haus nimmt. Er meint ganz pragmatisch, sie hätten doch genügend Platz. Es gibt auch ein kostbares Dekorstück im Haus, eine Art Diamant (könnte einer sein, der aus den Aschenrückständen einer Kremation hergestellt wurde).

Am nächsten Morgen kommt noch „Woman“ dazu. Das ist die Frau des Arztes, dargestellt von Michelle Pfeiffer. Es folgen die Söhne. Und das ist erst der Anfang. Bis zur Halbzeit füllt sich das Haus mit immer mehr Anhang der Gastfamilie. Ihr Verhalten artet aus.

Es schmerzt zu sehen, wie Jennifer Lawrence zusehends überrollt wird von der Ungebührlichkeit des Verhaltens dieser ‚Gäste‘, die sich immer mehr als Hausherren aufführen. Die Inbesitznahme endet in einer mittleren Katastrophe. Ein Sohn der Familie stirbt. Es gibt eine Abdankung.

Aronofsky vermittelt gänsehauttreibend das Gefühl, das man bekommt, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wenn sicher geglaubte Gewissenheiten sich als nicht tragfähig erweisen.

Dieser erste Teil ist horrormäßig aber erst das Vorspiel. Es gibt eine kleine glückliche Zwischenphase, nachdem ‚Mother‘ ihrem Mann und Autor verraten hat, dass sie schwanger sei. Flugs ist seine Schreibblockade verflogen, er wendet sich seinen Papieren zu.

Aronofsky weiß, dass wenn er den Film zwei Stunden lang werden lassen will, dass er im zweiten Teil mordsmäßig eins draufsetzen muss. Die Bilder, die folgen, werden an Terror gemahnen. Es fängt an mit einer Menge von Autogrammjägern, die Bardem nicht abweisen kann, weil sie ja von soo weit hergekommen sind.

So legt Aronofsky in seinem künstlerischen Furor noch eine Lage drauf an ungezügelter Gewalt und Chaos, schlägt eine Verschnaufpause ein für die Zeit nach der Geburt des Knäbleins, um dann zu seinem endgültigen Vernichtungsschlag gegen die künstlerische Hybris auszuholen; welcher bei der Premiere in Venedig von den Kritikern mit einem Sturm von Buhs quittiert worden sei.

Woraus zu schließen ist, dass Aronofsky wohl einen Nerv getroffen haben muss, denn Kritiker sind ja auch so etwas wie Autoren, inklusive Möglichkeit zur Hybris. Diese Plattitüde so krass und schneidend zu formulieren, das war ihnen wohl zu viel.

Überflüßig zu erwähnen, dass die Schauspieler unter Aronofsky großartig agieren.

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