Final Portrait

Des Künstlers Dauerfrust an der nie ereichbaren Perfektion.

Ist Jacques Doillons Film über den Bildhauer Rodin (demnächst im Kino) der ernsthafte Versuch, sich philosophisch dem Wesen der Skulptur zu nähern, sich damit auseinanderzusetzen, so ist der Zugang von Stanley Tucci in seinem Film ein gedoppelter: der über die literarisch verarbeitete Erfahrung eines Modells, jene von James Lord in seinen Memoiren „A Giacometti Portrait“. Der Amerikaner Lord hatte Alberto Giacometti in Paris Modell gesessen für ein Portrait. Er hat dabei im Gegenzug des Studiums seiner Person und seines Charakters durch den Meister diesen auch studiert und ganz genau beschrieben.

Denn dieses Modell-Sitzen, was einen, maximal zwei Tage dauern sollte, das zieht sich und zieht sich. Weil Giacometti nie zufrieden ist. Weil er sich ständig ärgert, dass er die Striche nicht so hinbekommt, wie er will, dass er die Perfektion nicht erreicht.

Die Beschreibung des Künstlers aus dieser betroffenen Position darf daher ruhig schalkhaft gesehen werden. So zumindest dürfte Stanley Tucci das sehen, wenn man seiner musikalischen Untermalung vor allem gegen das Ende hin mit pointierenden Xylophon-Schlägen und entsprechenden Kontrabass-Zupfereien so sehen darf.

Giacometti rastet manchmal schier aus. Er erinnert an einen Wüterich, unterbricht die Sitzungen wieder und wieder, um mit seinem Modell auf einem Friedhof spazieren zu gehen. Diesen verbiesterten bis komödiantischen Alberto Giacometti spielt Geoffrey Rush, ständig eine Zigarette im Mund, er hockt in krummer Haltung in sich versunken da oder durchschreitet sein winzig kleines Atelier mit zielgerichtet eiligen Schritten.

Das Atelier ist griesgrämig grau und vollgestellt mit diesen Ein-Fuß-Skulpturen, die den Maler als Bildhauer so berühmt gemacht haben. Fast könnte man auf eine Begründung für diese schmalen, hohen Figuren kommen, denn durch die Enge des Ateliers wäre für Botero-Frauen beispielsweise kein Platz gewesen.

Nicht anders als Rodin sind auch bei Giacometti seine Modelle seine Musen. Das ist Caroline (Clémence Poésy) und seine Frau Annette (Sylvie Testud). Der Künstler ist in seinem Dauerfrust, dass nie etwas perfekt sein kann, zu beobachten, missgelaunt, mürrisch. Ein Festbeißer.

James Lord (Armie Hammer) muss sich eine besondere List ausdenken, um endlich nach weit über einem Dutzend Sitzungen und immer erneut umgebuchten Rückflügen in die USA das Meisterwerk auch vor Meisters Augen gelten zu lassen und ihn durch seine Abreise davon abzuhalten, es nicht erneut zu übermalen.

In dem Film schwingt der gallig- sarkastische Humor des schreibenden James Lord mit, der sich ohn zu mucken diesem künstlerischen Wüterich immer wieder klaglos und geduldig aussetzt.

Im Raum schwebt der Gedanke an das Böse, das Doppeldeutige, das Zwiespältige, er könnte ein Spion sein, meint Giacometti zu Lord; ein ander Mal fragt er ihn, ob er schon mal jemanden umgebracht habe, ja, im Traum antwortet dieser.

Ebenso wird das Thema der Einmaligkeit eines Kunstwerkes genau so wie der des Kopierens ventiliert, des Ideenklaus, sowie das Thema Kunst und Lebensgefahr.

Farbe gibt es in diesem Film kaum; einmal ein Chagall-Gemälde in der Oper, das andere Mal hat die Geliebte ein rotes Auto gekauft, dazu trägt sie einen rosaroten Voile-Schal und die Frau von Giacometti zum gleichen Zeitpunkt eine rote Schärpe für die Operneröffnung.