Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

Die Herkunft der Zukunft.

Zur Schilderung einer integalaktischen Zukunft von 2150 plus 400 Jahren, die er in einem kurzen Entwicklungsabriss über Andockungen und Besuche von Raumstationen zwischen 1975, 2020, 2031 und 2150 schildert, blättert Luc Besson, der Buch und Regie für diesen Film nach den Comics von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières entwickelt hat, die menschliche Kulturgeschichte sämtlicher Kontinente bis weit ins Altertum zurück und hat gewiss auch manchen Almanach mit Fantasietierfiguren gewälzt, um schließlich in 500 Jahren bei der Megapolis Alpha irgendwo im Weltraum das Hauptbetätgiungsfeld für seinen Filmhelden Valerian (Dane DeHaan) zu finden.

Vorher schon hat Besson das friedliche Leben auf dem Planeten Mül paradiesisch entworfen. Ästhetische Figuren wie schlanke, silberne Schaufensterpuppen leben in Frieden, wie im Endzustand der Eurythmie. Sie leben davon, Perlen, die unglaubliche Energiegeneratoren sind, zu sammeln und von einem Transmutator vervielfältigen zu lassen. Der ist ein süßer kleiner Drache, der in einem kleinen Kistchen aufbewahrt wird. Ein Perlenscheißerchen.

Da das reine Paradies, der Frieden, langweilig und dem Zuschauerinteresse nicht zuträglich ist, zumindest auf Dauer eines Kinofilmes auf der Leinwand, lässt Besson die Apokalypse auffahren.

Bald darauf werden in Alpha Veränderungen festgestellt. Eine nicht betretbare Zone entwickelt sich zur Gefahr für die ganze Stadt. Valerian soll dieses Unheil zusammen mit seiner Kollegin Laureline (Cara Delevingne) abwenden, die Ursache ergründen.

Vorher gabs schon einen kaleidoskopbunten Ausflug zum Planeten Krian, dessen Markt eher an einen orientalischen Souks erinnert. Noch bunter gemischt ist Alpha. Unendlich hohe Hausfronten in allen vertikalen und horizontalen Lagen lassen riesige Fluchten von Gassen entstehen, in denen Luc Besson seine Verkehrselemente aus „Das fünfte Element“ noch potenzieren kann.

Auf der Suche nach der Ursache der drohenden Katastrophe treffen Laureline und Valerian auf eine unvorstellbar vielfältige Welt, auf ein Panoptikum wie aus einer Freak-Show an Miniwelten, auf merkwürdige Riesen, die offenbar mit phosphoreszierenden Schmetterlingen wie fliegenfischen und welche sich verfolgte und suchende Menschenkinder auch ganz anders zunutze machen können.

Sie erleben erstklassige Bar-, Striptease- und Transformationsnummern im Rotlichtviertel ‚Paradise Alley“. Hier begegnet Valerian, der seine verschwundene Kollegin sucht, der Gestaltwandlerin Bubble (Rihanna), die für sich und sogar für einen Begleiter die denkwürdigsten Transformationen vornehmen kann und somit unbemerkt eindringen in den archaisch anmutenden Thronsaal eines bulligen Imperators, einer Welt mehr von elefantösen Bullen als Menschen in einem prächtigen Thronsaal und die Rituale fest durchgetaktet wie bei einem G20-Gipfel.

Gleichzeitig müssen sie Kontakt halten zur modernst eingerichteten Kommandozentrale – Hologramme, Ortung etc. inklusive – mit recht menschlichen Offizieren und Chargen darin. Die selbst wiederum einen Hofstaat bilden mit einem merkwürdigen Trio an Hofschranzen, so groß wie Enten aber mit Rüsseln wie Rüsseltiere und einem Geschnatter, wie nur ein Hof es hervorbringen kann und Geheimnissen, die unterm Siegel der Verschwiegenheit und gegen kleines Entgelt umgehend zu Geheimnissen von neuen Geheimnisträgern werden.

Je größer der Stress der Mission, desto mehr meldet sich in Valerian, der über eine nicht auf Anhieb gefällige Mischung aus noch vorhandener kindlicher Naivität und verwunderten Augen aber auch an männlichem Durchsetzungsvermögen und Imponierkraft verfügt, der Liebhaber im Hinblick auf Laureline, die aber viel zu selbstbewusst ist, um gleich einzuknicken. Sie wird ihm eine Lektion erteilen. Eine Liebesgeschichte mit herbem Charme und fernab jeglicher kinoglatter Klischeeromanze.

Der Cast ist eine wunderbare Mischung aus noch blutjungen Akteuren auch in der Kommandozentrale, nebst den beiden Protagonisten und gestandenen Mimen wie John Goodman, Rutger Hauer, Clive Owen, Matthieu Kassovitz.

Auch die surrealistischen Traumwelten fehlen nicht, durch die ein Valerian unter Umständen in rasendem Tempo hindurchrauscht. Kämpfe werden nötig und eine hartnäckige Verfolgungsjagd eines unbekannten Fluggerätes, das aus der Ferne aussieht wie ein fliegender Diamant.

Die Szene mit der Referenz ans Fliegenfischen, die zeigt vielleicht am deutlichsten, mit welchem indivuellem Zugriff und Charme, der Dingen mit leichter Fantasie eine zweite Deutung zuordnet, Luc Besson an sein Werk rangeht.

Und wenn beim Verlassen des Kinos der Blick von oben auf den Garten des Mathäsers in München fällt und der Gedanke sich meldet, oh, da habe ich doch ein Stück Alpha vor mir, so hat der Film zumindest eine Sofortwirkung auf das Sehen erzielt.

Und falls Valerian inzwischen gelernt hat, dass die Hochzeit vor den Flitterwochen kommt, so hat sich auch bei ihm ein Stück Realität begradigt.

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