Life, Animated

Ein Leben wie ein Zeichentrickfilm.

Diesen klugen, verführerisch schönen Film von Roger Ross Williams, der mit David Teague auch das Drehbuch geschrieben hat nach dem Tatsachenbuch von Ron Suskind, dem Vaters des Protagonisten, mag ich gar nicht unter der Kategorie Dokumentarfilm subsumieren, viel zu schön, ohne Auslassung des Traurigen, mutet diese Geschichte an.

Es ist die Geschichte von Owen Suskind, dem 2. Sohn von Ron und Cornelia Suskind. Ron, der Vater, ist Journalist beim Wall Street Journal. Die Familie wohnt an der Ostküste Amerikas in Massachusettes, teils auch auf dem feinen Cape Cod. Upper Middle Class, gebildet und wach im Umgang mit den Dingen, die sie beschäftigen.

Owen kommt als munteres, zweites Kind einige Jahre nach seinem älteren Bruder Walter zur Welt. Alles normal. Es gibt Home-Movies bis Owen drei Jahre alt ist, da ist zu sehen, dass er reagiert wie jedes andere Kind auch, er spielt mit dem Vater Kampfszenen aus Peter Pan.

Plöztlich im Alter von 3 Jahren findet innert weniger Tagen eine dramatische Rückentwicklung statt. Er verliert sein Sprachvermögen, ein Jahr lang spricht er gar nicht mehr, dann brabbelt er wenigstens. Autismus, ein Schock für die Eltern. Owen schaut jedoch weiter liebend gerne Disney-Trickfilme, die Klassiker.

Allerdings wird im Film nicht die Frage nach dem Grund für diesen plötzlich einsetzenden Autismus gestellt. Im Zusammenhang mit dem Film Vaxxed wäre es interessant, nachzufragen, ob eventuell kurz vor Ausbruch eine Impfung stattgefunden hat. Immerhin scheint die Anlage zum Autismus insofern dagewesen zu sein, als er immer schon auf Sinneseindrücke, wenn eine Überflutung drohte, nervös reagiert habe.

Den wunderbaren Weg aus dem Autismusgefängnis hinaus über das Anschauen von Disney-Filmen und dann Kommunikation mit den Eltern über Dialogtexte, die er alle in- und auswendig beherrscht, das schildert dieser Film in einer Mischung aus Ausschnitten von großartigen Disney-Klassikern (Dschungelbuch, König der Löwen, Schöne und das Biest, Aladin, Bambi, Quasimodo) – diese werden für Owen das Tor zur Welt -, aus animierten Zeichnungen nach der Geschichte Fuzzbutch, die Owen nach dem Mobbingerlebnis an einer Schule in Wochen des Verkriechens in einen Keller gezeichnet hat, am Tiefpunkt seines Heranwachsens, eine Sidekickstory, denn als einen solchen sieht er sich selbst im Gegensatz zu den bewunderten Helden; dazu gesellt sich Archiv-Footage der Familie und aus Material der letzten zwei Jahre vorm Highsschool-Abschluss bis zur Selbständigkeit in einem betreuten Wohnprojekt und dem Job eines Kartenabreissers in einem Multiplex-Kino.

Betreuung wird er sein ganze Leben lang brauchen. Manche Dinge sind zu riskant. Das Überqueren der Straße ist schwierig mit seiner gebeugten Kopfhaltung und den ständigen Selbstgesprächen, die Dialoge aus den Filmen wiedergeben.

Eine Freundin hat er zeitweilig gehabt, ebenfalls Autistin, sie hat ihm aber einen Korb gegeben. Wobei die Liebe ein Sonderproblem deutlich macht, da seine Welt die Disneywelt ist, in der es schon mal einen Kuss zwischen zwei Figuren gibt, Sex aber existiert dort nicht. Wie ihm dazu zu verhelfen sei, da weiß sein älterer Bruder und prima Kumpel auch keinen Rat.

Ein Höhepunkt dieser Geschichte ist der Auftritt von Owen bei einem internationalen Kongress über Autismus in Rennes, Frankreich, auf welchem er eine selbstgeschriebene Rede hält.

In der Schule hat er einen Disney-Fanclub gegründet, der großen Anklang gefunden hat. Owens Charme ist umwerfend, diese künstlerische Begegnung mit ihm über 90 Minuten ein einzigartiges Erlebnis. Das Kino zeigt sich hier in einer ganz neuen Funktion: als Stabilisator für die Welt eines Menschen wie Owen, eines Menschen, der mit Veränderung Mühe hat, der eine geregelte, verlässliche Welt braucht, wie ein Kinofilm, der sich beim Abspielen immer gleich bleibt. Der Film schwebt auf anschmiegsamer, erschütterungsresistenter Luftkissenmusik.

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