Free Speech Fear Free

Freiheit ist ein Muskel, den man trainieren muss.

Dieser anregende Filmessay fängt an wie eine Seminararbeit eines wachen Pennälers, mausert sich aber in kürzester Zeit zur vollprofessionellen Recherche in einem der heißesten Themen, die es mit dem Aufkommen der IT-Welten gibt, mit der Freiheit der Rede, damit auch des Gedankens, einer Freiheit, die es stets zu verteidigen gilt und die nach den Schockwellen des Terrorismus in einer allgemein überwachten und zensierten Welt mehr den je gefährdet ist.

Mit 15 Jahren hat Tarquin Ramsay, ein Brite, angefangen sich für das Thema zu interessieren. Er fragte nach in der Schule und in seiner Umgebung, Mitschüler, Lehrer, was für sie Freiheit bedeute. Er stößt auf die Info, dass das Thema bei den Signatarstaaten der Menschenrechtskonvention in den Lehrplan aufgenommen werden muss. Wobei schnell klar wird, dass die Freiheit der Rede auch die Freiheit zur Leugnung des Holocaust oder die Freiheit, Feuer zu rufen, wenn es nicht brennt, beinhaltet. Die Schockereignisse, die die Politik zur Einschränkung der bürgerlichen Freiheit missbraucht.

Die Recherchekreise von Tarquin weiten sich. Erst bleibt er in England. Hier interviewt er Julian Assange (über den Unerschied zwischen Redefreiheit, Informationsfreiheit und Meinungsfreiheit und den Anspruch auf Privatsphäre trotz hochentwickelter Technologie) und einen Straßenperformer, der in der Finanzbranche gearbeitet hat und nach seinem Rauswurf in witzig-parodistischen Aktionen darauf aufmerksam macht, wie die Gewalt des Staates zur Gewalt des Kapitals verkommt, er empfiehlt, Polizisten zu umarmen, denn auch sie brauchen Liebe.

Ramsay interviewt Jude Law, der sich für die Freiheit in Weißrussland einsetzt (nur zwei Flugstunden von London entfernt), dessen Diktator Lukaschenko brutal gegen Andersdenkende und jeglichen Ansatz einer freien Meinungsäußerung vorgeht; jetzt sind die Filme, in denen Jude Law und Mitkämpfer von ihm wie Tom Stoppard und Kevin Spacey mitwirken, in Weißrussland auf der Schwarzen Liste und dürfen nicht aufgeführt werden.

Ein Ableger aus Weißrussland ist das Belarus Free Theatre in Amsterdam, ein Tanz- und Pantomimentheater, das die Tabuzonen aus Weißrussland zum Thema macht.

In den USA besucht Ramsay den Whistleblower John Kiriakou der nach seiner Gefängniszeit unter Hausarrest steht, alles bloß, weil er die geheimen Folterpraktiken des CIA an den Tag gebracht hat (siehe auch National Bird). Bin Laden war erfolgreich: wir haben grundlegende Bürgerrechte verloren. Schockereignisse, die die Politik zur Einschränkung der bürgerlichen Freiheit missbraucht.

Als ein Hort der Freiheit entpuppt sich Berlin. Hier trifft Ramsay auf Sarah Harrison, eine britische Journalistin, die in England ihre Quellen offenlegen müsste, weil sie über Wikileaks und Snowdon berichtet hat, und auf Jacob Appelbaum, Journalist und Hacker, ebenfalls im Exil. In Berlin findet der Dokumentarist eine aktive Community, Hackerclubs mit Mitgliedern aus aller Welt, einen geheimen Hacker-Ort und er begibt sich auf den Teufelsberg, Symbol der Überwachung, amerikanischer Horchposten im Kalten Krieg.

Ein Film, der zur Schärfung des Bewusstseins für die Risiken des Verlustes der Privatsphäre, die den Menschen als Menschen überhaupt erst definiert, durch die IT-Kommunikatonswelt und die sozialen Netzwerke deutlich macht. Bewusstsein, das immensen Einfluss auf die Freiheit hat (Schere im Kopf).

Eine spannende Frage stellt Ramsay seinen Gesprächspartner jeweils am Schluss, wie sie sich denn die Vision einer Welt komplett freier Rede vorstellen würden.

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