Am Abend aller Tage (ARD, Mittwoch, 31. Mai 2017, 20.15 Uhr)

Münchner Ennui.

Offenbar inspiriert vom Fall Gurlitt und offiziell nach einer Novelle von Henry James („The Aspern Papers“), die Markus Busch als Anregung für sein mehr Schwach- denn Sach- oder Drehbuch verwendet hat, ergeht sich Regisseur Dominik Graf mit einem erlesenen Schauspieler-Ensemble, das gediegene Langeweile verbreitet, in bunten wimmelbildhaften München-Impressionen aus bekannten und unbekannten Aspekten, aus allerlei Gesellschaftsschichten, Wohn- und Arbeitsverhältnissen, aus Touristen, Puff, Hochwasser, Wäscherei, Apotheke, Atelier, Friedhof und modernen Bürobauten und bei diskret einschläfernder Barmusik, die das Öde-Petete dieser Bildverschwurbelung Münchens noch unterstreicht.

Der Plot, der höchst wackelig eingeführt wird, ist der, dass Philipp Keyser (Friedrich Mücke) in einem Bürohochaus einen Termin hat. Er meldet sich im ebenerdigen Empfang. Die Dame dort sagt, auf jenem Stockwerk, auf welchem er angeblich einen Termin habe, sei niemand mehr. Aber sie lässt sich seinen Ausweis geben und begründet es damit, dass sie neu sei hier.

Ob das jetzt Realität im Sinne Dominik-Grafscher Beobachtunsgabe ist oder mehr Irrealität im Sinne Grafscher Imagination, sei dahin gestellt.

Die Niemande hoch oben, das sind eine Reihe von gut in die Jahre gekommenen Damen und Herren. Sie haben Keyser bestellt. Wer sie genau sind, wollen sie nicht Herrn Keyser und will der Drehbuchautor uns nicht verraten. Aber sie kennen offenbar Herrn Keyser und referieren auf einen Fehler, den er vor Zeiten begangen hat.

Herr Keyser hat Kunstgeschichte studiert und soll für diese Herrschaften ein angeblich verschollenes Gemälde finden, eines von Ludwig Glaeden, er soll es finden und zurückkaufen. Der Zuschauer erfährt Details über die Zahlungsmodalitäten, die ihn kaum interessieren dürften; Graf dürfte damit seinen Anspruch auf Realismus untermauern wollen.

Das erste Teilchen auf der nun beginnenden, nicht allzu zwingend und nachvollziehbar zu Faden geschlagenen Schnitzeljagd ist das Gerücht, dass ein Magnus Dutt (Ernst Jacobi) der Besitzer sei. Er wird sich als die Gurrlitt-Figur erweisen, über die später, da im löchrigen Drehbuch kein Platz mehr war, im Sinne einer Erzählung noch dies und das zu berichten sein wird.

Zu Dutt selber kann Keyser nicht vorstoßen. Aber das nächste Teilchen erzählt, dass eine gewisse Alma Kufferer (Victoria Sordo), Verwandte von ihm und Künstlerin, den Weg zu ihm öffnen könnte. Es folgen merkwürdige Verfolgungs- und Beobachtungsspiele, bis die beiden sich urplötzlich so verhalten, als ob sie schon lange vertraut sind; dabei spielt deren Freundin Sabine (Emma Jane) eine Rolle. Auch die beiden sind aus heiterem Himmel gleich sehr vertraut.

Da es sich bei diesem Figuren um Figuren unterschiedlichen Geschlechts handelt, lassen es sich Graf und Busch nicht nehmen, von Intimitäten zu träumen. Die Kunst von Sabine, die eine vergängliche Kunst ist, Kunstwerke, die sich selber auflösen (das wünschte man sich für so manchen Fernsehfilm!), gibt Anlass für eine Diksussionsschiene über Kunst und deren Vermarktung.

Schnell geht Keyser in der Villa von Dutt ein und aus wie zuhause. Auch das ist alles andere als schlüssig, wird ad hoc behauptet. Liederliche Erzählung. Sie duscht sich den Kunstdreck weg und er bewundert Chagall. München ödpöte.

Die Dialoge wirken unorganisch, steif, weltfremd und auch gewollt gesetzt, man ist ja im Kunstmilieu. Oft bleibt unklar, wieso sich die Figuren, speziell Sabine, Kufferer und Keyser überhaupt aufeinander einlassen, wobei bei Keyser das Ziel klar ist, was aber in der Realität von Spiel und Inszenierung sich so gut wie nicht vermittelt.

Pack das bloss wieder ein, wie es war.
Aber wenn du vielleicht einfach – eine Weile – bei mir bleibst…
einverstanden
(unklare Motive für Frage wie für Antwort).
Das machen wir alle zwei Monate, Onkel mag keine Putzfrauen.
Du hast so tief in mich hineingeschaut, dass du denkst, sie vor mir beschützen zu müssen.
Ich weiß nicht, ist reiner Zufall, dass ich da bin, ich muss sofort wieder geben.
Oh, Sie bluten, ich bring Sie rauf.
Hast du Angst vor Friedhöfen,
vor dem Tod, Friedhöfe sind ok.
Jetzt hab ich Deine Handynummer.
Ich hab den Schlüssel verloren oder ist noch in der Wohnung,
ich bin die ganze Strecke dreimal hin und hergefahren.
Hast du keinen Erstatzschlüssel,
steckt er vielleicht von innen?
Biene hat mich vor Ihnen gewarnt, sie hat gesagt, Sie sind ein Lump.
Wie ist es denn eigentlich, sehen wir uns jetzt öfter?
Ich bin wachsam, sehen Sie, ich habe gesehen, wie Sie übers Nachbargrundstück gekommen sind.

Wie ein kleiner Kurzfilm wirkt die Riesennummer um einen verlorenen oder vergessenen Schlüssel, was weder story- noch interssefördernd wirkt. Soll damit einmal mehr die Realitätsnähe von Graf verdeutlicht werden?

Bei so einem Film ist es besonders peinlich, wenn schon in den ersten Szenen so viele Namen in die Titel drängen.
Solche ‚Kunst‘ soll sich ihre eigenen Sponsoren suchen, nicht aber Zwangsgebühren abgreifen. Sie wirkt als billiger, thematischer Vorwand, Zwangsgebühren abzugreifen.

Der Film ist nicht triftig genug, als dass es Sinn machte, dass einkommensschwache Haushalte sich dafür die Zwangsgebühr vom ihrem bescheidenen Budget noch absparen müssen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert