Sewol – Die gelbe Zeit (BR, Dienstag, 23. Mai 2017, 22.30 Uhr)

Korea: Über Bravheit. Oder: ein Aufruf zu zivilem Ungehorsam.
Oder: mit Tränengas gegen Tränen. Und die Lügenpresse.

So viel anders als unser Land ist Südkorea nicht. Es gibt Dinge, denen geht die Regierung lieber nicht auf den Grund und die dominierenden Medien unterstützen sie dabei. Wir würden von Lügenpresse sprechen.

Minsu Park aus Südkorea studiert an der HFF München Dokumentarfilm. Er befassst sich in diesem Film mit dem Fährunglück im Gelben Meer vom 16. April 2014. Dabei starben 304 Personen, die meisten von ihnen Schulkinder. Aber die Regierung weigert sich, die Fähre zu heben, um das Unglück restlos aufzuklären. 9 Leichen sind immer noch nicht geborgen.

Es scheint sich um grob menschliches Versagen gehandelt zu haben aus reiner Profitgier, die dazu geführt hat, dass das Schiff offenbar mit zu viel Fracht beladen worden ist, dass seine Mannschaft aus Leiharbeitern bestand, die von einem Rettungsplan keine Ahnung hatten. Der Kapitän hat bis zuletzt die Parole ausgegeben, die Passagiere sollen im Inneren bleiben, Rettungswesten anziehen und sich ruhig verhalten. Was für viele den sicheren Tod bedeutet hat. Der Kapitän sei als einer der ersten von Bord gegangen. Sicherheitsbestimmungen wurden missachtet.

Minsu Park fängt den Film mit einem kurzen Blick in eine Parlamentsanhörung in Seoul an, in welcher die Aufklärung des Unglücks gefordert wird. Die Sewol ist auch ein Jahr nach dem Unglück noch nicht gehoben.

Dann fährt Minus Park in der Münchner Mäuschendokumanier fort, ist bei Hinterbliebenen, Müttern, Vätern, Geschwistern, bei ihrer persönlichen Trauer dabei. Eine Mutter hat Tage nach dem Unglück den Koffer der Tochter zurückbekommen. Ein Vater tut weiter so, als ob der Sohn noch lebt, kocht Frühstück für ihn, setzt ihn an den Schreibtisch, der zum Gedenktisch geworden ist.

In der Schule ist ein ganzer Klassenraum Gedenkraum. An jedem Tisch sind Fotos der ertrunkenen Schüler und viele Blumen. Eine Mutter und eine Tochter stehen am Meer, werfen Blumen und Süßigkeiten hinein, rufen nach dem Ertrunkenen.

Dann geht Minsu Park mitten hinein in die Katastrophe. Es gibt rekonstruierte Handyvideos, die die Kinder bis zuletzt aufgenommen haben, anfangs fanden sie es lustig, denn die Sewol scheint recht langsam gesunken zu sein. Sie haben schon die Rettungswesten an und halten sich, das wird eine Mutter später reflektieren, diszipliniert an die Verharrens-Anleitung, obwohl das Schiff schon in bedenklicher Schräglage sich befindet.

Es gibt Vidoes vom Helikopter aus. Kaum Menschen, die aus dem sinkenden Schiff hinaus mit den Rettungswesten ins Meer springen oder in die immer zahlreicher werdenden Fischerboote. Es gibt Handy-Gespräche bis kurz vorm Sinken.

Das ist der rebellische Impetus des Filmes, dass die Mutter sagt, wären die Kinder nicht so diszipliniert gewesen, so wären sie vielleicht nicht ertrunken. Der Augenschein der Videoaufnahmen von der Sinksituation gibt ihr Recht.

Da Staat und Medien wenig Interesse an Aufklärung zeigen, sondern die Eltern mit Geldzahlungen zum Schweigen bringen wollen, entwickelt sich eine starke Bewegung der Eltern, motiviert aus dem Verlust der Kinder, denn das Leben ist nicht mehr dasselbe, wenn eine Familie so verletzt wird. Es gibt Demonstrationen und die Polizei greift schnell zum Tränengas gegen die Tränen der Eltern. Es gibt machtvolle Demos und solche, bei denen Eltern, Väter und Mütter sich kahlrasieren lassen. Und regelmäßige Mahnwachen. Oder Trommelkurse für die Mütter.

Die Botschaft ist subtil in dieser Dokumentation: Das Warten und die Disziplin hat den Kindern den Tod gebracht.

Beachtlich ist das Interesse von chinesischen Touristen an den Mahntafeln der Eltern.

Traurig im Hinblick auf das öffentliche Interesse ist die Erkenntnis, dass Korea wie ein Topf sei, schnell heiß und auch schnell wieder kalt. Schicksale, die einen nicht kalt lassen können.

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