Hindafing, Folge 2: Schwarze Kassen (BR, Dienstag, 16. Mai 2017, 21.00 Uhr)

Grob weitergestottert.

Nichts hat sich gebessert, nichts hat sich geklärt, lauter nicht nachvollziehbare Figuren und Szenen in Findafing in Folge zwei.

Die Story konfust wild hin und her zwischen Erpressung zwecks Enteignungsrückgängigmachung, dubiosem Fleischabfall aus der Ukraine, Toiletten-Vaterschaftstest im Wirtshaus, Flüchtlingsankunft (das Flüchtlingsthema beim Tegernseer Volkstheater mit deutlich mehr Charme und Witz behandelt), Donau Village-Problem, Koks, schlecht gespielten Eheszenen, bösem Geldeinforderer, korrektem Polizisten, den die Ghettobildung beschäftigt, Initiative „Unternehmen geben Flüchtlingen eine Chance“, Goldhammerfleisch, Leuchtturmprojekt, Beichtstuhlszene mit Helm und Katzenmusik und darnach eine Helmabnahmeverwirrszene, Tiefkühltruhe, Konto in Panama, Asylheim mit Biokantine und der Info Alfons hat mit Jackie gschnackselt. Alfons‘ Versageralptraum (aber den Versager spielt er nicht), Verbrennen von nicht klar was, Geldübergabe in blühender Wiese.

Wirrer Storywust. Es bleibt das verdruckste Storypflänzchen im Anskizzierten hängen, nicht ein Vorgang ist nachvollziehbar und somit glaubwürdig gespielt, da werden sie halt handgreiflich, was auch keine Erhellung bringt. Unsorgfältiges Buch, Casting und Regie. Mit Logik kommt man beim Entschlüsseln nicht weiter, mit Fantasie, Ästhetik oder Humor auch nicht, auch die Größe der Ortschaft bleibt rätselhaft, insinuiert wird eher, dass es sich um ein Deppendorf handelt. Nix wird dem Zuschauer exponiert, er soll wohl alles ahnen, fröhliches Storyraten. Oder dann ist es akkustisch kaum zu verstehen, wenn der Bürgermeister mit dem Pfarrer tuschelt. Der Pfarrer hat möglicherweise ein Verhältnis mit seinem Vorgesetzten, das wird anskizziert per Skype.

Manchmal Katzenmusik, manchmal jazzige Ansätze und je konfuser und lahmer die Handlung, desto aufgeregter spielt die Musik zur teilweisen Spukbeleuchtung.

Es ist unzumutbar, dass einkommensschwache Haushalte, sich das Geld für die Zwangsgebühr absparen müssen, damit solch unsorgfältig gearbeitete Ware produziert wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein Sandkasten. Gerade durch das sozial unausgewogene Finanzierungssystem hat er eine besondere Verantwortung im Umgang mit den Geldern. Davon ist hier nichts zu spüren.

Der Serie wäre ein schneller Exitus zu wünschen mit einer Explosion wie am Ende dieser Folge. Der kann genauso unvorbereitet kommen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Hindafing, Folge 1: Donau Village (BR, Dienstag, 16. Mai 2017, 20.15 Uhr)

Stotternder Kaltstart.

Hindafing ist ein schrecklicher Ort. Hier werden Menschen in Kühltruhen gefangen gehalten und mit kaltem Wasser abgespritzt. Dann wird die Kühltruhe wieder verschlossen. Mit dieser Szene wird Hindafing eisgekühlt und als Ort des Horrors vorgestellt.

Maximilian Brückner spielt den Bürgermeister Alfons Zischl von Hindafing. Sein Vater ist eben gestorben.

Zischl ist ein koksender Bürgermeister, pleite, mit einer Trutschen von Vorzimmerdame, einer deppert-dementen Mutter, einem Traum von einem Donau-Village, einem Einkaufszentrum auf der grünen Wiese; er ist eine Figur, die hinten und vorne nicht durchdacht scheint, mit einer stillebenmalenden Gattin (du isst gerade mein Motiv), die einen auf Dame macht (merkwürdiger Gegensatz zu seiner Bodenständigkeit, den die Inszenierung aber nicht ausreizt), einem ererbten Schwarzgeldkonto, dessen Auto während der Beerdigung vom Vater abgeschleppt wird (in Hindafing!) der einen Tresor zertrümmert und ein offenbar gestörtes Vaterverhältnis hatte (laut Erzählinfo), der sich Gedanken über den ökologischen Fußabdruck macht und über den Fußabdruck der Menschlichkeit (womit er zum Thema Asyl überleiten will), der betrunken Auto fährt und nachts mitten auf einem Platz an einen Laternenpfahl bieselt.

Die Themen schießen kreuz und quer, vom Pfarrer, der offenbar das Drehbuch in der Hand hält und voll daneben ist, wie nie ein Anfänger daneben sein würde, zwischen dem Showroomwunsch von Zischls Gattin, dem Frisiersalonwunsch von anderer Seite, der Autobahnanschlussforderung des Investors, der Asylantenaufnahmeforderung eines höheren Politikers, der Jahresversammlung des Kaninchenzüchtervereins, der wohl aus BR-Spargründen vor allem aus Kindern besteht (armes Fernsehen) und die politische Auseinandersetzung findet am Rande des Jugendfußballes statt oder in der Sauna, in der keiner schwitzt.

Brückner spielt die einzelnen Situationen glaubwürdig, ist bis auf ein zwei Randcharaktere die einzig überzeugende Figur, aber sein Charakter bleibt nebulös, ist er ein idealistischer Halloderi?

Brückner ist umgeben von einem Schwarm von hokuspokus uninspiriert besetzten Chargen, die sich vornehmlich im grobbayerischen Fach tummeln (nebst dialektfarbenscheuem Beifang) und ins Fernsehen drängeln.

Es fehlt das Schlitzohrig-Hinterfotzige, das Charmante. Stattdessen wirkt die Bemühung gewollt. Die Anzahl belastbarer Fakten, die die Geschichte in den Senkel stellen, muss mit der Lupe gesucht werden. Es fehlt der menschliche Fußabdruck. So humorfrei wie ohne Herzlichkeit.

Will der BR mit dieser Billigbemühung in allen Gewerken erzählen, dass er sparen muss, weil die Pensionen einfach zu viel Geld verschlingen? Der BR sollte sich überlegen, weniger und dafür Qualität zu produzieren. Ein Indiz für das gewisse Etwas einer Serie ist die Vorfreude auf die zweite Folge: die ist hier gleich Null, der Gedanke daran ist quälend.

Den Autoren Niklas Hoffmann, Rafael Parente, Boris Kunz (dieser führt auch die Regie; Drei Stunden) fehlt offenbar das Wissen über die dynamische Funktion innerer Konflikte der personae dramatis für das Aufblühen einer Erzählung: sie konstruieren lediglich Szenen mit Interessenkonflikten, der eine kommt dem anderen ins Gehege, was den Inhalt auf Futterneiddramaturgie verkürzt und die Menschen auf primitivem Niveau handeln lässt (beim Bürgermeister gibt es verquere Hinweise auf einen Vater-Sohn-Konflikt; da aber der Vater tot ist, kann der nicht mehr ausgetragen werden). Die Vorgänge sind an jedem Schnäppchentisch im Supermarkt oder beim Gerangel um einen Sitzplatz im Bus, in Tram oder U-Bahn spannender zu beobachten.

Das Tegernseer Volkstheater ist Labsal dagegen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!