Der große Polt – Gemütlichkeit am Abgrund (BR, Samstag, 6. Mai 2017, 22.05 Uhr)

Der Grosse Polt – Ein Trauerspiel.

Ein Trauerspiel ist diese Doku von Sandra Wiest über den großen Gerhard Polt. Ihn zu zeigen als alternden Humoristen in der Stadthalle von Grafing, wie er wie ein Pennäler versucht, einen albernen Alkoholsportler-Sketch vorzutragen, das ist ein Trauerspiel. Und nicht nur das.

Er scheint nicht aufhören zu können, wie Gisela Schneeberger meint. Und dann wird die Sendung am Ende noch umfunktioniert zur reinen Buchwerbung für das neue Buch, in dem der Polt sein Buch als „Großen Polt“ bezeichnet – Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man – auch im BR – ohne ihr.

Von Polts Hintergründigkeit, wie er sich wie ein U-Boot in die Hirnwindungen der Bayern einschleust und die Wege darin verfolgt und darüber erzählt, davon kommt hier kaum was rüber, bis auf einige Szenenausschnitte aus früheren Werken, allesamt berühmt und verdient.

Neu war mir die Info, dass der protestantische Polt als Bub in Altötting zum Katholiken gemacht wurde und dass ihn Bargeld von den Pilgern mehr angelacht hat als mitgebrachtes Essen.

Sandra Wiest übergeht die Wirksamkeit von Polt beim Volk, das ihm die Einschaltquoten beschert und die Säle füllt, das ihm die Millionen bringt. Kein Feedback aus dem Volk. Nur einfältige Bebilderei mit zwei Enten, wenn der Satz fällt, dass ihn das Tiefgründige interessiere (Zusammenhang: sein Traum, Bootsverleiher zu werden).

Die Dokumentaristin als Promihusche (man soll neue Begriffe erfinden, fordert der große Polt mit dem Großen Polt), sie sucht Promis auf, allesamt solche, die im Windschatten von Polt oder kreativ mit ihm zusammen waren (und kein Wort über das abgründige, menschliche Zerwürfnis zwischen ihm und Müller wegen Schneeberger und Müller). Sie lässt die Promis quasseln, öde, öde, über das Genie, das er zweifellos ist.

Aber das Volk kommt nicht zu Wort, wie er in ihm lebendig ist. Die Promis drögen wie üblich ihren Auftritt als Werbung für sich selbst ab. Wobei in früheren Film- und Theaterausschnitten einmal mehr deutlich wird, was für eine grandiose Schauspielerin Gisela Schneeberger ist, es aber niemand gibt, der groß genug ist, ihr noch gute Rollen zu schreiben. Das ist ein zweites Trauerspiel, was hier offenkundig wird.

Das dritte Trauerspiel ist, dass Polt mehr verdient hätte als eine Promi-Quassel-Hommage durch eine Promischwuppe, dass ihm so ein Gesülzgewülze keineswegs gerecht wird und das vierte ist, dass er das mit sich machen lässt. Aber vielleicht ist er noch wie der Bub von einst, den Bargeld anlacht, und der mit dem Buchverkauf solches wieder zu sehen zu bekommen hofft, weshalb er sich die Chance auf diese Buch-Direktwerbung nicht entgehen lassen will. Denn jeder Kabarettist ist auch ein Manchester-Kapitalist, das kann nicht oft genug wiederholt werden, je mehr Leute zu seinen Auftritten kommen oder je mehr Bücher er verkauft, ein desto größerer Kapitalist wird er.

Und hier kommt das nächste Trauerspiel zum Tragen: es kann wohl nicht sein, dass einkommensschwache Haushalte von ihrem knappen Budget die Haushaltszwangsgebühr zur Finanzierung des Gemeinschaftswerkes öffentlich-rechtlicher Rundfunk sich hart abknapsen müssen, damit ein Millionär wie Polt Werbung für sein neues Produkt machen darf. Hier wird Kabarett asozial. Und hat nichts mehr zu suchen in einem zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!