Alles für die Katz.
Gedacht
hat Sebastian Stern (Die Hummel) sicher gut: er will dem Zuschauer einen Mann mittleren Alters zeigen, der mitten im Leben steht, der einen Job in der Verwaltung von Pegasus Papier hat, verheiratet ist, Vater einer pubertierende Tochter ist.
Stern will nun zeigen, wie wenig es braucht, bis die Welt von Hans zusammenbricht. Dazu trägt bei, dass er offenbar ein Mensch ist, der sich nicht allzu gut wehren kann, der in vielen Jahren Betriebszugehörigkeit nie eine Gehaltserhöung verlangt hat, der sich zuhause nicht traut zu sagen, dass er den Job verloren hat und sowieso nicht, dass er selber den zugelaufenen Hund überfahren und im Wald vergraben hat. So weit die Erfindung einer rein klischeehaft unmutigen, ängstlichen Figur.
Laut Presseheft will Stern eine schwarze Komödie drehen, „über die Angst, ersetzbar zu sein und die Unfähgkeit, darüber zu reden. Über den falschen Umgang mit Problemen.“ Stern will uns eine moralische Lektion erteilen, wie man richtig mit Problemen umgeht, also auch ein Lehr- und Belehrfilm. Er will einen Film machen „über Nicht-Kommunikation und den Umgang mit Problemen“.
Realisiert
hat er diese frei erfundene Geschichte mit den frei erfunden Figuren mit einem Ensemble bis in die kleinste Rolle aus namhaften Darstellern aus dem Suventionstümpel, die überwiegend gepflegt und verständlich sprechen, was den Nachteil hat, dass die vielen moralischen, belehrenden und auch Papiersätze erschreckend krass die Komödienuntauglichkeit seines Drehbuches (zu dem noch eine Beraterin in Abspann sich gesellt, was die wohl beraten hat?) zur Geltung bringen.
Es fehlt der Komödie am Sprungbrettern, von welchen aus die Pointen ihre Salti schlagen könnten. Es fehlt ihr an Studium der Charaktere, die Voraussetzung für Komplikationen und Konflikte und Sichtbarmachung von fehlgeleiteten Situationen und Erwartungen sine-qua-non sind. Es sind Papierfiguren mit Papiertexten. Der Film erstirbt am eigenen Anspruch, weil es schlicht am Komödienhandwerk fehlt. Das einzige Requisit ist der Hund, der die Message von Sebastian Stern zum Tragen bringen soll. Die häufigen kommentierenden Klavierklimpertöne sind wohl als Hinweis auf Pointenabsicht zu deuten.
Stern inszeniert sauber, direkt edel sieht es aus, sehr gepflegt, wie die Küchenauslagen bei Kustermann. Es sind Klischees in steriler Reinkultur, just deshalb packen sie nicht. Die 86 Minuten ziehen sich wie endlose drei Stunden. Ein typisches TV-Filmförder-Projekt, das sich im Kino kein Hund anschauen möcht, weil die präpotente Erzählhaltung abschreckt.
Sätze, typisch TV, aber nicht Kino.
Mama, weißt du überhaupt noch, wie sich Liebe anfühlt?
Die Finnen haben die Firma übernommen. (Untertext: haben wir das nicht gut recherchiert: Finnen, die sich für eine Papierfabrik interessieren?)
Sei froh, dass du bei dem globalisierten Krampf nicht mitmachen musst (plus Klavierklimperkommentar, war eine Pointe!).
Kannst nicht lauter rufen? Du musst schon lauter rufen.
Muss das sein mit dem Rauchen in deinem Alter? (Moralisch korrekter Satz an den Nachwuchs)
Du Hans, kannst du dir nicht morgen frei nehmen, dann kannst du beim Suchen helfen?
Entschuldigung, ich bin auch noch da. Sie hatten nicht versehentlich mein Bier genommen? Das hatte ich bestellt (weltfremder Bardialog, garantiert humorfrei).
Du bist ernst und echt unbrauchbar, merkst du das nicht.
Der Hund hat uns so gut getan.
Ich glaub, ich geh jetzt lieber, dann erwisch ich noch den Bus und Sie sollten auch lieber ein Taxi nehmen (Moral: kein Alkohol am Steuer! Taxi ist korrekt, in diesem Bierernst leider ohne jegliche Komödientauglichkeit).
Ich finde, wir sollten nichts übers Ziel hinausschießen (wow, wäre nicht just das ein irrer Komödienparamter?).
Belehrender Input.
Stern will Dinge deutlich machen: die Mechanismen der freien Wirtschaft (Übernahme der Papierfabrik durch die Finnen), die Mechanismen der Automobilwerbung (sie verheißt Glück), die Mechanismen esoterischen Gurutums (dazu gibt es eine beispielhafte Sitzung). Das wirkt alles belehrend. Der Zuschauer kommt sich vor wie einer, dem eine Wahrheit eingetrichtert werden soll, die ihm eh längst augenfällig und bewusst ist. Die Frage wäre, ob es dem Film gelingt, wenigstens einen Zuschauer in dieser Hinsicht aufzuklären, dem diese Dinge noch nicht klar sind – und ob dieser Zuschauer, den Weg zu diesem Behufe ins Kino findet, ob der nicht lieber sich im Autohaus von einer Verkäuferin bezirzen lässt.
Das Motiv des Plakates, das die Glücksgefühle verspricht, wird überstrapaziert, kommt zu häufig vor. Serge Bonneur (Walter Hess) als Glücksguru wird nicht komödien-, sonderb vhs-haft belehrend eingesetzt. Man kommt sich unweigerlich vor wie in der Volkshochschule, die einen über falsche Glücksbringer oder die Werbung der Autoindustrie aufklären möchte. Stern gibt den gesellschaftlichen Beobachter, der das Beobachtete mit der Pinzette anfasst und sauber präsentiert; nur wird dadurch leider keine Komödie daraus.
Diese überhebliche Position wird auch erkennbar an der Opernarie, die Stern über Impressionen von einer Hundewiese legt. Was sind wir doch erhaben über Hündischem.
Auch die Benennung der zugelaufenen Hundes als Kurt in Form einer Hommage an Kurt Cobain wirkt intellektuell überheblich. Wir machen hier ganz große Kunst, alles ist kunstdurchdrungen, da müssen die Fernsehredakteure und Filmförderer die Gelder fließen lassen, sie können sich doch keine Blöße geben.
Es scheint eine massive Diskrepanz zu herrschen zwischen den Ideen des Regisseurs und Autors und dem, was er herstellt. Diese Diskrepanz zwischen Können und Selbsteinschätzung ist nicht geringer als bei Amerikas Präsident Trumps Selbsteinschätzung von sich als Politiker.
Story.
Hans (Justus von Dohnany – der könnte Komödie!) wird gekündigt und erhält eine Abfindung. Damit kauft er einen Bentley. Seiner Frau Yvonne (Juliane Köhler, sie kann Komödie nicht!) und seiner Tochter Laura (Ricarda Zimmerer) erzählt er nichts davon. Laura (15) möchte, dass ihr Freund Fabi (Ben Cervilla Fischer), 17, bei ihr schläft. Vater findet das zu früh. Der Familie läuft ein Hund zu. Sie nennen ihn Kurt. Er bringt Gefühl und eine Idee von Glück in die Familie. Detailliert zeigt der Film, wie Hans Aushangzettel herstellt und verteilt, auf denen der Hund ausgeschrieben ist. Dann überfährt Hans mit dem verschwiegenen Bentley den Hund und vergräbt ihn im Wald. Inzwischen hat er Mike (Georg Friedrich) kennengelernt. Der soll gegen Bares der Familie beichten, dass er den Hund überfahren hat. Diese Geschichte nimmt eine Wendung, die den Film einen Moment lang interessant macht und kurz an Pasolinis Teorema erinnern lässt: wie Mike als Besucher, der die Familie mit den erkalteten Gefühlen wieder in Wallung bringt, Hoffnung verspricht. Jedoch verflüchtigt sich der kleine Storyansatz schnell wieder.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers für diese Geldverschwendung für die Katz!
Alles für die Katz. Gedacht hat Sebastian Stern (Die Hummel) sicher gut: er will dem Zuschauer einen Mann mittleren Alters zeigen, der mitten im Leben steht, der einen Job in...