Una und Ray

Una und Ray haben mal was miteinander gehabt.

Der Song über der Anfangssequenz fängt so an „Ich verlor mein Herz unter der Brücke, das kleine Mädchen … jetzt bin ich alt“, das umreißt exakt die Spanne des Filmes.

Una hat Ray angemacht, provoziert. Sie waren Nacharn. Sie haben eine geheime Zeichensprache entwickelt, einmmal das Telefon klingeln lassen oder das Auto so oder so geparkt hat bedeutet, ich habe Zeit. Dann war die Luft rein. Sie trafen sich im Park.

Dort folgt die Kamera den beiden bis vor eine grüne Wand aus prächtigen Laubbäumen mit einem kleinen Durchlass. Hier verschwinden unsere Liebenden. Die Kamera bleibt lange auf dem Grün. Ein alter Trick des Filmens, um die Fantasie des Zuschauers anzuregen, zur Erzeugung von Geistarbeit.

Die musikalische Untermalung der Geschichte wirkt wie Geräusche aus einem Nebenraum oder wie Rumoren im Unterbewussten, dass vielleicht was an den Tag kommt, sie erzählt von Dingen, die keine Ruhe finden.

Denn die Liebe zwischen Ray und Una ist keineswegs legal und gleichwertig. Una ist minderjährig, eine junge Frau im knackigsten Moment ihres Aufblühens, voll wilder Gefühle, Ahnungen, Neugierde und Sinnlichkeit.

Ray dagegen ist ein erwachsener Mann, ein Nachbar und ein Freund des Vaters von Una. Er ist schwach und verführbar. Die Sache kommt an den Tag und vor Gericht. Die Aussage von Una wird aus Kinderschutzgründen auf Video aufgenommen. Sie fragt nur traurig, wo denn Ray sei und wieso er plötzlich verschwunden sei. Eine unvollendete Geschichte mit einem abrupten Schnitt.

Dieser Film von Benedict Andrews nach dem Drehbuch von David Harrower auf Grundlage seines eigenen Theaterstückes erzählt die Geschichte mit einer diskreten Verhaltenheit und Distanz, als suche er aus dem Haufen des Materials die Szenen, die ihr am gerechtesten werden.

Der Film beginnt 15 Jahre nach dem gewaltsamen Abbruch der Liebesbeziehung und verwebt sofort klug und sachte Vergangenheit und Gegenwart, wobei die Vergangenheit Una (Rooney Mara) umtreibt, denn die Sache ist für sie nicht erledigt. Sie hat Schaden genommen durch das Auffliegen der Geschichte und deren Konsequenzen.

Una lebt ein, hm, ängstlich-behütetes Leben mit ihrer Mutter, die alles daran setzt, diese Geschichte als ein abgeschlossenes, abgelegtes Kapitel zu behandeln, das heute nichts mehr zu bedeuten hat, das faktisch inexistent ist. Wohnlichkeit in der Stube der Verdrängung.

Aber die Geschichte lässt Una keine Ruhe. Sie findet heraus, dass Ray (Ben Mendelsohn) unter anderem Namen gar nicht allzuweit entfernt ein neues Leben angefangen hat, in welchem die Geschichte mit Una nicht vorkommt. Una dringt, ohne sich um die Sorgen von Ray alias Peter zu scheren, in dessen Leben ein. Sie möchte die Fragen beantwortet haben, die sie als Minderjährige damals gestellt hat. Dadurch bringt sie unweigerlich Turbulenzen in das ruhige und geordnete Familien- und Berufsleben von Ray.

Der Film zeigt eindrücklich und sensibel, dass der Begriff Kindsmissbrauch ein ziemlich fragwürdiger Begriff sein kann, ja dass er mit seinen juristischen Konsequenzen weitaus mehr Unheil anrichten kann als es möglicherweise der Fortgang jener Geschichte vor 15 Jahren getan hätte; wobei das Spekulation bleibt.

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