Boston (Patriots Day)

Ein Gedenkfilm an die Opfer des Attentates beim Boston Marathon von 2013 von Peter Berg + 5 Koautoren; er erzählt im Stile modernen Handykamerarealismus‘ und aus der Position eines allseitig informierten Erzählers.

So kommt etwas zustande, was in etwa in eine Akkumulation der üblichen Sensationsberichterstattung mündet, was wir in letzter Zeit sattsam bis weit in die sogenannten seriösen Medien hinein vorgesetzt bekommen haben. Dadurch bleiben beim distanzierten Europäer eher die vielen Flugaufnahmen von Boston in verschiedenen Stimmungen hängen.

Eine ganz große Nummer leistet das Knie des Protagonisten Sgt. Tommy Saunders (Mark Wahlberg), der hier wie schon in Deepwater-Horizon einen rechtschaffenen amerikanischen Helden mimt. Für das Knie gibt es extra eine Einführungsszene. Er und seine Kollegen vom Revier von Watertown bei Boston müssen einen Verdächtigen befragen. Dieser öffnet die Wohnungstür nicht. Mit einem Akt, als müsse er einen Bohrturm retten (siehe Deep Water Horizon mit demselben Regisseur) tritt Saunders die Tür mit einem ungeschickten Knie/Fuß ein. Worauf sich die Kamera erst mal um die Krümmungen der Saunders-Figur kümmert, bevor es zur Befragung des Verdächtigen kommt.

Zuhause im Anwesen Saunders geht die Knieversorgung weiter. Beim Einsatz im Zielbereich des Marathonlaufes, bei dem es zu dem Terroranschlagen kommen soll, lässt Saunders sich von seiner kinobildhübschen Frau Carol (Michelle Monaghan) eine moderne Gelenkschiene bringen. Und wenn immer er einen Gang tut, wird er gekonnt humpeln.

Das hat alles nichts mit dem Hauptplot zu tun. Vielleicht fühlte sich Walberg schlicht nicht ausgefüllt mit der zweckdienlich geschriebenen Figur als dem Polizisten, der ein bisschen durch das Geschehen führt, der in der Nähe des Attentatortes Dienst schiebt, der als erster per Funk die Polizei- und Rettungsmaschinerie in Gang setzt, der ganz nah zu den Bomben kommt, wie seine Frau ihm die Schiene überreicht, der den Mund aufmacht, wenn das FBI sich zu selbstmächtig aufführt, der in der Verfolgung der Attentäter, Erschießung des Kopfes der beiden und Ergreifung des Lockenkopfes nah dabei ist, der aber natürlich nicht der Polizist ist, der von diesen erschossen wird.

Als Spannungsmittel setzt Berg Stundenangaben ein, kurz knapp als Weißtext eingeblendet durch einige Tage, manchmal schreibt er auch nur, wie viele Stunden seit dem Attentat vergangen sind. Damit will er die Effizienz der verfolgenden Behörden belegen, deren Spitzen nach Mafiaart in schwarzen SuV-Konvois anrauschen. Ihre Tüchtigkeit wird zudem belegt anhand des Aufbaus des Lage- und Investigationszentrums. An unübersehbar vielen Bildschirmen sitzen Mitarbeiter und checken die Aufnahmen von Überwachungskameras durch (diese sind also nützlich und nötig) und in einer Lagerhalle oder einem Hangar haben sie die Attentatsstelle massstabgetreu nachgebildet mit den Requisiten, die dort liegen geblieben sind.

Draußen findet eine veritable Menschenjagd im menschenverlassenen Boston statt. Im übrigen gehört zu dieser auktorialen Machart, dass erst einige wichtige Figuren vorgestellt werden, die späteren Attentäter, ihr Zuhause bis zum ahnungslosen Studenten, der später als Geisel genommen wird – dem armen Chinesen haben die Drehbuchautoren noch die Anbahnung eines zarten Liebesverältnisses zugeschrieben. Aber auch der Polizeichef und der Gouverneur werden im Vorfeld vorgestellt.

Am Ende des langen Filmes gibt es einen langen Epilog. Originalzeugen dürfen ein Statement abgegeben und dann folgen die Sterbebilder der Opfer mit Namensnennung und Angabe der Lebensdauer, deren aller Leben in 2013 endete. Spätestens da wird klar, dass der Film verdeutlichen will, dass einerseits der amerikanische Staat stark ist und dass andererseits die Menschen das Unglück in positive Energie umwandeln, näher zusammenrücken (so wie die Politiker es auch bei uns nach dem Berliner Weihnachtsmarktattentat schönrednerisch formuliert haben) und der Beinamputierte springt drei Jahre später wieder mit einer Beinprothese beim Marathon mit. Ein Mutmachfilm gegen Terrorismusverzagtheit.

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