Mit voller Gemetzelfaust und Gefühlskeule aufs Auge
haut Mel Gibson mit dieser „wahren Geschichte“ (nicht etwa „nach einer wahren Geschichte“), denn Skeptizismus liegt ihm und seinen Autoren Andrew Knight und Robert Schenkkan fern.
Dabei hätte die Geschichte durchaus etwas Faszinierendes und Überraschendes. Der Soldat Desmond Doss (Andrew Garfield), ein Mitglied der Siebenten-Tags-Adventisten, will sich im Zweiten Weltkrieg zum Militärdienst melden, weigert sich aber aus Glaubensgründen, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Verkomplizierend kommt hinzu, dass er als streng Gläubiger am Samstag nicht arbeiten soll. Die Bibel mit einem Foto seiner Freundin und einem Stoff-Bändchen von ihr drin wird sein Kriegsbegleiter sein.
Bemerkenswert an dem Fall ist auch, dass das nach amerikanischem Recht tatsächlich möglich ist. Um das zu klären wird Desmonds alkoholkranker Vater und Erst-Welt-Kriegs-Veteran Tom (Hugo Weaving) einen bemerkenswerten Auftritt vor einem Militärgericht haben, um diese Info mit hochoffiziellem Siegel in die Verhandlung, die Desmond eben zum Gefängnis verurteilen will, einzubringen.
Noch ungewöhnlicher an dem Fall ist, dass der Kriegsverlauf Desmond bei der Schlacht um Okinawa die Chance zum Heldentum gibt. Er rettet im Alleingang 75 Soldaten vom blutigen Schlachtfeld, seilt sie mit übermenschlicher Anstrengung über eine Steilwand ab und wird dafür später als der erste von nur zwei Empfängern als Waffenverweigerer mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet.
Mel Gibson scheint dem heutigen Kino wenig Überzeugungsstärke zuzutrauen. Deshalb greift er zu den emotionalst möglichen Mitteln, wählt aus der Geschichte die Szenen mit dem stärksten Empfindungsgehalt aus, wo sich verabschiedet wird, eingerückt, wo gekämpft wird, Blut abgenommen, wenn Desmond als Bub seinen Bruder fast mit einem Ziegelstein erschlägt, in der Militärausbildung die Drill- und Schreiszenen oder die Verbindung von Blutabnahme und Liebesgeschichte zur Krankenschwester Dorothy Schutte (Teresa Palmer).
Was er sich an Kriegsszenen auswählt, das kann hochgerechnet werden, es wird sehr viel Bühnenblut fließen in einem blutrünstigen Schlachtfeldspektakel, einer Kanonenfutterorgie und es wird viel Pulver verschossen und Feuerzauber entfacht werden, es werden viele, übel zugerichtete Leichen zu sehen sein und es ziehen sich diese Schlachtfeldszenen mit kaum narrativem Gehalt, bei denen der Zuschauer keinerlei Orientierung hat, in die Länge.
Auf der Tonspur bedeutet der Zugang Mel Gibsons zum Kino: draufdrücken was an Phon und fetter Aufgeplustertheit möglich ist.
Meines Erachtens sind das Mittel, die einer altertümlichen Vorstellung von (unrealistischem) Kino entsprechen (der Held womöglich aus tiefer Perspektive fast überiridisch und kinoheilig), sie erzählen dauernd, dass Gibson glaubt, nur so seine Message vom braven Soldaten dem Publikum einflößen, einhämmern zu können, so wie Desmond den Schwerstverletzten gerne die Morphiumspritze setzt.
Richtig skurril sind am Schluss Statements von damals Geretteten, alten Männern, gezeichnet vom Leben und vom Krieg.
Mit Andrew Garfield in der Hauptrolle hat Gibson einen glaubwürdigen Hauptdarsteller gefunden.
Ein Gefühlsschinken um den Satz: er wird behandelt wie ein Krimineller, weil er nicht töten will.
Man könnte sich seine eigenen Gedanken machen. Nach dem Satz, dass Soldaten Mörder sind, würde Desmond Mörderleben retten …