Polizeiruf 110: Sumpfgebiete (ARD, Sonntag, 27. November 2016, 20.15 Uhr)

Warum dieser Polizeiruf nach dem Buch von Holger Karsten Schmidt und Volker Einrauch nach einer Idee von Ulrich Limmer in der Regie von Hermine Huntgeburth unter der redaktionellen Oberaufsicht von Cornelia Ackers so betulich, so behäbig wirkt, umso mehr, als er recht klar und ohne allzuviel Storyschnickschnack erzählt und inszeniert ist? Das dürfte am Sujet liegen.

Der Film pfropft sich auf den Fall Mollath auf (ungenehmer Mensch wird jahrelang in die Psychiatrie gesteckt), verdreht aber die Rollen. Julia Wendt (Judith Engel, einer der starken Castingpunkte in diesem Film) kommt aus der Psychiatrie, in der sie fünf Jahre eingesessen hat, weil sie eine Liste von Steuerflüchtlingen der bayerischen Bank, bei der ihr Mann gearbeitet hat, zu veröffentlichen drohte.

Der Film fängt nach ihrer Entlassung an. Er behandelt jetzt aber nicht das brisante Thema des Falles Mollath, die Psychiatrie als Inhaftierungsersatz für unbequeme Individuen, sondern konzentriert sich auf die Beschaffung der Liste – einerseits und weil genügend Zeit ist, auf die Auswalzung der Meuffelsfigur als einer Fettnäpfchentreterin á la René Zellweger als Bridget Jones andererseits.

Meuffels wirkt inzwischen wie eine Primadonna, die andauernd über die eigenen, viel zu langen Röcke stolpert – dadurch nicht glücklicher wird und die hier mit furchtbaren Wunden nach wenig überzeugenden Actionsszenen ziemlich daneben geschminkt ist; Realismus offenbar nicht beabsichtigt.

Meuffels begeht andauernd Dienstverstöße. Er lässt gleich zu Beginn die Wohnung eines gewissen Kladic (Thomas Haydn) verwanzen; Julia Wendt wird bald schon Opfer eines Verkehrsunfalles. Der Kommissar ist Augenzeuge, unternimmt merkwürdig untalentierte Rettungsversuche, alarmiert weder Notfall noch Polizei, komische Nummer am Boden. Ihm wäre dringend ein Erste-Hilfe-Kurs zur empfehlen.

Die Figur Meuffels wirkt jetzt insofern noch fahriger mit seinem schuldbewussten Hindurchwirren durch den Krimi, als er den Chef Alexander Beck hat. Ulrich Noethen, nach Judith Engel, die zweite markante Figur. Noethen dank Bayerisch und Bart plötzlich geerdet, gewinnt Statur, richtige Krimistatur und Souveränität – wenn das der Krimi um ihn herum nur auch tun würde.

Durch die Betulichkeit der Erzählung kann man sich schön mit den Figuren beschäftigen. Sich wundern, was der Sigi Zimmerschied spielt, Hobbymaler und Privatdetektiv? Ok, wenn man es anschreibt, dann wird es wohl so sein. Eine aalglatte, geleckte Landeskriminalamtsfigur, mit der man nichts zu tun haben möchte, bietet Oliver Masucci als Matthias Dell. Ulrike Arnold ist die Leiterin der Psychiatrie, Dr. Kessel, der schwer etwas entgegenzusetzen ist; das Herrschaftliche von Ärzten, deren Machtspielchen perfekt beherrschend und einsetzend.

Meuffels scheint, je länger er in München ermittelt, desto mehr Schwierigkeiten mit dem Verständnis des Bayerischen zu haben – eine retrograde Entwicklung. Den Märtyrer scheint er gern zu spielen. Das sind alles Dinge, die nicht mal schauspielerisch besonders sind und deutlich dem Film Spannung entziehen. Was erst recht weh tut, wenn der Film mit seinem Plot auf ein brisantes Thema hindeutet und dieses nicht erfüllt.

Problem: Der Fall Mollath und die Psychiatrie sind spannender als Meuffels als Jäger der verlorenen Liste; das grenzt an Tragikomödie mit einem Hau ins Mitleiderregungs-Melo.

Hingeschludert inszeniert: die Krankenhausfluchtgeschichte.