Das Versprechen – Erste Liebe lebenslänglich

Dokumentation über eine Tragödie klassischen Ausmaßes, einer Verkettung von Schicksalen und Umständen, die zu maximalem Unglück führt; ein Justizthriller mit einem glaubwürdigen Empathieträger als Protagonisten, dem Deutschen Jens Söring, der seit über 20 Jahren unschuldig – die Behauptung legt diese erstklassige und spannende Dokumentation von Karin Steinberger und Marcus Vetter glaubwürdig dar – in einem der schlimmsten, hinterwäldlerischsten Knaste in den USA einsitzt.

Markus Vetter hat schon beeinruckt mit The Forecaster (ebenfalls mit Karin Steinberger) und
The International Criminal Court.

Hier schildert er mit seine Koautorin und Koregisseurin den Leidensweg von Jens Söring, einem hochintelligenten Dipolmatensöhnchen, das in einer geschützten Blase aufgewachsen ist, Diplomatenmilieu und feine Privatschule, und der mit 18 nach dem Gewinn von gleich zwei Spitzenstipendien in den USA bei seinem ersten Schritt in der freien Wildbahn in Virgina verhängnisvoll der älteren Elizabeth Haysom begegnet, sich Knall auf Fall verliebt in sie, und sich von ihr manipulieren lässt mit brutalen Folgen.

Elizabeth selbst ist ein klassischer Tragödienfall, von der Mutter seelisch missbraucht, sie sollte die perfekte Tochter sein, wodurch sie das Lügen von der Pieke auf gelernt hat, Vorzeigestück für den Vater, all das, was sie Männer hassen und benutzen lässt, was sie unfähig zur Liebe macht. Parallelen sind in Pedro Almodovars Julieta zu finden. Wobei hier nicht der Wunsch besteht, die Mutter zu töten.

Elizabeth aber will ihre Eltern, die sie gezeugt, erzogen und gleichzeitig verhindert haben (meine Interpretation) aus dem Wege schaffen. Sie zieht Jens mit hinein in das Komplott, obwohl er nie am Tatort gewesen sein kann, wie mehrere Spuren von Anfang an und inzwischen auch DNA-Spuren glaubwürdig belegen, auch seine frühe Aussage vor Gericht, die ermordete Mutter hätte Jeans getragen, hätte als Indiz für seine Ahnungsosigkeit genommen werden müssen.

Da ist aber diese Vernarrtheit in Elizabeth, der zuliebe er bereit war, ein Alibi abzugeben, ja sogar den Mord zu gestehen. Sein schlaues Kalkül war, dass er als Diplomatensohn mit leichten Blessuren davonkommen würde. Er will mit ihr rund um die Welt zu fliehen. Er beginnt Scheckbetrug mit ihr, die sich als dicke Lügnerin entpuppt. Er handelt inspiriert von Charles Dickens und von Romeo und Julia. Vermischung von Realität und Bildung oder wie Liebe blind machen kann.

Die weiteren Mitspieler in diesem grausamen Drama sind die Justiz, die Politik und der Strafvollzug von Viriginia, hilflos altertümlich, hilflos provinziell, einem hochintelligenten Menschen wie Jens in keiner Weise gewachsen und ihn allein als Fremden von vorneherein verdächtigend, tumb und blind gleichermaßen.

So kommt ein Drama zustande, das nicht nur Leben und Zukunft von Jens kaputt macht, sondern auch das seiner ganzen Familie, seine Mutter habe sich zu Tode getrunken.

Looser in dieser Angelegenheit ist sicher auch der Staat Viriginia und damit das Amerika unter Obama, das ein peinlich vorgestriges Bild abgibt (der Richter sei mit der Klägerpartei seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden!).

Aber auch der deutsche Staat muss erwähnt werden, insofern, als er in diesem Film keine Erwähnung findet, das wundert nicht nach dem Fall Kurnaz. Hier hat ein deutscher Außenminister den deutschen Bundesbürger wissentlich in Guantanamo schmoren lassen. Dieser deutsche Außenminister ist jetzt wieder deutscher Außenminister und er scheint wieder zu feige zu sein, sich mit Amerika wegen so einem Einzelfall anlegen zu wollen (und so einer will Bundespräsident werden!), wobei es sich sogar um den Sohn eines Mitarbeiters seines Ministeriums handelt. Aber so ein Außenminister lebt offenbar nicht weniger in einer Blase, als der junge Jens es getan hat, Blasen, die Dramen, wie das hier beschriebene befeuern.

Lob gebührt den öffentlich-rechtlichen Sendern, die mit der Unterstützung dieses Filmes ihrem Auftrag essentiell gerecht werden.

Der Film ist eine Zusammenstellung aus Archiv- und News-Footage, von heutiger Recherche und einem einzigen, erlaubten Interview mit Jens Söring im Gefängnis.

Zum Thema Drama: speziell die Aussagen von Elizabeth in ihrem Prozess sind nicht weniger faszinierend als es diejenigen irgend einer Hollywood-Leinwandgöttin sein könnten: dieses feine Gesicht, die leise Stimme, die hohe Konzentration; mit Lady Macbeth hat sich Elizabeth identifiziert. Auch die vielen Nebendarsteller, die meisten unfreiwillig, wie Anwälte, Journalisten, Detektive, Polizisten, Profile, Psychiater, Pfarrer sind ein hervorragender Cast, würde man in einem Spielfilm sagen. Sie tragen das ihre bei zu einer aufregenden Dokumentation, die selbst zum Mitspieler wird, der zur Auflösung der dramatischen Situation beitragen soll.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert