Schweinskopf al Dente

Die Umgebung macht’s, die Typen in Landshut und Umgebung, in Niederkaltenkirchen, die die Preziosen dieser erneuten Rita-Falk-Verfilmung von Ed Herzog nach dem Drehbuch von Stefan Betz verständlich, zwingend, begreifbar machen: einige der Kommentare, die wie Trockenfutter wirken, von der Hauptfigur, Dorfpolizist Franz Eberhofer, Sebstian Bezzel, wenn sein Chef moniert, dass er das mit der Flucht des Gefangenen Küstner, erst jetzt erfahre, meint Franz, dass das etwas gedauert habe oder sein „super“, wenn er sich auf ein geschenktes Wellness-Wochenende auf dem Bauernhof mit seiner Susi freut, Lisa Maria Pothoff.

Mit Susi verbindet ihn die Sehnsuchts- und Liebesgeschichte, die ihm wegen seiner Schüchternheit zu misslingen droht, denn der Chef der Pizzeria Potenza in Italien ist draufgängerischer bei dem unentschiedenen Mädel.

Mit einer schüchternen Szene im Büro, die eine Aussprache mit Susi werden soll, fängt der Film an; vor der Tür lauert die ganze Belegschaft; das ist deutlich und bauerntheatralisch inszeniert.

Seine Umgebung scheint Franz zu diesem unergründlichen, eingschüchterten Typen gemacht zu haben, der in seiner eigenen Welt lebt und nur deren Gesetzen zu gehorchen scheint, wobei sein Job als Dorfpolizist doch das Hüten und Durchsetzen der Gesetze der realen Welt wäre.

Die Oma, Enzi Fuchs, lässt sich, bloß weil es ein Sonderangebot beim Frisör gibt, die Haare blau dauerwellen; das und auch die Sonderangebotsszene im Baumarkt macht sie leider zu eine Sonderangebotsoma und lässt schmerzhaft an die Oma von Ilse Neubauer aus der ersten Falkverfilmung von Ed Herzog, Dampfnudelblues, zurückdenken.

Franz‘ Vater, der Althippie Ebershofer, Eisi Gulp, ist ein freakiger, stimmiger Charakter und erst recht eine Dauererniedrigung für den braven Franz, der nirgendwo nichts ausleben kann, da steht der Sohn blaß da.

Auch das Opfer im Kriminalfall des Filmes muss allein durch seine Existenz auf Franz verstörend wirken. Es handelt sich um dessen Chef, Dienststellenleiter Moratschek, den der Sigi Zimmerschied gibt mit dem leicht verfetteten Überlebens- und Verzweiflungsmut eines Louis de Funès und Äuglein die von einer tiefen Angst, übersehen zu werden, erzählen. In dessen Bett findet sich der titelgebende Schweinskopf. Das führt dazu, dass Moratschek im Pyjama woanders Obdach sucht und beim Vater von Franz findet. Dass diese beiden in der Ménage des Wirtshauses Wolfinger zusammenstecken und wie Kids Fez machen, gemeinsam rauchen, saufen, Musik aus alt-68-er-Kassetten hören; das muss wie ein doppelter Hammer auf das Gemüt von Franz wirken.

Solche Figuren, deren pure Existenz, sind eine Dauerniederlage für Franz, dessen Kommentare dadurch zusehends trockener, introvertierter und knapper ausfallen müssten, worauf die Inszenierung allerdings keinen Wert legt.

Eine weitere Unterhaltungstype ist der gejagte Bösewicht, Gregor Bloeb als Küstner, der Moratschek bedroht, eine Farce-Figur, die dem armen, geistig-emotional dehydrierten Franz noch den letzten Tropfen Wasser entziehen dürfte.

So weit haben allerdings weder Regie noch Darsteller ihre Beschäftigung mit dem Stoff und den Rollen getreiben. Mir scheint, sie haben sich gemütlich und ohne gedankliche Anstrengung in der Bauerntheaterschiene eingerichtet und der Rest des Teams ebenfalls. Sie scheinen auf der Erfolgsschiene das Geheimnis des ersten Filmes vergessen zu haben, jene existentielle Dimension, die das Dialekttheater so abgründig machen und dessen Wirkungskreis so ausweiten kann.

Gegen diese Richtung arbeitet auch Einsatz und Inszenierung der Flötzinger-Figur von Daniel Christensen, die hier als Karat-schwächende Soft-Power aus dem Softpornomilieu à la Alois Brummer eingesetzt wird, so lustig wie wenig ein Gewinn.

Ein kleines Performance-Highlight gibt gleich zu Beginn der heftig aufspielende Verkäufer im Baumarkt mit der Elektro-Sanitär-Artikel-Nummer. Auffallen um jeden Preis, was aus der Gesamtsicht von den Filmemachern allerdings nicht im Sinne von Hinterfotzigkeit und als Punch gegen die Psyche von Franz eingesetzt wird, sondern lediglich zur erhofften Unterhaltung eines anspruchslosen Publikums zu Illustrierung des Themas Sonderangebots-Oma. Sonderangebots-Bauerntheater.

Da die Filmemacher offenbar vor allem nach dem Erfolg schielen, scheint ihnen der Drive für die Story und deren Doppelbödigkeit abhanden gekommen zu sein; sie glaubten schnell zufrieden sein zu können mit der teilweisen Charakterisierung der Figuren in Richtung „nicht ganz dicht“ oder „provinzgeschädigt“ und glauben mit dem Rekurs auf solides Bauerntheater der Rita Falk Genüge getan zu haben. Womit die Bemühung denn eher fürs TV (durchaus abwertend gemeint) geeignet erscheint denn fürs Kino; es fehlt das Verwegene; die russisch-Roulette-Nummer kommt ermüdend und spannungslos daher.

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