Vielleicht ist das das Problem eines Meisters wie Steven Spielberg, der so viel erreicht hat im Leben, wie kaum jemand erreichen kann, dass er mehr nicht erreichen kann und folglich eher damit beschäftigt ist, auch gefordert von der Umgebung, seine Meisterschaft unter Beweis zu stellen, immer erneut.
Einer der alles erreicht hat und in ungeahntem Wohlstand lebt, von dem wir nicht mal zu träumen wagen, verteidigt seine Meisterschaft. Wie will er noch das Kino oder die Welt verändern?
Vielleicht sucht er deshalb seine Stoffe auch darnach aus, wie er seine Meisterschaft am geignetsten und erneut meisterlich unter Beweis stellen kann. Die Wahl für diesen Stoff von Roald Ahl nach dem Drehbuch von Melissa Mathision scheint diese These zu bewahrheiten. Ein Märchenstoff mit einem Riesen und vielen noch riesigeren Riesen und einem kleinen Mädchen, Sophie, das in einem Waisenhaus nicht schlafen kann, anfangs, und da es sich um ein Märchen handelt, in einem Köngisschloss auch nicht schlafen kann, am Ende.
Dieser Stoff ist wie gemacht für die Zauberhände eines Steven Spielberg, seiner talentierten Ausstatter und Beleuchter und Kamermänner und Tonmänner und Musikmacher.
Der titelgebende Riese BFG, der große, freundliche Riese, ist ein Tüftler und Magier, sein Kennzeichen ist eine Handwerksgesellentasche. In seinen Labors, Innenräumen wie bei Wurzelseppens aber im gewaltigen Hollywood-Ausstattungsmaßstab, kann er an Traumfängerei herumlaborieren, kann seine Erkenntnis in Glasflaschen aufbewahren, er kann aber auch mit dem Käscher auf Traumjagd gehen.
Mit seinen weiten, abstehenden Ohren, seinem kernig-gesunden Gesicht, seinen warmherzig-pfiffig leuchtenden Äuglein, seiner windschnittigen Frisur und seiner schier streichholzdünnen Figur gewinnt er schnell das Vertrauen von Sophie, die im Waisenhaus nicht schlafen kann und verbotenerweise aus dem Fenster schaut.
Es ist typisch für Waisenhäuser, dass man das nicht darf, denn man könnte erkennen, dass es draußen auch noch eine Welt gibt. Dort ertappt sie den BFG und der wir auf sie aufmerksam.
Erst liegt sie unter einer Decke, eine aus verschiedenen Lappen patchworkhaft zusammengeflickte Decke. Allein was Spielberg mit dieser Decke alles anstellt, wie sie zum durchgängigen Requisit (wenn schon keine durchgängige Spannung) wird; wie er Sophie unter dieser Decke erst drapiert, dass es aussieht wie ein magischer Berg. Und natürlich hat es eine Bedeutung, diese Decke bei den ganz großen Riesen und Kinderfressern zu verlieren. Denn das spinnt die dünne Geschichte weiter und veranlasst die Riesen, sie zu verfolgen. Requisiten als Fortträger der Geschichte, das ist auch so eine bemerkenswerte Eigenschaft von Spielberg.
Der BFG ist gut zu Sophie. In welch malerischen Nischen er sie versteckt, wie ein Vogel seine Jungen in einem Baumstamm oder auf dem schwankenden Ausguck eines Einmasterskelettes in seinem Labor.
Wie malerisch Spielberg die großen, klobigen Riesen in der kargen Landschaft versteckt, wie Mooshügel liegen sie da. Es wirkt wie eine verwunschene Angelegeneheit, so, als hätten wir diese Geschichte auf einem spinnwebenverhangenen, seit Jahrhunderten unberührten Dachboden gefunden. Das hat Charme. Das zeichnet Spielberg meisterlich; man denkt an einen Mönch der hingebungsvoll im Mittelalter Inkunabeln comme-il-faut in ausdauernder Arbeit und darüber geneigt fabriziert.
Aber damit will sich Meister Spielberg nicht zufrieden geben. Es folgt ein recht ausgewalztes Kapitel am britischen Königshof. Hier wird es für den Europäer, der eben noch um den Brexit gebangt hat, schwieriger. Hier spricht plötzlich eine royalistische Haltung von der Leinwand, wie sie wohl nur in Hollywood gedeihen kann und der offenbar ernsthafte Verehrung für die ewige Königin zugrunde liegt, ein mit Hollywoodpomp aufgemotztes britisches Könighaus, die Königin ganz in Blau.
Über die Träume ist Sophie dorthin gekommen, dank BFG, und wie Spielberg jetzt versucht, BFG einen höfischen Empfang zu bereiten, da kommt er einem ungefähr so buckelig vor, wie BFG sich geben muss, um überhaupt in den Audienzsaal hineinzugelangen. Was sich dann abspielt, hört sich so an, Euer Majestät, Hollywood versucht nun ein Witzchen über Euch zu machen, was aber keinesfalls ehrenrührig aufzufassen ist, sondern geschuldet ist loyaler, vorbehaltloser Bewunderung.
Ach ja, ein dramaturgisches Problem ist noch ungelöst. Die großen, bösen Riesen. Was machen wir mit denen? Die werden mithilfe der Royal Airforce entsorgt, der Falklandkrieg lässt grüßen, und die Entsorgungmethode, die haben wir schon in chilenischen Diktaturaufarbeitungsfilmen gesehen. Bei der Gedankenassoziation dürfte die Queen not amused sein.
Recycled scheint ein Bühnenbildelement aus dem Soldat Ryan, der Kirchtrum in der Bretagne, der scheint hier kurz auf.
Innovativ ist möglicherweise die Deutung der Träumchenglühwürmchen aus den Gläsern von BFG auch als Glüchwürmchen-Slime. Und immer eine sichere Bank: Bilder von kindlicher Einsamkeit und Verlorenheit.
Vielleicht ist das das Problem eines Meisters wie Steven Spielberg, der so viel erreicht hat im Leben, wie kaum jemand erreichen kann, dass er mehr nicht erreichen kann und folglich...