Lou Andreas Salomé

Der Frau ist nicht beizukommen.

Lou Andreas-Salomé hat ein reiches Leben, ein kompliziertes Leben, ein produktives Leben geführt, einen vielseitigen, geistreichen Umgang gepflegt, über 75 Jahre von 1861 bis 1937 mit vielen Reisen und Beziehungen. Das ist in 113 Kinominuten nicht zu packen.

Aus all den Texten, Briefen, Büchern von ihr und über sie so viel rauszuholen und damit eine spannende Geschichte entstehen zu lassen auch für den Nichteingeweihten, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit oder jahrelanger Arbeit sein oder ein Filmmacher müsste sich auf spezielle Themen und Aspekte, Beziehungen oder Lebensphasen beschränken.

Cordula- Kablitz-Post, die mit Susanne Hertel auch das Drehbuch geschrieben hat, will alles, will die ganz Lou erfassen.

Dieses Vorhaben erschwert sie sich selbst dadurch, dass sie vier Darstellerinnen für verschiedene Lebensalter der Lou verpflichtet und außerdem in der Chronologie hin- und herspringt.

Am dominierendsten ist Katharina Lorenz, die die Altersspanne von 21-50 Jahre abdeckt. Sie spielt vor allem eine große Schauspielerin, die Darstellerin einer großen Rolle, der man gerne zuschaut, bei der alles sitzt, wobei aber die Info, die eingestreut wird, dass sie eine der ersten Psychoanaltyikerinnen gewesen sei, doch eine merklich Diskrepanz zwischen Spiel und Berufsbehautpung spürbar werden lässt.

Das mag an Regie und Drehbuch liegen. Der waren vor allem die Männerbeziehungen, die als verrucht gegolten haben zu der Zeit, wichtig.

Hier ist es der milchgesichtige Rainer Maria Rilke, ein naives Jüngelchen, Julius Feldmeier, dann der Alkoholiker, der näher bei einem Fuhrmann als bei einem Dichter anzusiedeln wäre, Friedrich Nietzsche, Alexander Scheer, und als weitere Beziehung Paul Rée, der wenig Chancen zur Profilierung hat, nicht mal einen Schnauzer wie die beiden anderen und schließlich der Ehemann, der Russe Friedrich Carl Andreas, Merab Ninidze, dem sie die Scheinehe schenkt mit dem Verbot des Bettes. Man sieht, in welchen Wust der Berichtsversuch einen hoffnungslos hineinzieht.

Erzähltechnisch dröselt Cordula Kablitz-Post die Geschichte von der 72 Jahre alten Lou her auf. Nicole Heesters nimmt man ein vielseitiges, gelebtes Leben durchaus ab. Sie diktiert ihre Biographie einem Ernst Pfeiffer, Matthias Lier, in eine alte mechanische Schreibmaschine.

Die Schauspieler wirken wie Schauspieler, die ihre Texte für eine ehrerbietige Lesung vorbereitet haben; wodurch allerdings ihre Individualität, vor allem der entsprechende Eros, der zu Lou funken sollte, zu kurz kommt.

Dann tritt auch noch Sigmund Freud auf und Lou legt sich auf die Couch, offenbart Geheimnisse ihren positiven Narzissmus betreffend, der alle Männer unglücklich gemacht habe; ein Schlüssel zu dieser Eigenschaft liege im frühen Verlust des Vaters, der eine Ablösung von dieser Figur vereitelt hat (wobei hier im Film auffällt, dass alle diese Männer bereits unglücklich sind, wenn sie Lou das erste Mal begegnen).

Prickelnd ist die Szene mit dem verheirateten Pastor Gillot, der sich in die erblühende Lou verliebt; hier wird sie aufregend verkörpert von Liv Lisa Fries.

Frösteln macht einen Katharina Schüttler als von der alten Lou adoptierte Marie, die sich von Pfeiffer in ihrer Position gefährdet sieht.

Alle diese Geschichten kommen nicht über das Anskizzierte hinaus, so können auch die Figuren nicht genügend studiert werden und der Kamera von Matthias Schellenberg bleibt kaum eine Chance, Räume plausibel einzuführen; schön sind die Szenen, die aus Postkarten entstehen, resp. in denen sich die Akteure in Postkartenbildern bewegen oder in alten Fotografien; das ist nett gemacht.

Die Wuselmusik trägt wenig zu einem klaren Bild bei, was sich im Gedächtnis festmachen könnte. Ob das so ein glücklicher Einfall ist, die alte Lou ihr Leben der Schreibkraft erzählen zu lassen?

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