Monsieur Chocolat

Und wieder führt ein französischer Schauspieler Regie, Roschdy Zem nach dem Buch von Cyril Gely, Olivier Gorce, Gerard Noiriel und ihm selbst. Und wieder kommt ein prima genießbarer französischer Film heraus, der an das große epische Kino eines David Lean erinnert, langsame, gut buchstabierte Erzählung, die in ein tief menschliches Drama mündet, das einen von Akt zu Akt mehr gefangen nimmt und nicht unberührt lassen kann.

Es geht um Vorurteile, Rassismus, Kolonialismus, Emanzipation, Klischees, Befreiung und Ausbeutung, die Suche nach sich selbst und den Selbstwert. Die Figur, die das alles großartig verkörpert, ist Omar Sy (Ziemlich beste Freunde) als Rafael Padilla genannt „Chocolat“.

Ein Immigranten-, ein Flüchtlingsschicksal, das ist der Anknüpfungspunkt an das Heute; in Frankreich auch an die Schicksale der „Sans-Papiers“, der Menschen ohne Papiere, ohne Aufenthaltserlaubnis.

Die Geschichte spielt Ende des vorletzten Jahrhunderts und geht bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, bis zum frühen Tod von Padilla. Sie fängt museal und zeitlos an mit der Schilderung des Zirkus Delveaux, eines mäßig erfolgreichen, in geleckter Armutsmanier gezeigten Zirkus‘, die Einnahmen dürften gerade so reichen oder auch nicht, den Bären, den wir in einer Probe kennenlernen, wird er nicht mehr ernähren können.

Der Zirkusdirektor ist auf der Suche nach aufregenden, bezahlbaren Nummern. Der Clown Footit, James Thiérrée, bringt nur mit Mühe und Krampf die Leute zum Lachen.

Aus einer Kolonie entflohen ist Padilla, genannt „Chocolat“. Er tritt mit einem Menschenaffen auf und spielt den Kannibalen, verschreckt die Leute.

Footit entdeckt das komische Talent von Chocolat, überredet ihn und den Direktor, mit ihm als Clown aufzutreten; Prinzip, der Weiße schlägt, der Schwarze hält den Kopf hin. Das wird das Urprinzip des Weißen und des Dummen Clowns.

Ihre Nummer wird bald zum Erfolg. Der Zirkus Delveaux hat ausverkaufte Vorstellungen. Die beiden Clowns werden für den Nouveau Cirque in Paris mit 1500 Plätzen entdeckt und dort schnell zu Stars. Sie entwickeln ihre Professionalität in immer neuen Nummern. Ihre Charaktere sind verschieden. Footit ist seriös, verschlossen, keine Weibergeschichten, überhaupt keine Geschichten. Wie umgehen mit dem Erfolg, das ist die Frage.

Chocolat lässt sich teuer einkleiden, kauft Luxuswagen, verfällt der Spielsucht. Er ist permanent gefährdet und Frauengeschichten hat er auch. Er engagiert sich jedoch auch als Spitalclown. Einen schnippischen, missgünstigen Kollegen verprügelt er. Im Knast lernt er einen Tahitianer kennen, seinen intellektuellen Sidekick in Bezug auf Befreiung und Emanzipation. Und wie so mancher Schauspieler ist er nicht glücklich, immer nur die gleiche Rolle, den geschlagenen Schwarzen, zu spielen. Er träumt von Shakespeare, von Othello. Diese Premiere ist der angepeilte Höhepunkt.

Im Film wird er zum Wendepunkt. Zur Erniedrigung gesellen sich Suchtverhalten und überhöhte Empfindlichkeit, was den Gang durch ein Berufsfeld, das gerne Haifischbecken genannt wird, nicht leichter macht.

Roschdy Zem hat für seinen Film ein exzellentes Ensemble zusammengestellt; der Film träufelt sich einem ganz langsam ein ins Gefühlszentrum.

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