Ich bin tot, macht was draus!

Einen schönen Bären binden uns die Gebrüder Guillaume und Stéphane Malandrin in feinstem, belgisch-skurril-philosophischem Stil auf.

Dabei erzählen sie unterhaltsam über ein Leben mit Verlusten, mit entgangenem Gewinn und Erfolg und überhaupt, dass das Leben eine Reise sei, die nicht unbedingt den geplanten Verlauf nimmt, da gerne etwas dazwischen kommt und der Weg mit teils wechselnder Besetzung den Sinn ausmacht, auch wenn man nicht im Zug nach Montreal sitzt, obwohl man dorthin möchte; es gibt auch andere, lohnende Destinationen, die schönere Locations zum Verstreuen der Asche bieten als das eigentliche Konzertreiseziel L.A.

Nach L. A. will die Altrockband „Grand Ours“ (Großer Bär) zum Auftakt ihrer internationale Tournee von Brüssel aus aufbrechen.

Pläne sind eines, das Leben ist ein anderes. Der Tod lauert überall und kann ganz unerwartet und unspektakulär eintreten. Den Sänger der Gruppe hat es kurz vor der Abreise erwischt. Spektakulärer allerdings und bedrohlicher als der Tod von Jipé war, dass er nach dem letzten Konzert keine Stimme mehr hatte – mit tragischen Folgen.

Die Gebrüder Malandrin entwickeln ihre Geschichte step by step, ganz konkret. So öffnen sich ständig Fallen des Alltags. Wenn einer tot ist, braucht es eine Beerdigung. Wobei sie nicht nach realistischem Muster einen Handlungsablauf erklärenderweise aufbauen, aber die Szenen entstehen aus konsequentem Denken heraus. Wo eine Beerdigung stattfindet, kann etwas schief gehen, denn auch so eine Veranstaltung liegt in den Händen von Menschen. Und die machen Fehler. Es können Särge vertauscht oder Abdankungstermine durcheinander gebracht werden. Ist ganz logisch. Und selbstverständlich. Und glaubwürdig.

Und logisch ist das Chaos, was die vergeblich angereiste Trauergesellschaft auslöst. Denn die ist zwingend durch deren Charakterisierung mit all diesen alten, bärigen Typen, die joviale Souveränität ausstrahlen, die besagt, dass man nicht daran denke, sich gewisse Dinge gefallen zu lassen.

Schon gar nicht eine Urne, die schon weg ist. Und dass eine Rockband trotzdem würdig Abschied nehmen möchte, den Kollegen in Aschenform mitnehmen möchte auf die Tournee. Ganz verständliche Wünsche. Aber dazu muss man die Urne erst mal haben.

Die Wiederbeschaffung verbinden die Gebrüder Malandrin mit einem Motorradausflug zum eleganten Haus eines erfolgreichen Schlagersängers. Bei dem steht die Urne auf dem Flügel. Nebenbei sehen wir, was für ein tolles Haus der sich leisten kann mit seiner von den Rockmusikern verachteten Süßmusik, riesige Glasfront, der Rest des Hauses mit Grünzeug überwachsen. Der Sänger sitzt am weißen Flügel, auf welchem die Urne steht, und spielt und singt. Es folgt Urnenwiederbeschaffungs-Action, die muss solche Architektur aushalten, ist ja nur eine zerborstene Glasscheibe.

Dass es beim Zoll Schwierigkeiten geben würde, ist abzusehen.

In so einer verschworenen Männergesellschaft, die durch die Musik intensiv ist, wie die Eingangsszene zeigt, hat der eine oder andere durchaus seine Geheimnisse. Und wenn einer stirbt und es taucht plötzlich ein Nato-Soldat namens Dany auf, den ein solches mit dem Verstorbenen verband, so geraten die anderen ins Grübeln ob des posthum gelüfteten Geheimnisses.

So wird es ein wundervoller, überraschungsreicher Weg werden, bis sich das Rätel der Eingangsszene löst: die Erzählung eines alten Innuit von seiner Beeindrucktheit über Pete Best, der der erste Schlagzeuger der Beatles gewesen ist, aber kurz vor deren Durchbruch ausgetauscht wurde und der den Rest des Lebens als Bäcker gearbeitet habe, die Weltkarriere verschenkt.

Dieses Statement war der Anlass für die vorliegende Gründelei, Tüftelei der beiden belgischen Brüder, für den nahrhaften Bären, den sie uns mit dieser Story wohlgelaunt und pfiffig aufbinden.

Faszinierend an diesem Film ist, dass er einerseits den Eindruck erweckt, er komme kaum vom Fleck und dass just das es ausmacht, dass man nachher unendlich viel darüber erzählen möchte; weil einem kaum etwas vorenthalten wird.

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