Die Stadt von morgen – Experimentierfeld Asien (DVD)

4 x 25 Minuten thematisch hochkonzentriert fokussierter, geballter Input an Informationen, Erläuterungen, Bildern, Konzepten, Skizzen, Theorien und Beispielen modernen Umganges mit den Problemen des Bauens in asiatischen Megacities an ausgewählten, exzellenten architektonischen Beispielen, vorgestellt von Stararchitekten. Diese architektonischen Perlen werden ansprechend designt präsentiert von Michael Trabitzsch, Flaire Floquet und Jörg-Daniel Hissen. Manch ein Planungsreferat in unsere Städten könnte mittels gründlicher Beschäftigung mit dieser DVD teure Reisekosten in ferne Länder sparen und bei den Themen Neubau von Stadtteilen und Verdichtung sich inspirieren lassen. Erhältlich über absolutmedien.

Die Eroberung des Zwischenraums

Im ersten Film geht es um die pulsierende, disziplinierte, kaum ruhende, hocheffiziente Megacity Tokyo mit den überbordenden Boden- und Immobilienpreisen. Es gibt Lösungen mit verschiedenen Entwicklungen von Mikroappartment-Häusern, die versuchen, den Bewohnern das Gefühl von Individualität und Privatheit einerseits und menschlicher Gemeinschaft andererseits zu vermitteln.

Osama Nishida stellt seine Yokohama Appartments vor, die zur Straße offene Gemeinschaftsräume haben, die über kleine Stiegen zu den individuellen Einzelräumen führen, gekocht wird gemeinsam, die Einzelräume sind winzig. Hitoshi Wakamatsu hat das Sakura Appartmenthaus gebaut, das gedacht ist, klug Lücken zu füllen und welches mit variablen Wohnungskombinationen arbeitet, die sich den Dorf- oder Kleinstadtcharakter zu eigen machen. Sou Fujimotu präsentiert seine Tokyo-Appartments; die sehen lustig aus, wie ineinander verschachtelte und übereinander gestapelte Giebelhäuschen, die über kleine Pfade zu erreichen sind. Mitsuhiko Sato hat ein Genossenschaftshaus entwickelt, ein Terrassenhaus, das Komatsuagi Terrace; die Bewohner wussten, wer einzieht und waren in die Planung mit einbezogen.

Landschaft und Tradition

Im zweiten Film geht es um die Besinnung der Architektur auf die Natur und auf die Tradition, um eine Alternative zu entwickeln zu den Auswüchsen der amerikanischen Großstädte, wo planlos Wolkenkratzer an Wolkenkratzer in die Höhe ragt, ohne Beziehung zu einander und naturvergessen; es geht darum, der Architektur Natur zurückzugeben oder sie in die Natur einzubetten.

Das Yokosaka Art Museum von Riken Yamamoto, 70 Kilometer von Tokyo entfernt ist ganz unscheinbar in einen Naturpark am Meer eingebettet. Yamamotos Grundidee ist die, dass das Haus vom Meer aus gesehen praktisch unsichtbar bleiben soll; es ist zu großen Teilen in die Erde abgesenkt und von einer ausladenden Terrasse überdeckt. Die Vertikale als Imperativ des Bauens, Integration der Architektur in die Natur, sie fast zu verstecken in der Natur, das sind seine Ideen; entsprechend leicht ist die doppelte Haut des Gebäudes aus Glas und Metall.

In China, in Shan Shui City, stellt uns Ma Yansong, ein Architekt aus der Gruppe der MAD-Architekten, die stark von der kürzlich verstorbenen Zaha Hadid beeinflusst sind, ein Hochhaus mit Garten als lebendigem Organismus vor, das nicht den Eindruck erwecken soll, hier gehe es nur darum, möglichst effizient Menschen zu stapeln. In Beihai, dem ursprünglichen Ausgangspunkt der Seidenstraße, hat Yansong die Fake Hills gebaut, eine szenische Architekturlandschaft, die Ausblicke wie von einem Bergpanorama ermöglicht und in Zentralchina gibt er mit dem Huanshan Mountain Village das Beispiel eines Dorfes aus Luxusappartments, das sich in die Landschaft einschmiegt, Hochhäuser, die gar nicht als solche wahrgenommen werden und die die Geschichten der Großeltern erinnern sollen, eine spirituelle Landschaft.

In Peking folgt ein Einblick in Zaha Hadids Galaxy Soho, das wie eine Insel in der Smog-Großtadt wirkt, einer Oase gleich im pausenlosen Lärm dieser Stadt ohne Kern. Weiter geht es zu den Hofhäusern, die den Mikrokosmos einer Familie umfangen; daran orientiert ist die Hutong Bubble. Pei Zhu hat ein chinesisches Hofhaus renoviert, um dem Verlust des Historischen und des lange Entwickelten entgegenzuarbeiten.

Schwenk zurück nach Japan zum Z 58 von Kengo Kuma, einem renovierten Fabrikgebäude, das heute ein pflanzenloser Bürokomplex ist mit einer mehrstöckigen, pausenlos prickelnden Dauerbewässerung an den Wänden über Lamellen, die nicht nur hilfreich für die Luftbefeuchtung sind, sondern auch raffiniert mit dem Licht arbeiten, so dass die Atmosphäre eines botanischen Gartens entsteht, ein Naturgefühl.

Spektakuläre Kulturbauten

In der Sonderwirtschaftszone Shenzhen bei Hongkong mit ihren 10 Millionen Einwohnern hat Pei Zhu ein Design Museum entworfen und gebaut, es sieht aus wie ein „vom Meer geschliffener Stein“, ein archtiektonisches Faszinosum, das das immer über dem Megacitybau schwebende Dauerthema von Balance und Ordnung hochkonzentriert realisiert, ein Bau mit einem sich endlos fortsetzenden Innenraum; hier scheint alles zu schweben, das ausgestellte Auto ebenso wie der Besucher, ein Konzept, was sich auf die chinesische Kulur beruft und durch Irritation eine Erweiterung der Wahrnehmung anstrebt.

In Dalian im Norden Chinas hat der Wiener Architekt Wolfgang D. Prix von der Coop Himmelb(l)au, die auch die Münchner BMW-Welt entworfen hat, eine Oper als Wahrzeichen in die Sonderwirtschaftszone gestellt, die gleichzeitig auch Konferenzzentrum ist, die wie eine mittelalterliche Stadt funktioniert und nicht hierarchisch organisiert ist, somit eine ungewohnte Raufmerfahrung vermittelt: alles ist in Bewegung; immer muss der Archtiekt entscheiden, ob er eine Aussicht blockiert oder freigibt. Gemeinsinn statt Macht und Repräsentation ist die Philosophie bei diesem Entwurf, der in einer Achse zentraler Straßen mit Meersicht liegt. Ein Gebäude was durch Identitfikationsmomente zu emotionaler Besitzergreifung führen und auch auf die Entwicklung der Umgebung ausstrahlen soll.

In Ningbo hat Wang Shu sich auf die chinesische Geschichte besinnend und im Gegensatz zu den wild hochschießenden Wolkenkratzern ein Geschichtsmuseum hingewuchtet, das mit seinen alten, dunklen, erdigen Materialien an eine mittelalterliche Burg erinnert und dem Betrachter zuruft: „Denk an die Tradition!“ Dahinter steckt Wang Shus bittere Erkenntnis, dass unsere Städte ihr Gedächtnis verloren haben. Es gibt noch weitere Beispiele aus Ningbo, in denen Wang Shu seinem Ruf als einem Vertreter der Horizontalen und der Einfachheit alle Ehre macht, zB ein Kunstmuseum, das aussieht wie ein Lagerhaus.

Neue Stadtmodelle

Hier geht es um architektonische Meilensteine, die teils in Brachen erst geplanter Städte, Maßstäbe setzend gebaut werden.

In Ordos in der Steppenlandschaft in der Nähe der Mongolei hat die Architektin Xu Tian Tian eine Oper gebaut mitten im Niemandsland. Daran sollen sich die Planungen für die Umgebung orientieren. Die Oper liegt wie in einer Senke verborgen da. Das Gebäude ist von den Sanddünen inspiriert.

Ebenso baut Ma Yansong das Ordos Museum, eine raumschiffartige Blase, als ob sie nirgendwo hingehöre. Auch ihr fehlt noch die Umgebung. Aber vielleicht lässt sich die um sie herum zu bauende Stadt wie von einem Kreativimpuls davon beeinflussen.

Zurück in Ningbo: jetzt geht es um die Konzeption neuer Stadtteile, über die Jane Zhang, MADA-Mitbegründerin, erzählt, dass sie keinerlei Planungsvorgaben habe und der Fantasie freien Lauf lassen könne in der Gestaltung von CDDs, neuen Geschäftszentren, die bieten müssen, was die Städte in ihren chaotischen Entwicklungen nicht mehr leisten: menschlichen Bezug.

Ebenfalls in Ningbo hat Wang Shu die berühmten Hochhäuser gebaut, die aus übereinandergestapelten, traditionellen Hofhäusern bestehen und so Nachbarschaftsleben selbst in Hochhäusern ermöglichen: sehen und gesehen werden wie im traditionell gewachsenen Dorf oder Stadtteil; der Mensch und der nächste Mensch als Maßstab.

Dann noch ein Schwenk nach Shanghai zum Internationalen Yacht- und Kreuzfahrthafen; hier wird eine Stadt in der Stadt nach Masterplan wie die Docks in London neu entwickelt.

Zum Abschluss dieses nahrhaft kompakten, architektonischen Asientrips erklärt der Deutsche Meinhard von Gerkan die Millionenstadt, die er als Trabantenstadt Lingang 60 Kilometer von Shanghai entfernt aus dem Boden stampfen darf, die ihr Zentrum bereits hat und die vor allem von einem Offshore-Hafen, der 35 Kilometer im Meer draußen liegt und durch Brücken erreichbar ist, belebt werden soll. Auch er philosophiert über Ordnung und den sichtbaren Mittelpunkt, den bei ihm das Maritim Museum bildet und über die Balance von Vielfalt und Einheit. Er will die Mitte der Stadt, die nur zu gerne verstopft ist, für Aktivitäten freischaufeln und die Wohngebiete und Verwaltungsbezirke konzentrisch anordnen mit genügend grüner Natur dazwischen.