Gestrandet

„Wir schaffen das“ ist ein Satz, der leicht gesagt ist.

Über die Vielschichtigkeit der Mühsal von Integration berichtet diese Dokumentation von Lisei Capsers. Aman, Mohammed, Osman, Ali und Hassan stammen aus Eritrea. Sie sind im ostfriesischen Dorf Strackholt untergekommen und werden dort unterstützt von Christiane und Helmut, zwei pensionierten Lehrkräften. Die Dokumentaristin hat zu Beginn, nach zwei, vier, sieben und neun Monaten vorbeigeschaut und dann nach 19 Monaten nochmal.

Dunkelhäutige Menschen hat es in diesem Dorf bisher noch nicht gegeben. Es fängt nicht schlecht an. Christiane und Helmut nehmen sich der jungen Männer an. Helmut will einmal die Woche Deutsch unterrichten und Christiane betreut die Flüchtlinge bei Alltagsproblemen und im Umgang mit den Behörden.

Man sieht die Eritreer beim friesischen Traditionssport, dem Boseln, beim Windparklauf, im Schwimmbad, am See; sie werden gefragt, ob sie am Familientag vielleicht Kindern Spiele aus Eritrea zeigen würden, das stößt auf wenig Verständnis, ihnen ist nicht zum Spielen zu Mute.

Beim Volkslauf blendet die Dokumentaristin Bilder von der Flucht durch die Sahara ein. Später erzählt einer, wie sie dichtgedrängt auf wenig Quadratmetern auf der Ladefläche von Jeeps standen, 30, 31 Leute. Immer mal wieder ist einer runtergefallen. Die Schlepper haben nicht angehalten. In Libyen waren es dann gerade noch ein Dutzend Menschen.

Osman ist taubstumm, er kommuniziert in einer steinschrifthaften, einfachen Gebärdensprache und findet leicht den Kontakt zur Dorfjugend in der Kneipe. Er ist vor der Diktatur aus Eritrea geflohen wie die anderen auch. Zwei seiner Brüder und sein Vater wurden ermordet. Diese Gestik versteht jeder, mit dem Zeichen am Hals oder der Pistole.

Die jungen Männer vermissen ihre Familie. Auch nach neun Monaten unterhalten sich die Flüchtlinge mit ihren Helfern auf Englisch. Sie machen kaum Fortschritte in Deutsch. Einige Monate haben sie 1-Euro Jobs bei der Gemeinde gemacht, Grünanlagenpflege und zur vollen Zufriedenheit der Arbeitgeber. Aber es ist so wenig Geld, sie können nichts nach Hause schicken. Es motiviert sie nicht.

Die Asylverfahren ziehen sich hin. Die Perspektivlosigkeit lastet auf ihnen. Sie zeigen keinerlei Interesse, von sich aus Deutsch zu lernen. Sie kennen das kapitalistische, hier vorherrschende Denken nicht, dass jeder seines Glückes Schmied sei, dass Qualifikationen, sprachlich wie beruflich unerlässlich sind; in Eritrea sei man zu einer Firma gegangen und habe einen Job bekommen können, erzählt einer.

Die jungen Männer sind darüber glücklich und erleichtert, dass sie hier in Frieden leben können, dass für sie gesorgt ist mit Unterkunft, Kleidung, Essen. Aber sie sind mit sich selber beschäftigt und die fehlende Rechtssicherheit, d.h. fehlende Papiere, macht es für sie nicht einfacher. Im Grunde genommen möchten sie nichts lieber, als zurück in ihre Heimat, aber ohne Diktatur. Wer die abschaffen und ersetzen soll, da fragt der Film nicht nach. Helmut meint nach 19 Monaten, da sind bis auf Oman alle ausgeflogen aus Strackholt, er sei bei seinem Deutschunterricht von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen.

Ein unaufgeregter, nachdenklich stimmender Beitrag zur teils hysterisch geführten Flüchtlingsdebatte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert