Grüße aus Fukushima

Inkompetenzkompensationskompetenz.
Zwei Frauen, die mit dem Strick liebäugeln, mithin depressiv veranlagt sind, eine Clownin aus Deutschland, eine Ex-Geisha in Japan. Mit den beiden übt Frau Professor Dörrie ihre Regie- und Drehbuch(ersatz)kunst als einen „Tanz mit dem Chaos“ und systematischer Regelverletzung auf dem kontaminierten Boden rund um Fukushima mit sicher ganz pinggelig eingeforderten Mitteln aus deutschen Filmförder- und Fernsehtöpfen, somit ein mustergültiges Beispiel für Odo Marquards Begriff der Inkompetenzkompensationskompetenz liefernd.

Begründet wird diese ihre Methode einzig und allein damit, dass sie sehr vieler „Erfahrung“ bedürfe, was mit dem Verzicht auf systematisches Durchdenken und Planen des Stoffes gleichgesetzt wird, wie er vorgeblich für große, aufwändige Produktion vonnöten sei. Mit diesem Denk- und Planungsverzicht im kleinen Gepäck und ebensolch kleiner Mannschaft zieht Frau Drehbuch-Professor los. Der kleine Aufwand rechtfertige, so ist daraus abzuleiten, den Verzicht auf Konzept, Planen und Denken, wenn wir das richtig verstanden haben.

Das hört sich so an, wie, ich habe da so eine vage Idee, ich könnte eine depressiv veranlagte Frau aus Deutschland, mit einer depressiv veranlagten Frau aus Japan in der Region um Fukushima zusammentreffen lassen und dann schauen wir mal, was daraus wird.

Etwas Dokumaterial aus dem verseuchten Gebiet legitimiert mich wenn nicht als Filmemacherin, so doch als atomkritische Person. Die langen Reihen von Säcken mit kontaminierter Erde, die sich in Schwarz-Weiß gut machen, als Mahnmal. Das Kino als moralische Anstalt. Der moralische Fingerzeig als Stattdessen und als Rechtfertigung vorgeblich cineastischen Tuns.

Was mit den beiden ungleichen Frauen anzufangen ist, das werden wir schon sehen, Clown ist schon mal gut, Ex-Geisha ist auch gut, folkloristisch wie landestypisch dazu die Teezeremonie, vages, deutsches Sehnsuchtselement. Und da das nicht so recht abendfüllend wird bei der Dörrie-Tanz-auf-dem Chaos-Methode, bleibt noch der Hausfrauen-Hygiene-Input: lassen wir doch dauernd den Boden putzen, diese Methode mit dem zerknüllten Zeitungspapier, das ist zum Nicht-Satt-Sehen.

Und wenn sich daraus immer noch keine richtige Kinogeschichte ergibt, so reicht es doch allemal für einen Themennachmittag im Kirchgemeindehaus oder im ASZ oder als Hausfrauenfortbildungskurs in der Volkshochschule (es kommt noch das Nähen vor, das Saubermachen von Fotos von radioaktivem – so die Konklusion des Betrachters – Staub von Hand und von Motorrädern): wie trinken die Japaner Tee, wie wischen sie ihren Boden, wie wird eine Geisha geschult?

Von dieser Inkompetenkompensationskompetenz von Frau Dörrie haben sich wieder jede Menge Film- und Fernseh-Funktionäre bluffen lassen, Treuhänder unserer Haushaltszwangsabgabe wie ZDF und arte, die auf diese Weise unser mühsam abgeknapstes Zwangsgebührengeld im Dörrie-Chaos-Wok verdampfen.

Frau Dörrie gibt vor, neue, Wege zu beschreiten: der Dörrie neue Kleider.

Der Beweis von Filmkönnen mittels Erfahrung ist eher dürftig, besonders wenn man jüngere Filme der Professorin anschaut, Alles inklusive, just da wurde Drehbuchinkompetenz vermutet, dito bei Glück.

Zum Thema Depression gibt es nebst Angstvisionsbildern das Therapiemittel des Miauens. Den Katzen und dem Miauen wird bildnerisches Gewicht verliehen mit einem Menschen im Katzenkostüm in einer U-Bahn-Station, bildmittig wichtig unter den Abspann gelegt und früh schon nicht minder gewichtig eingeführt.

Die Rahmenhandlung deutet auf einen Hochzeitsfilm hin (Hochzeit geplatzt, weil Braut aus Panik den Bräutigam mit dessen besten Freund betrogen hat; im Wald hängt schon der Strick an einem Baum). Diese Frau wird gespielt von der an sich begabten Aktrice Rosalie Thomass, die in diesem Film vom Beruf her eine Clownin sein soll, was nach ein paar mäßigen, anfänglichen Einlagen schleunigst vergessen wird; sie ist hier wie nicht ganz bei der Sache. Entweder kam sie mit der Tanz-auf-dem-Chaos-Methode der Regisseurin oder mit Japan nicht klar. Jedenfalls treibt ihre Verzweiflung die Clownin nach Japan, wo sie allerdings nicht mal den Schneidersitz für die Teezeremonie fertig bringt. Ein paar Mal zu oft sagt sie „Scheiße“, das nicht herzustellende, interkulturelle Verständnis signalisierend, was allerdings in krassem Gegensatz zur Regieabsicht stehen dürfte.

Die andere Depressive ist die alte Japanerin, die eindrückliche Kaori Momoi als Geisha-Lehrerin Satomi. Sie gehört zu den Fukushima-Betroffenen, hat sich beim Tsunami mit ihrer Tochter Yoki auf einen Baum geflüchtet und sie so verloren. Das ist das malerische Baumskelett, an dem sie den Strick aufhängen wird in einem Bezirk, der noch nicht wieder freigegeben ist für die ehemaligen Bewohner. Aber sie geht dorthin zurück. Die Clownin folgt ihr.

Ein Inneneinrichtungsfilm dazu. Er zeigt, wie man mit wenigen Tüchern einen atomar verseuchten Raum wohnenswert machen kann. Und ein Möchtegern-Philosophiefilm: der Weisheitssatz, dass Erinnerung schmerzhaft sei, hängt unbearbeitet, tränendrüsig und selbstmitleidig im Dialograum. Denn die Erfahrung, so denn eine reflektierte vorhanden ist, lehrt, dass Erinnerung schmerzhaft sein kann oder auch beglückend, je nachdem, wonach sie sich streckt; bei einer selbstmitleidigen, deutschen Künstlerin mit zu wenig Erfahrung nach dem Schmerz.

Es ergeben sich dank Kameramann Hanno Lentz immerhin einige eindrückliche Dokumentaraufnahmen aus der Umgebung von Fukushima, die Absperrung zu den noch kontaminierten Gebieten haben es Frau Dörrie angetan und eine kleine Portraitfolge von evakuierten Bewohnern, die nach wie vor in einer provisorischen Containersiedlung wohnen.

Ein großes Plus ist die Musik, wohl dosiert, etwas Folklore, Schubert und Velvet-Underground bilden einen allgemeinbildungsverträglichen Score; immerhin versucht Frau Dörrie gar nicht erst, ihre Drehbuch- (und auch Figurencharakterisierungs) Schwächen mit dem Sound zu übertönen, das hat sie anderen mit Schreibschwäche voraus.

Das Produkt gehört in ein Museum für Kuriositäten und Sumpfblüten aus dem Biotop des überförderten, deutschen Pfründenkinos der zehner Jahre des dritten Jahrtausends oder in die Abteilung: Kicherfilme für depressive Frauen.

Rote Karte des Zwangsggebührenzahlers.

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