Das Wetter in geschlossenen Räumen

Dieser Film von Isabelle Stever möchte UNHCR-kritisch sein, zeigt mit dem Finger auf einen möglichen wunden Punkt einer solchen internationalen Organisation.

Zuletzt hat sich des Themas A Perfect Day angenommen. Hier fing es an mit einer schweren Leiche an, die aus einem Brunnen geborgen werden sollte, um die Wasserversorgung der Nachkriegsbevölkerung sicherzustellen. Die Leiche war zu schwer, der Strick reißt. Die Suche nach einem Ersatzstrick setzt ganz klassisch eine spannende Erzählung in Gang, welche wie nebenbei auf die vielfältigen Probleme einer internationalen Hilfsorganisation in einer höchst sensiblen Friedenssituation aufmerksam macht.

Isabelle Stever glaubt, ohne einen solchen Handlungs- und Spannungsfaden auskommen zu können. Sie lässt erst ihre blondierte Hauptdarstellerin, TV-Star Maria Furtwängler, ellenlang im Fond einer Limousine mit der Sonnebrille spielen und deutlich machen, dass sie nicht wisse, wie inneren Monolog darstellen, da diese Kunst bei der Fernsehroutine nicht erforderlich ist. Nach der Fahrt wissen wir gar nichts, außer welche Verlegenheitslösungen Frau Furtwängler für diese Aufgabe präsentiert, aber noch nichts über ihre Rolle und allfällige Konflikte derselben.

Die Hauptmenge der Zeit dieses Filmes, der von dem, was er substantiell bietet, maximal das Pensum für einen schrägen Kurzfilm abgegeben hätte und weswegen vieles so ausgewalzt daher kommt, füllt der Lover von Furtwängler, der ausführlich seine Herkunft erklärt nach einer Liebesszene, die uns glücklicherweise vorenthalten wurde, der umständlich seinen Gürtel schließt, das dauert und dauert und ist doch vorher nichts passiert, was den Zuschauer nachhaltig beschäftigen würde, noch etwas, worauf er gespannt ist.

Der Torso des Filmes sind Frau Furtwängler und der schwarzlockige Beau, der gerne Brusthaar zeigt und samt-seidig-elegant gekleidet ist. Die beiden verbringen viel Zeit in einem luxuriösen Hotelzimmer, einer Suite, die sie im Suff demolieren; sie sagen dem Trunke zu und im letzten Drittel des Filmes stößt noch eine weiterer junger Mann zum Duo, so wird daraus eine Ménage à Trois, die aber auch nicht richtig gezeigt wird. Jetzt kommen zum Alkohol noch Koks und andere Drogen hinzu.

Den Hauptteil der Zeit verbringen diese Darsteller daher damit, versuchen zu zeigen, wie sie Betrunkene spielen. Das gelingt nicht immer. Das gelingt nicht durchgehend, ist aber durchgehend als Bemühung erkennbar. Die Schuld mag teilweise am Buch liegen, das ihnen so wenig Ziele setzt, das es nicht nötig zu haben scheint, einen reißfesten Spannungsfaden einzuwirken.

Eine Geschäftsaktion von Frau blondiert Furtwängler ist, dass sie einem Mädchen aus einem Flüchtlingslager ein Stipendium in London ermöglichen will. Das Mädchen verschwindet auf dem Hinflug beim Umsteigen in Paris auf dem Airport-Charles-De-Gaulle (die Bemerkungen über dessen Weitläufigkeit gelingen Frau Furtwängler überzeugend, das scheint ihr Metier zu sein, wie ihr Promiauftritt vor Medien oder dem Personal gegenüber). Zurück kommt ein Überseekoffer wie aus einem Seeräuberfilm, wie er offenbar typisch ist für die Bewohner von Flüchtlingslagern, haben wir das richtig gesehen?

Ein anderer, dünnst angelegter Handlungsfaden ist ein Sponsoren-Dinner, ein Charity-Event, das die Gesellschaftsdame Furtwängler organisiert. Ist aber nicht spannungserzeugend eingebaut in den Film, eher als ein Hindernis für die Liebesszenen, die ja auch nicht so richtig gezeigt werden, mei, was sich da inzwischen andere Filmemacher so trauen, Gaspard Noé mit Love. Das hier sind nicht mal Trockenübungen dagegegen und verkrampft dazu.

Ein weiterer Film, der beweist, dass Deutschland Kino nicht kann, keine Filmkultur hat und dass das Fernsehen doch bittschön die Finger davon lassen soll, ein Film, den sich niemand im Kino anschauen wird: und wieder ist das Wetter oder die Weltlage, nur nicht das eigene Unvermögen schuld.

Das wäre bei diesem Projekt mit den vielen, verkopften Dialogsätzen schon bei der Lektüre des Drehbuch ablesbar gewesen. Die rote Karte des Zwangsgebührenzahlers, dem für solche Geldverschwendung Kulturverzicht zugemutet wird, erhalten Andre Hanke vom WDR, Barbara Buhl vom WDR, Cornelia Ackers vom BR, Christian Granderath vom NDR und Philine Rosenberg vom NDR.

Frau Furtwängler immer mit dickem, fettem Untertext: ich spiele jetzt Kino, deshalb lächle ich auch ab und an ein grundfalsches, pseudocharmantes Lächeln. Methode: ich weiß nicht, was ich spielen soll, aber das mach ich erst recht (kein Wunder, wenn das Buch der Figur auch keinen persönlichen Konflikt zum Beißen gibt, sondern nur will, dass sie Verkommenheit und Alkoholismus illustriert).

Warum muss Frau Furtwängler auch noch rauchen? Drehbuch-, Regie-, Figurverlegenheit? Vom Typ her wäre sie keine schlechte Besetzung für diese abgehobene Dame, wenn sie nicht meinte, sie müsse das auch noch spielen. Auch physisch hat Frau Furtwängler für Kinoansprüche zu wenig Spannkraft, was bewegen sich da für Welten, wenn sie aufsteht oder auf einen Tisch oder gar eine Kloschüssel sich hievt, Vorgänge für sich, die die Inszenierung aber nicht für ihre Message nutzt (oder sie lässt es zumindest nicht durchblicken).

Meine Mutter war eine deutsche, katholische Krankenschwester und im Lager hat sie den schönsten Mann gesucht, mein Vater.
Wir müssen den Stand der Dinge kommunizieren.
Ich glaub, ich kann mir dich nicht mehr leisten.
Die größten Spenden aquiriere ich im Delirium.

Will Frau Stever eine Gesellschaftsschicht ohne Verantwortung zeigen und hat darum Frau High-Society Furtwängler besetzt, dann würde immerhin diese Durchtriebenheit für sie als Regisseurin sprechen.

Peinlich sind manche Reaktionen auf Bombenexplosionen, die Hotelfenster zum Zersplittern bringen.

Eine der Szenen, die gründlichere Arbeit verdient hätte: wenn Personal das demolierte Zimmer aufräumt und wiederherstellt, das dauert ewig und Frau Furtwängler vor ihrem Tablet muss so tun, als ob sie was tue und dabei noch Sekt trinken. Bleibt rätselhaft, zusammenhangslos. Auch zeigt Frau Furtwängler in mehreren Szenen, dass Telefonieren im Film recht schwierig zu spielen sein kann.

Immerhin, wenn Figuren im Film ankündigen, dass sie jetzt duschen werden und es dann auch tun, so weiss man doch glatt, woran man ist.

Überforderung von Frau Furtwänlger oder zu schlechte Vorbereitung für ihren großen Verteidigungsmonolog.

Thesenllustrier- und Fingerzeigfilm: das Führunspersonal des UNHCR ist beschissen.

Schön ist der Song des jungen Mannes, nachdem er hört, dass er das Stipendium erhält: Sometimes I feel like a motherless child. Da ist man einen Moment lang gebannt.

Kein Mitleid mit Frau Furtwängler.

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