Die Kinder des Fechters

Wer sich für den Gründer des Fechtklubs einer nicht näher bezeichneten Schule im estnischen Küstenort Haapula interessiert, der ist hier richtig, der dürfte hier zum eng fokussierten Zielpublikum gehören.

Dieser Gründer heißt Nelis Endel ehemals Keller und wird gespielt von Märt Avandi. Endel kommt aus Leningrad. Es ist die Stalinzeit 1952. Nach etwa einer Stunde verrät der Film dunkel, dass Endel Probleme mit der Nomenklatura hatte und vom sowjetischen Geheimdienst gesucht wird. Das erzählt Endel in einem Gespräch am Meer der Frau, die für das Anskizzieren einer Liebesgeschichte in den Film genommen wurde.

Er war in Leningrad Fechter. In Haapula sollen die Lehrer, das ist kommunistische Lehre, einen Freizeitclub aufbauen. Wie das bei Endel funktioniert, skizziert dieser Film von Klaus Härö nach einem Drehbuch von Anna Heinämaa so langsam wie für Leute mit Filmleseschwäche.

Endel hat bis jetzt keine Anstalten zur Gründung eines Klubs unternommen. Er trainiert für sich allein in der Turnhalle. Ein kleines Mädchen beobachtet ihn und möchte das auch lernen. So kommt die Geschichte mit dem Klub in Gang.

Der Wunsch der Schüler, an der Jugendmeisterschaft der Sowjetunion in Leningrad teilzunehmen, stellt Endel vor zwei Probleme. Erstens haben sie noch nie im Leben etwas mit Fechten zu tun gehabt – so üben sie denn mit präparierten, selbst gesammelten Weidenruten. Zweitens droht Endel dort die Verhaftung.

Rein theoretisch ist von einigen Spielszenen zu schließen, dass der Liebesfunke zur Kollegin rübergesprungen ist. Das auszubuchstabieren glaubt der Film allerdings nicht nötig zu haben. Genauso wenig hält er es für angebracht, Szenen zu erfinden, die verdeutlichen, wie sich das zwischen Lehrern und Schülern postulierte Vertrauensverhältnis entwickelt. Hierbei geht der Film von einem selbständigen Mitdenken des Zuschauers aus – oder er behandelt ihn wie einen Mitwisser.

Wer sich aber für eine schöne alte Turnhalle mit Holzboden, an dem Turnvater Jahn seine Freude gehabt haben dürfte, interessiert, der wird hier was geboten bekommen, auch als Nicht-Insider.

Und auch wer sich daran ergötzen kann, wie ein Mädchen aus der Provinz, ein ganz kleines Pummelchen mit wenig Bewegungsverfügung bei der Jugendmeisterschaft in Leningrad im Endkampf die langgeübte und zwei Köpfe größere Bohnenstange von Jungen aus Moskau schlägt, der kriegt das hier geboten.

Allerdings ist fraglich, wieso dieser Film so breit gefördert wurde, auch von deutschen Förderern, da das Drehbuch viel zu viel voraussetzt, im Grunde nur für Insider verständlich ist, die noch genau das Funktionieren des Stalinismus kennen und die auch die Atmosphäre in einem Provinznest anno 1953 in Estland nachvollziehen können; denn der Film macht sicht nicht die Mühe, all diese Dinge zu etablieren, auch nicht, wieso Endel genau in die Provinz geht.

Es bleibt vieles im luftleeren Raum hängen; die Erzählung ist löchrig und kann nicht klar machen, was sie Leuten, die nicht mit diesen Themen befasst sind, erzählen will. Die traurige deutsche Routinesynchro gibt den Rest. Der Film wirkt anfangs so vorsichtig inszeniert, als würde der Regisseur einen vollen Suppenteller über einen kostbaren Teppich tragen müssen und vermeiden, dass der Inhalt überschwappt.

Von deutscher Seite gefördert vom Filmfernsehfonds Bayern (Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Schaefer, Vorsitzende des Aufsichtsrates, Staatsministerin Ilse Aigner) und vom Deutschen Filmförderfonds (Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters).

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